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Zuger Kantonstierarzt: «Wir nehmen jeden Fall sehr ernst»

Der Veterinärdienst des Kantons kontrolliert unter anderem die Nutztierhaltung auf Betrieben und die Heimtierhaltung bei Privaten. Dazu gehört viel Einfühlungs-, aber auch Durchsetzungsvermögen. Kantonstierarzt Rainer Nussbaumer gewährt Einblick.
Nicht alle Kühe haben es so schön, wie die hier abgebildeten. (Bild: Symbolbild: Stefan Kaiser)

Cornelia Bisch

Schmutzige Tiere, zu wenig Auslauf, ungenügende Futter- oder Wasserversorgung. Bei der Haltung von Nutz- oder Heimtieren kann man trotz guter Absichten viel falsch machen. Allerdings sieht die Situation vor allem von Nutztieren nach aussen hin oft schlimmer aus, als sie wirklich ist. So verbreiten sich manchmal hartnäckige Gerüchte über sogenannte «Problemhöfe», von denen jeder vermeintlich weiss, dass es bei der Tierhaltung nicht mit rechten Dingen zugeht, aber niemand eingreift. Dem setzt Kantonstierarzt Rainer Nussbaumer entgegen: «Zwei Drittel der Hinweise, die wir erhalten, erweisen sind letztlich als gegenstandslos.»

Konkret heisst das, von den 44 Meldungen, die letztes Jahr im Veterinärdienst eingingen, waren 35 unbegründet, in neun Fällen wurden geringfügige Mängel festgestellt. Auch bei den Kontrollen, die im Vier-Jahres-Turnus auf sämtlichen Betrieben mit Nutztierhaltung von einer Kontrollorganisation im Auftrag des Veterinärdienstes durchgeführt werden, gibt es nur wenige Beanstandungen. 2018 waren es deren 11 bei 156 geprüften Betrieben. «An fünf Orten war die Einstreu, an zwei das Licht im Stall ungenügend, in drei Fällen stand den Kälbern zu wenig Raufutter zur Verfügung», zählt Nussbaumer auf. Alles Mängel, die rasch und nachhaltig behoben wurden.

Bei begründetem Verdacht oder aufgrund von Hinweisen darf die Behörde den Kontrollrhythmus nach eigenem Ermessen steigern.

Jede Meldung wird überprüft

Wird ein Verdacht durch Privatpersonen gemeldet, stattet der speziell ausgebildete Tierschutzbeauftragte des Kantons dem betreffenden Tierhalter einen Überraschungsbesuch ab. Bei der Prüfung hält sich der Beauftragte genau an die Schweizerische Tierschutzverordnung. Wird diese verletzt, müssen die Mängel innert definierter Frist behoben werden. Eine unangekündigte Nachkontrolle stellt dies sicher.

«In den wenigsten Fällen muss strafrechtlich vorgegangen werden, da sich die meisten Tierhalter einsichtig zeigen und kein extremes Tierleid vorliegt», so Nussbaumer. Die Fachleute suchen die Zusammenarbeit mit den Tierhaltern, um gemeinsam mit ihnen umzusetzen, was für das Tierwohl am besten ist. «Strafrechtlichen Druck aufzubauen, ist dabei oft nicht zielführend. Vieles lässt sich auf verfügungsrechtlichem Weg lösen.» Auch dieser ist für den Tierhalter mit Kosten verbunden und kann zu Kürzungen der Direktzahlungen führen.

Manchmal muss die Polizei mit

Wenn jedoch die Einsicht fehlt, greift der Kantonstierarzt auch mal hart durch. «Bei Haustieren ist es in sehr seltenen Fällen sogar nötig, in Begleitung der Polizei zu erscheinen, um sich Zutritt zur Wohnung zu verschaffen», erzählt Nussbaumer. Notfallmassnahmen musste er jedoch während seiner sechsjährigen Dienstzeit in Zug noch nie ergreifen. Einmal kam es zur geordneten Auflösung einer Nutztierhaltung mit dem Einverständnis des Besitzers. Ein andermal musste er die Welpen einer Hundezucht weitervermitteln, weil er sah, dass der Tierhalter nicht in der Lage war, dieser Aufgabe gerecht zu werden. «Wir können abschätzen, wann eine Situation kritisch ist.» Bei Tierquälerei allerdings komme nur die Strafanzeige in Frage, sagt Nussbaumer kategorisch. «Aber das kommt zum Glück sehr selten vor. Meist sind die Halter einfach überfordert.»

Selektive Wahrnehmung

«Der Besuch eines Kontrolleurs hat aber auch dann eine heilsame Wirkung, wenn keine Verstösse gegen das Tierschutzgesetz vorliegen», stellt der Kantonstierarzt fest. Denn der Tierhalter sehe, dass die Bevölkerung seinen Betrieb im Auge habe, und versuche auch ohne Anordnung, hier und dort eine Verbesserung herbeizuführen. «Manche Landwirte reagieren aber auch verletzt über die Anzeige durch Private, weil sie glauben, ihr Möglichstes für die Tiere zu tun.»

Unter der sehr selektiven Wahrnehmung der Bevölkerung leidet auch der Veterinärdienst. «Oft hören wir den Vorwurf, wir würden nichts tun», erzählt Nussbaumer. «Aber was wir tun, sehen die Leute meist nicht.» Der Kantonstierarzt schildert den Fall eines überforderten Nutztierhalters, zu dessen Unterstützung er eine einwöchige Zivilschutzübung organisiere. «Wir haben drei Mulden Abfall abgeführt, einen befestigten Fressplatz für die Tiere geschaffen, den angrenzenden Hang gesichert und Weiden repariert.» Ausserdem seien nicht konforme Halterungen und Zäune entfernt und ersetzt worden. Die Kosten seien dem Landwirt vollumfänglich in Rechnung gestellt worden. «Darüber hinaus musste er die Anzahl Tiere reduzieren und darf keine Jungtiere mehr aufziehen.» Den verbliebenen Hofbewohnern gehe es heute besser als jenen manch eines modernen Vorzeigestalls. Trotzdem behält Nussbaumer den Betrieb im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten im Auge, kontrolliert und unterstützt den Besitzer so gut es geht.

«Wir nehmen jeden Fall sehr ernst und setzen uns täglich für das Wohl der Tiere ein», betont Nussbaumer. «Manchmal mit Diplomatie und Einfühlungsvermögen, manchmal mit tatkräftiger Unterstützung. Wir schrecken aber auch vor Strafmassnahmen nicht zurück, wenn diese nötig sind.»

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