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Zug

Schönste Spaziergänge im Kanton Zug: Liebe auf den ersten Marsch

Unsere Autorin verrät, weshalb die Strecke um den Zugersee für sie ein Spaziergang ist, und warum man sich dabei nicht im Kreis dreht.
Bei klarer Sicht sind die Berner Alpen mit der Eigernordwand zum Brüggli aus zu erkennen. (Bild: Vanessa Varisco (30. Juni 2020))
Der Seeuferweg Richtung Cham ist ein erster Höhepunkt. (Bild: Christian Herbert Hildebrand (Zug, 11. März 2020=)
Im Chiemen führt ein längerer Abschnitt direkt am See entlang.  (Archivbild: Andreas Busslinger)

Vanessa Varisco

Vanessa Varisco

Vanessa Varisco

Kein Wölkchen am Himmel, im Zugersee spiegeln sich Eiger, Mönch und Jungfrau und in meinem Rücken geht gerade die Sonne auf. Ein Traumtag, denke ich mit einem Lächeln auf den Lippen, als ich einen Augenblick am Ufer im Brüggli stehe und der kühle Wind mir über die Haut streicht. Wie so oft in diesem Sommer nehme ich den schönsten Spaziergang im Kanton Zug unter die Füsse: den Marsch um den Zugersee.

Start und Ziel liegen allerdings in meiner Wohngemeinde Baar. Diese zusätzlichen sechs Kilometer mit dem Bus zu machen, wäre ein Witz. Wie ich es wagen kann, diese Strecke als Spaziergang zu bezeichnen? Eine berechtigte Frage. Einerseits bin ich eine sehr geübte Spaziergängerin und ehrlich keineswegs erschöpft danach. Zu Kantizeiten bin ich in den Sommerferien jeweils täglich auf den Albis und durch das Sihltal wieder heim spaziert. Andererseits begann meine erste Seeumrundung als Spaziergang.

Eine gute Freundin und ich verabredeten uns für eine kleine Runde nach Cham. Dort stoppten wir nicht, in Risch waren wir noch immer nicht zu bremsen, durch Immensee spazierten wir leichtfüssig und in Arth gab es kein Zurück mehr.

Ich lüge nicht, wenn ich über die Seeumrundung sage: Es war Liebe auf den ersten Marsch.

Auch als ich dieses Mal Richtung Ennetsee loslaufe, das Wasser zur Linken, das knirschende Kies unter meinen Füssen und das satte Grün um mich herum, bin ich glücklich. Ich empfinde eine tiefe, mich gänzlich füllende Ruhe – nicht nur, weil das Zugersee-Westufer von berührender Schönheit ist, in seiner Wildheit perfekt, sondern weil ich auf diesem Spaziergang die Gedanken ins Nichts schweifen lasse.

Das haben lange Spaziergänge an sich: Entweder man verstrickt sich in seinen wirren, hämmernden Gedanken und hängt sich daran auf oder man wird durch sie ein Stück freier. Am See gilt für mich immer Letzteres. Es ist zum Sterben schön. Denn wie schon Albert Camus feststellte: Das Reisen führt uns zu uns selbst zurück.

Und so mag ich auf meiner Rundreise den ganzen Tag im Kreis laufen, aber ohne mich dabei in selbem zu drehen.

Vanessa Varisco, der «Vanderer»

Das leichte Rauschen des Waldes im Chiemen ist betörend, ebenso der Blick auf die Wasseroberfläche, die sich im milden Sommerwind leicht kräuselt. Ich bin mir jedem meiner Schritte bewusst, nicht weil meine Beine müde würden, vielmehr da es Wurzeln zu übersteigen gilt. Weiter Richtung Immensee. Selbst die Asphalthölle – wie sie manch ignoranter Zyniker nennen mag – zwischen Immensee und Arth direkt der Strasse entlang ist für mich ein Genuss.

Denn dort bin abgesehen von einzelnen Velofahrern und vorbeidröhnenden Autos allein. Und ich singe. Lauthals. Sodass mir spätestens in Arth das Herz vor Freude bis zum Hals schlägt, ich glaube, vor Glück zu platzen, und verdrücke zugegebenermassen dann und wann eine Freudenträne .

Ich strecke meine Hände von mir, das Gesicht dem Himmel entgegen und lache – scheinbar grundlos. Und doch weiss ich genau, weshalb.

Stiller werde ich auf dem Abschnitt zwischen Walchwil und Oberwil. Dort hänge ich Erinnerungen nach, lasse mich in ihnen treiben, werde vielleicht sogar etwas wehmütig.

Ich denke an Verluste und daran, dass die Zeit die Wunden heilt. Erinnere mich an Momente, in denen sich mein Leben wie der Sprung in einer Schallplatte anfühlte und ich mich wie die leise Melodie, die darin stecken geblieben war.

Ganz anders als heute war ich in einer Unruhe gefangen und mir fehlte der Bezug zu mir selbst. Aber Lücken lassen sich füllen, sofern man das will. Der Kreis schliesst sich, genau wie die Runde um den See. Die Kulisse bietet genug Platz für solche Gedanken.

Keine Häuser, keine Menschen, nur der See, die Strasse und ich - Vanessa Varisco, der kleine «Vanderer», wenn Sie mir diesen Scherz erlauben. Ich bin spürbar alleine. Und noch mehr als das ich diesen Umstand geniesse, brauche ich ihn. Nicht immer. Aber für die Seeumrundung. Denn ich bezweifle schwer, dass ich dieselbe tiefe Befriedigung erfahren würde mit einem Begleiter.

Den Einzug in die Stadt feiere ich immer mit ein und demselben Lied: «Here I Am» von Bryan Adams. Denn was er singt, fühle ich aufrichtig: Hier bin ich. Das bin ich. Und es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich jetzt lieber bin.

In dieser Serie stellen unsere Autoren ihren Lieblingsweg im Kanton Zug vor.

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