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Zug

Simon Chen liefert Katastrophenkabarett vom feinsten

Klimakrise, Coronapandemie, Verschwörungstheorien – Simon Chen hat mit seinem neuen Stück «Ausserordentliche Lage» in Baar Premiere gefeiert.
Kabarettist Simon Chen an der Premiere von «Ausserordentliche Lage» am Donnerstag in Baar. (Bild: Matthias Jurt (10. Juni 2021))

Haymo Empl

Corona ist noch nicht verdaut, schon gar nicht vorbei. Schulaula statt Rathus-Schüür. Wenig charmant – typisch Pandemie halt. Und nun kommt Simon Chen und haut mit dem Stück «Ausserordentliche Lage» einen Obendrauf.

Es geht ums Klima, um Greta ebenfalls, um Verzicht vor allem. Themen, von welchen ein Grossteil der Bevölkerung gerade nichts hören will. Ist es nicht so, dass wir uns auf die Ferien in fernen Landen freuen? Dass wir es kaum erwarten können, bald wieder «frei» zu sein? Und da kommt einer und redet auf der Bühne von «Verdoppelung des Benzinpreises, Einführung eines Tempolimits von 0 km/h, Verbot von Fleischkonsum, Nullgradgrenze bei 5000 Metern und einem Bergsturz in Zürich». Kann das lustig sein, wollen wir das hören? Und ist es nicht gewagt, bereits jetzt schon satirisch die Pandemie anzugehen? «Ein bisschen schon. Aber Kabarett ist ja freiwillig, genauso wie das Impfen. Der Klimawandel aber nicht, der findet statt, für alle», erklärt Simon Chen.

Kein Pandemie-Cabaret

Die Idee ist so verrückt wie gut: Was, wenn das Thema «Klima» genau so behandelt würde wie die Pandemie mit dem grossen «C»? Damit dieses Bühnenkonzept aber funktioniert, braucht es jemanden, der ein Gespür für Dramaturgie hat. Der die Kompetenz hat, verschiedene Figuren glaubwürdig darzustellen. Und weiss, wie man mit Sprache umgeht. Kurz: jemand wie Simon Chen.

«Ich habe Anfang 2020 mit der Arbeit am neuen Stück begonnen, da ging’s noch um andere Themen – unter anderem auch um das Klima»

erklärt Chen. «Dann kam Corona. An sich ein gefundenes Fressen für einen Kabarettisten. Ich wollte aber auf keinen Fall ein reines Coronaprogramm machen, die Pandemie wird ja irgendwann nicht mehr aktuell sein. Das Thema Klima hingegen wird uns noch viel länger beschäftigen. Auf einer Wanderung kam ich dann auf die Idee, die Klimakrise anhand der aktuellen Coronakrise zu erzählen», fasst der Kabarettist den Entstehungsprozess zusammen.

Gefangen in der Zeitschleife

Der Abend am Donnerstag beginnt passenderweise mit «wie alles begann». Wir alle wissen, wie schnell es gehen kann, dass der Bundesrat übernimmt und entscheidet, was Sache ist. Bei Chens «Katastrophenkabarett» ist es nicht anders; es wird nicht besonders demokratisch entschieden, dass nach und nach alles verboten ist, was in irgendeiner Form schädlich fürs Klima ist. Und natürlich gibt es auch in Chens abendfüllendem Programm den Verschwörungstheoretiker und derjenige, der von der ganzen Chose profitiert.

Dazwischen – und das macht das Programm unter anderem so einzigartig – eine Menge «Backstories». Also kleine Geschichten, die zwischen und parallel zum Erzählstrang stattfinden. Etwa die Radiomoderatorin, die von Chen klugerweise auch als Erzählstimme eingesetzt wird (in den Nachrichten wird dem Publikum unter anderem mitgeteilt, dass wieder ein Jahr vergangen ist und wie es um die Lage der Nation steht). Besagte Radiostimme ist beispielsweise völlig unerwartet in einer «Hyperloop Zeitschleife» gefangen. Beim Gremium des Bundesrates kommt es zu einer Liebelei (nein, nicht untereinander...), und auch Simon Chens Monologe enden oft nicht so, wie erwartet.

Das meistert Chen auf der Bühne alles grossartig und immer passend in einem harmonischen, stimmigen Gesamtgefüge. Die Befürchtung, das Programm könnte «zu schwer» werden, zerschlug sich übrigens spätestens beim Auftritt des «App-Entwicklers», der den Toilettengang trackt. Die Idee ist gar nicht mal so schlecht, denn nur so kann effektiv eruiert werden, ob man essenstechnisch auch wirklich klimaneutral konsumiert.

Liebevolle Organisation

Nach gut 50 Minuten dann die Pause. Hier kam es zu einem originellen Kniff: Da in einer Pause die aktuell geltenden Regeln mit Maskenpflicht und Distanz nicht eingehalten werden können, kommen Snacks und Getränke zu den Zuschauenden. Das Organisationsteam rund um den Anlass schnappte sich einen Servicewagen und offerierte – genau wie im Flugzeug – die Erfrischungen (Nein, es gab keinen Tomatensaft). Danach weiter im Programm. Es stellte sich die Frage, ob Simon Chen die diversen Spannungsbögen aufrecht halten konnte. Ja. Und natürlich die grosse Frage nach dem Ende. Würde alles wieder gut werden? Nein. Verraten wir hier nicht.

Weitere Aufführungstermine unter www.simonchen.ch

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