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Zug

Zuger Galerie mit Modernen Ikonen

Die Cowboys des Schweizer Fotografen Hannes Schmid sind längst zu kollektivem Kulturgut geworden. Nun sind die Werke, mit denen auch ein delikater Urheberrechtsfall verbunden ist, in der Galerie Urs Reichlin in Zug ausgestellt.
Fotograf Hannes Schmid zeigt Fotografien und gemalte Bilder von Cowboys. (Bild: Stefan Kaiser, Zug, 21. März 2019)

Haymo Empl

Da steht er, unumstösslich, inmitten von Genderdebatten, politischer Korrektheit und Antiraucherkampagnen: der Marlboro-Mann. Synonym für Freiheit und Jugenderinnerungen, Zeitzeuge einer verblassten Dekade. Seine herbe Maskulinität ist erotisch – obschon man kaum Haut sieht. Der «Lonely Cowboy», den es so, wie ihn Hannes Schmid inszeniert hatte, wohl gar nie gegeben hat, und der auch deshalb so fasziniert.

In der Galerie Urs Reichlin kann man diese Ikone nun bewundern, auf einem Bild gar überlebensgross und dennoch kein bisschen furchteinflössend. An der Vernissage zeigten sich Urs Reichlin und Geschäftspartner Steffen Urbanski begeistert von den Bildern und waren erstaunt, wie unterschiedlich die jeweiligen Wahrnehmungen der zahlreichen Besucher waren. Denn irgendwie ist der Cowboy vom Zürcher Hannes Schmid ja lediglich ein Statist auf einer vom Fotografen geschickt und mit enormem Aufwand inszenierten Fläche, die mit eigenen Assoziationen verknüpft werden kann. Ergo kann man auch ohne allzu viel Fantasie das sehen, was man will. Für manche Betrachter mag das vielleicht die Wüste sein, die zentral ist, für andere wiederum ein Spektakel aus Licht, Schatten und Farbe, welches fasziniert, oder eben: der Cowboy als Sinnbild für Freiheit und Unabhängigkeit.

Erschaffung einer Ikone

Hannes Schmid hat nicht einfach fotografiert, er schuf mit seinen Arbeiten einen Teil eines kollektiven Bewusstseins. Durch die Stringenz der Sujets, bestens bekannt durch die globalen Anzeigen des Tabakmultis, hat der Zürcher Fotograf letztendlich ein Stück Kulturgut geschaffen.

Der Cowboy ist für den Betrachter letztendlich ja nur eine namenlose Person – aber so ästhetisch inszeniert, dass genau diese Inszenierung die eigentliche Kunst ist. Die Bilder sind bewusst masslos übertrieben, dramatisch kitschig, beängstigend harmonisch. Und doch – oder genau deshalb – lassen einen die Marlboro-Szenerien nicht kalt. «Eigentlich ist es in diesem Nirgendwo von Amerika nicht gerade besonders schön; es ist staubig dort; eine langweilige Ödnis und erzkonservativ», stellt Steffen Urbanski fest. Und Urs Reichlin fügt an: «Es ist erstaunlich, wie viele Menschen auf ganz unterschiedlichen Ebenen von diesen Bildern angesprochen werden. Beispielsweise gibt es Betrachter, denen die Pferde mehr ins Auge stechen als der Cowboy an sich».

Beim genaueren Betrachten fällt auf, dass Hannes Schmid jedes einzelne Element auf den Bildern für sich alleinstehend kraftvoll, manchmal sogar explosiv inszeniert hat. Die Reduktion auf das Wesentliche ist ein elementarer Bestandteil der Bildsprache von Hannes Schmid. Besonders eindrücklich wird das in den schwarz-weissen Fotografien, denn auch diese funktionieren unglaublich gut.

Die Bilder in der aktuellen Ausstellung sind allesamt handwerkliche Meisterwerke – die Fotografien sind in den früheren 1990er-Jahren entstanden, und digitale Nachbearbeitung war noch kein grosses Thema. «Ich habe Hannes Schmid als jemanden kennen gelernt, der einfach ‹wollte›. Er ist jemand, der ein Ziel vor Augen hat und versucht, dieses mit Beharrlichkeit und Kreativität zu erreichen», erklärt der Galerist. Diese Energie des Fotografen ist auf all seinen Bildern zu spüren und überträgt sich auf den Betrachter. Apropos Betrachten: Gut ein Dutzend der Objekte sind Ölgemälde auf Leinwand; Hannes Schmid hat seine Fotografien quasi erweitert, er hat seine eigenen Bilder mit Farbe reproduziert und daraus mehr als nur eine Variation der ursprünglichen Fotografie erschaffen. «Das Malen hat er sich selbst beigebracht und sich in der Malerei jahrelang perfektioniert», so Urs Reichlin weiter. Das Endergebnis ist ebenso umwerfend, wenn nicht sogar noch faszinierender als die Originale, denn durch diese neue Ebene hinterfragt der Fotograf seine eigene Arbeit und zeigt damit auch verschiedene Dimensionen des Sammelbegriffes «Kunst» auf.

Die «geklauten» Cowboys

Dass Schmid seine eigenen Fotografien malte, ist einem (un)glücklichen Zufall zu verdanken: An der Biennale in Venedig ist der Fotograf im Jahr 2003 auf eines seiner Bilder gestossen. Ein gewisser Richard Prince hatte damals die Fotos von Hannes Schmid abfotografiert und als seine eigenen Werke präsentiert. «Aneignungskunst» nennt sich das und ist effektiv – trotz oder gerade wegen der damit verbundenen Urheberrechtsgerichtsspektakel – eine anerkannte Kunstform.

Später erklärte Hannes Schmid, er habe der Werbeagentur die Verwertungsrechte für seine Cowboys übertragen, die Urheberrechte aber behalten. Der Schweizer Fotograf wollte verständlicherweise wissen, wie wer weshalb nun seine Fotografien nutzen dürfe, und musste feststellen, dass Prince durch das Abfotografieren und leichte Verändern der Originale (Entfernung der Werbung) quasi ein autonomes Konzept geschaffen habe. Es handle sich um eine amerikanische Ikonenreihe, die von der Kunstwelt nunmehr eben Richard Prince zugerechnet werde.

Ein zeitloses Stück Zeitgeschichte

Hannes Schmid – und da wären wir wieder beim bereits erwähnten «Biss» des Künstlers – verzichtete darauf, sich in endlose Rechtsstreitereien zu verwickeln und schaute nach vorne. Der Cowboy-Fotograf setzte auf eigene Reproduktionskunst und rückblickend kann man sagen, dass diese «Zwischenfall» eine Sternstunde war, denn Hannes Schmid ist es dadurch gelungen, ein zeitloses Stück Zeitgeschichte zu schaffen.

«American Myth» von Hannes Schmid. Ausstellung in der Galerie Urs Reichlin, Baarerstrase 133, Zug, bis 27. April. Am 4. April ist der Künstler von 18 bis 21 Uhr vor Ort.

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