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Zwischen Risiko- und Traumberuf: So sieht der Arbeitsalltag an einer 300 Meter hohen Felswand aus

Die Hartsteinwerk Gasperini AG baut in Attinghausen seit bald 100 Jahren Stein ab. Bei der Urner Firma kennt man die Risiken des Steinbruchs – und weiss damit umzugehen.
Steinbruch Gasperini AG. Blick von ganz oben auf das Firmengelände und den Urner Talboden. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))
Betriebsleiter Peter Müller. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))
 Geschäftsleiterin Michela Gasperini. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))
Steinbruch Gasperini AG. Ein Dumper in einer engen Kurve. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))
Steinbruch Gasperini AG. Die staubige Strasse wird regelmässig gewässert. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))
Eine wiederbegrünte Stelle im Steinbruch. (Bild: Urs Hanhart (Attinghausen, 3. August 2022))

Manuel Kaufmann

Manuel Kaufmann

Manuel Kaufmann

Manuel Kaufmann

Manuel Kaufmann

Manuel Kaufmann

Viele Menschen sind heutzutage darauf bedacht, regionale Produkte einzukaufen. Lebensmittel, die in der Region produziert werden, gewinnen an Beliebtheit. Doch nicht nur Lebensmittel, sondern auch viele Rohstoffe können regional produziert und eingekauft werden. Einer davon ist Stein.

Seit 96 Jahren baut die Hartsteinwerk Gasperini AG in Attinghausen Stein ab. Neben dem «ürnerischen» und hochwertigen Hartgestein, das die Firma im Steinbruch Eyelen gewinnt, bietet die Firma auch einen spektakulären Arbeitsplatz für 22 Mitarbeitende.

An der Felswand auf bis zu 300 Meter über dem Boden wird gearbeitet. Der wolkenlose Himmel lässt den Blick über den Vierwaldstättersee bis nach Brunnen und gegen Osten bis zu den Schächentaler Windgällen zu.

Felsen wird in Einzelteile gesprengt

In der Morgensonne bohrt ein Bohrgerät der Obwaldner Firma Gasser Felstechnik nach unten in den Felsen. Präzise berechnet werden hier an bestimmten Stellen Löcher gebohrt.

Am Tag darauf sollen diese Bohrlöcher mit Sprengstoff befüllt werden und ein Teil des Felsens kontrolliert in sich zusammenbrechen. Das sieht dann so aus:

«Es ist wichtig, dass das Gestein zu der Felswand hin gesprengt wird und nicht von ihr weg», erklärt Peter Müller, Betriebsleiter der Gasperini AG. Mit einer versetzten Zündung der verschiedenen Ladungen wird verhindert, dass das Gestein 300 Meter in die Tiefe stürzt. Stattdessen landet das Material auf der vorgelagerten Berme. Als Bermen bezeichnet man im Fachjargon die Felsvorsprünge, die sich mindestens alle 30 Meter an der Felswand befinden. Auf ihnen bewegen sich die Arbeitenden mit ihren Maschinen.

Dumper schlängeln sich den Felsen hoch

Mit der Sprengung ist die Arbeit im Steinbruch noch lange nicht getan. Über Strassen, die mit hauseigenem Strassenkoffer aufgeschüttet werden, fahren mehrere Dumper hinauf zur Berme, um das abgebaute Gestein abzutransportieren. Die schmalen Wege haben an einigen Stellen eine Steigung von über 30 Prozent. «Kreuzen ist hier nicht möglich», sagt Geschäftsleiterin Michela Gasperini. Sie führt das Unternehmen bereits in der vierten Generation. Neben den Wegen geht es bis zu 30 Meter in die Tiefe. Fehler hätten für die Fahrer fatale Foglen.

Heinz Baumann ist Maschinist. Gekonnt führt er seinen Dumper um die Kurven hinauf, um ihn mit Hartgestein, Schiefergestein oder Moränenmaterial füllen zu lassen. Gelassen sagt er:

«Von aussen sieht es extremer aus, als es ist.»

Ein gutes Verständnis für die Maschine sei aber eine wichtige Voraussetzung. Als gelernter Baumaschinenmechaniker und erfahrener Dumper-Fahrer erfüllt er diese. Dass er an seinem Arbeitsplatz einem Risiko ausgesetzt ist, dem ist sich Heinz Baumann bewusst. Als Risikoberuf würde er seinen Job dennoch nicht bezeichnen.

«Mit der nötigen Vorsicht kann man das Risiko stark minimieren», so der langjährige Mitarbeiter, bei schönem Wetter die Aussicht hier oben geniesst. «Ein echtes Privileg», so Baumann.

Felsen müssen am Seil überprüft werden

Während sich bereits der nächste Dumper am Felsen hochschlängelt, seilt sich 25 Meter über der Berme ein Mitarbeiter am Felsen ab. «Eine weitere Massnahme zur Risikominimierung», erklärt Betriebsleiter Peter Müller. Denn unten auf der Strasse habe man heute Morgen Steine vorgefunden, die sich aus dem Felsen gelöst hatten. Die Ursache werde nun ergründet und später mit einem Geologen Rücksprache genommen. «Das tun wir immer, wenn wir sehen, dass sich am Felsen etwas bewegt», erklärt Michela Gasperini.

Während Bewegungen am Felsen unerwünscht sind, gehören diese jedoch beim Steinbruch dazu. Nachdem ein Bagger den Dumper von Heinz Baumann mit Überdeckungsmaterial gefüllt hat, begibt sich dieser wieder auf den Weg nach unten.

An einer etwas breiteren Stelle der Strasse muss der Dumper jedoch warten. Per Funk wird dem Fahrer mitgeteilt, dass sich ein anderes Fahrzeug auf dem Weg nach oben befindet.

Staubentwicklung verhindern durch Bewässerung

Die schwarze Farbe, mit der die entgegenkommende Maschine die Strasse zu bemalen scheint, stellt sich beim näheren Betrachten als Wasser heraus. Mit einem grossen Wassertank ausgerüstet sorgt dieser Mitarbeiter dafür, dass die Strassen auf dem Gelände feucht bleiben. Dies sei bei diesen heissen Temperaturen wichtig, um eine Staubentwicklung zu verhindern, erklärt Peter Müller.

Bei Föhn wird aus Sicherheitsgründen nicht am Felsen gearbeitet. Dasselbe gilt bei starkem Regen. Auch im Winter ist die Arbeit am Steinbruch nicht möglich. An solchen Tagen gebe es auch ohne den Steinbruch noch genügend andere Arbeiten zu erledigen. In der Zeit von Mitte Dezember bis Anfang Februar sind Revisionsarbeiten angesagt. Heisst: Alle Anlagen und Maschinen überprüfen und instand stellen, damit – sobald Schnee und Eis geschmolzen sind – wieder mit der Produktion gestartet werden kann.

Zurück zu den Dumpern. Unten auf dem Firmengelände angelangt, leeren sie das saubere Rohmaterial auf ein Förderband. Dieses führt das Material weiter in die Steinbrechanlagen. Nach zwei Brechungen haben die Steine eine Grösse von 32 bis 50 Millimeter erreicht – die ideale Grösse für Gleisschotter. Nach einer Qualitätsprüfung im Hauseigenen Labor wird ein Grossteil davon mit dem Lastwagen zum nahe gelegenen Bahnverlad in Altdorf gebracht, auf Bahnwagen der SBB verladen und von dort aus weitertransportiert.

«Unser Ziel ist, möglichst viel Gleisschotter herzustellen.»

Das sagt Peter Müller. Der Rest des Gesteins wird für Hartsplitt und Sandprodukte verwendet. Nach einer dritten Brechung entsteht Hartsplitt in verschiedenen Grössen von 0 bis 32 Millimeter.

Da man der Natur im Steinbruch Eyelen etwas wegnimmt, soll der Natur auch etwas zurückgegeben werden. Die Hartsteinwerk Gasperini AG, die seit 2019 zur Kibag-Gruppe gehört, nimmt ihre gesetzliche Verpflichtung mit Enthusiasmus wahr. Dank renaturierten Flächen fühlen sich am Steinbruch unter anderem Gämse sehr wohl. «Kürzlich konnten wir hier ein Jungtier bei seinen ersten Schritten beobachten», sagt Peter Müller.

Vertrag bis 2045 soll verlängert werden

Seit bald 100 Jahren wird Jahr für Jahr in Attinghausen kontinuierlich mehr Stein abgebaut. «Der Hartsteinbruch ist von nationaler Bedeutung und liefert einen wichtigen Teil an Bahnschotter, Sand und Splitten für Strassenbeläge», sagt Michela Gasperini. Wie lange kann noch so weitergearbeitet werden, bevor die Ressource aufgebraucht ist?

«Gestein hat es hier noch viel und Gleisschotter wird es wohl auch noch länger brauchen», sagt Peter Müller. Nach ersten Erkenntnissen sei auch davon auszugehen, dass die Qualität des Gesteins im Berg ebenfalls hoch ist. Der Vertrag mit der Grundeigentümerin, der Korporation Uri, laufe noch bis 2045. Bis dahin müsse man sich an einen bestehenden Abbauplan halten. Eine Erweiterung des Abbauplans sei in Planung. Das Ziel sei es, auch nach 2045 beim Steinbruch Eyelen «ürnerisches» Gestein zu gewinnen und damit den schweizerischen Bedarf an Hartgestein langfristig zu sichern.

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