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Eingesandt:  Leserbrief

Appeasement-Politik

Zur EU im Kriegswirtschaftsmodus

Man würde die Geopolitik besser verstehen, wenn man aufhören würde, in alten Mustern zu denken. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges geht es selten um die Eroberung von Gebieten. Es geht um die Sicherung der Einflusssphären. Putin wird nie ein Nato-Gebiet angreifen, und China wird Taiwan gewähren lassen. Das Risiko ist wie damals im Kalten Krieg zu gross.

Peinlich ist, dass die Aussenpolitiker nicht einmal diese Grundregel begreifen, und solch naive Politiker, wie Premierminister Arthur Chamberlain einer gewesen ist, sind gefährlich, nicht Putin, der berechnende Despot. Und wenn EU-Politiker (unter anderen Charles Michel) davon reden, die EU auf Kriegswirtschaft umzuschwenken, dann sind sie Kriegstreiber. Sie sind brandgefährlich, denn sie schaffen Zwänge. Ich verweise hier nur auf Goethes «Zauberlehrling».

Wer die heutige Geopolitik mit der Appeasement-Politik in den Dreissigerjahren vergleicht, macht es sich sehr einfach. Erstens sind die heutigen Despoten nicht mit den damaligen vergleichbar, und zweitens haben wir die Erfahrungen des Kalten Krieges gemacht, und sowohl Politik als auch Wirtschaft sind viel enger verzahnt als damals. Zudem erlebte die Welt den Holodomor und den Holocaust. Aber wie damals lassen wir uns statt von fundierten Analysen von Gefühlen und naiven Annahmen leiten.

Wir müssen Putin nichts glauben, aber seine Handlungen und Möglichkeiten ernst nehmen. Es schadete auch nicht, etwas von der Dialektik Hegels in unsere Analysen einzubauen und die Realitäten mitzuberücksichtigen, und dies nicht nur aus unserer westlichen Sicht, sondern objektiv. In der Geopolitik vermisse ich vieles, vor allem das Geschichtsverständnis, die Demut und die allgemeine Sicht.