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Zug

Täglich lockt das Internet

Redaktorin Tijana Nikolic über die Verführungen des Internets.
Redaktorin Tijana Nikolic

Tijana Nikolic

Immer wieder staune ich über die unendlichen Weiten des Internets. Da klicke ich kurz auf ein Video mit einem süssen Elefantenbaby und das nächste, was ich weiss, ist, dass drei Stunden vergangen sind. Was habe ich gesehen? Darüber möchte ich gar nicht sprechen. Was ist mein Nutzen davon? Keine Ahnung. Ich weiss nur, dass ich nach dem Elefantenbaby noch Videos über das Pickelausdrücken, wie man mehr Geld verdient oder wie man sich erfolgreich einen Zopf ins Haar flechtet, geschaut habe.

Dieser moderne Voyeurismus, wie ich es mal nennen mag, ist an sich überhaupt nichts Neues. Für mich eben irgendwie schon. Denn ich habe mich jahrelang geweigert, ein Teil dieses Kults zu sein. Ich hatte eigentlich immer ein Buch zur Hand, wenn ich mal für Stunden aus der Gegenwart flüchten wollte. Meine Kollegin redet noch heute von einer legendären Erinnerung, als ich am Pool unseres Partyhotels in Ibiza mit dem Sachbuch «Der Umgang mit dem Tod in der heutigen Gesellschaft» da sass, während alle anderen an ihren Handys waren, um Selfies am Pool zu schiessen und ins Internet hochzuladen.

Beibehalten habe ich bis jetzt, dass ich mich weigere, Bücher in elektronischer Form zu lesen. Die muss ich in der Hand halten können, dran riechen können und sie besitzen für meine private Mini-Bibliothek. Nein, so eine Bibliothek wie sie im Märchen «Die Schöne und das Biest» vorkommt und wie ich sie mir als Kind so sehr gewünscht habe, ist es bis jetzt noch nicht geworden. Tatsächlich ist es nur ein Bruchstück davon, aber es ist ein greifbares Stück und es ist meins.

Videos mit diskutierenden oder streitenden Menschen vermögen mich ebenfalls zu unterhalten. Hierbei könnten sie gar eine therapeutische Wirkung auf mich haben: Ich war früher, sagen wir, etwas aufbrausend. Hitzige Diskussionen waren mir nicht fremd, viel gebracht haben sie mir oft nicht. Deswegen bin ich jetzt entspannter, habe aber dafür deutlich mehr Streit-Videos bei den Youtube-Vorschlägen.

Nach solchen «Internet-Outings» belächeln mich viele und finden, genau so verblöde die Gesellschaft. Ich denke, wenn dies das einzige Problem unserer Gesellschaft sein soll, dann ist das verkraftbar. Um einfach mal den Kopf abzuschalten, lohnt es sich allemal.

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