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Zug

Mit dem Velo auf der Suche nach baulichen Schätzen in den Chamer und Hünenberger Weilern

Die fünfte «Velo-Kultour» des Vereins Pro Velo Zug führt zu typischen Zuger Bauernhäusern in Ennetsee.
Neben der St. Mauritius Kirche in Niederwil liegen das kleine Kaplanenhaus mit Schule (rechts) und ein prächtiges Doppelbauernhaus mit Garten aus dem Jahr 1737. Unter dem Dach sind die Familienwappen der Besitzer aufgemalt. (Bild: Cornelia Bisch (Cham, 4. Juli 2020))

Cornelia Bisch

Welche baulichen und landschaftlichen Schätze sich in der sanft hügeligen Landschaft der Chamer und Hünenberger Weiler verbergen, entdecken rund 30 Velofahrerinnen und Velofahrer, die sich mit dem Verein Pro Velo Zug auf dessen fünfte «Velo-Kultour» zum Thema Bauernhäuser im Kanton Zug aufmachen. Geleitet wird die Tour von Vorstandsmitglied Maria Ellend Wittwer und dem Geografen und Bauernhausforscher Benno Furrer.

Die rund 20 Kilometer lange Fahrt führt vom Schluechthof des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Cham (LBBZ) über Niederwil nach Hattwil, Islikon und auf die Reussebene. Von dort über Drälikon nach Hünenberg, Chämleten und zurück nach Cham.

Unscheinbar aber uralt

Manches Kleinod, auf das der Bauernhausforscher hinweist, wirkt auf den ersten Blick eher unscheinbar. Erfährt man jedoch von seiner bisweilen über 500-jährigen Geschichte, sieht man das Bauwerk mit anderen Augen. Das kleine Bauernhaus Merzenstein in Friesencham beispielsweise ist das älteste im Kanton Zug.

«Wie Untersuchungen ergaben, geht seine Erbauung auf das Jahr 1463/64 zurück»

erklärt Furrer. Es sei ein eher untypisches, ein sogenanntes Heidenhaus. «Der Begriff besagt nicht, dass dort Heiden wohnten. Es ist einfach ein Ausdruck für uralte Gebäude.» Interessant sei die Tatsache, dass bei diesem Bau die Stube nicht wie üblich gibel-, sondern traufseitig angeordnet sei. «Die Traufseite ist die Schauseite. Man findet solche Anordnungen sonst eher bei Stadthäusern.»

Ein sehr schönes Gebäudeensemble findet sich im Weiler Niederwil. Das etwas baufällige, aus dem 17. Jahrhundert stammende Bauernhaus Schützenmatt mit Schindelfassade birgt laut Furrer ein besonders schönes Buffet mit Intarsien sowie einen grünen Kachelofen mit schwarzem Nelkenmuster, welche spätere Besitzer im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts anfertigen und einbauen liessen. «Auf der Vorderseite liegt die Stube, davor der Garten. Auf der Rückseite die Küche, die Speisekammer und der Abort.» Auch dieser, ein schlichter Holzverschlag, ist noch immer erhalten, ebenso wie ein separates Wöschhüsli und der Viehstall.

Neben der St.-Mauritius-Kirche besichtigen die Tourteilnehmer das Kaplanenhaus mit Schule und ein prächtiges Doppelbauernhaus mit vorgelagertem Garten, separater Schmiede und Waschhaus aus dem Jahr 1737. Es ist mit den Familienwappen seiner Besitzer geschmückt und ausgezeichnet erhalten.

Im Weiler Hinter Stadelmatt auf der Reussebene weist Furrer auf ein jüngeres, bedeutend schlichteres Objekt mit Stallanbau hin. «Es gibt nur wenige solcher Häuser», erzählt er. «Sie befinden sich in Grenzertragslage und sind quasi die Sparvariante der grösseren Bauernhäuser.» Gewöhnlich seien sie im Besitz ärmerer Leute gewesen.

Der Weiler verfügt über eine weitere Besonderheit, nämlich ein eigenes kleines Spritzenhäuschen, das Gerätschaften zur Brandbekämpfung enthielt. Einige der besichtigten Bauernhöfe, so auch jene der Weiler Hattwil und Islikon, waren oder sind im Besitz des Klosters Frauenthal, an dem die Tour ebenfalls vorbeiführt.

Bis zu zwölf Nebengebäude

Manche der Bauernhäuser tragen vorne einen frommen, hinten aber einen kecken Spruch zur Schau. «Häufig sind auch die Agatha-Segenssprüche in Haus und Stall anzutreffen», stellt Furrer fest.

«Sie wurden vom Kloster Frauenthal gegen Gebühr ausgestellt und jährlich erneuert.»

Die Feuer-Schutzpatronin anzubeten, sei oft die einzig mögliche Massnahme der Bauern gegen eine der schlimmsten Katastrophen überhaupt gewesen. «Es gab zwar schon früh die Feuerwehr. Doch bis sie eintraf, war der Hof meist abgebrannt.»

Benno Furrer flicht viel Wissenswertes über kunstvolle Fassadendetails, Architektur, Traditionen und Lebensweise der Menschen in seine Betrachtungen ein. «Zu einem kompletten, grossen Bauernbetrieb gehörten oft sieben bis zwölf Gebäude.» Die grössten Ansammlungen von Nebengebäuden sind in diesem Gebiet auf der Chamau und dem Hof Chämleten erhalten. Auf ersterem gibt es nebst Scheunen eine Sennerei, in der Käse produziert und Milchprodukte gelagert wurden, eine Trotte für die Wein- und Schnapsaufbewahrung, einen Spycher zur Kornlagerung, ein Dörrhäuschen und einen Schopf mit Trocknungsgestellen, wo die Abfallprodukte der Schnapsproduktion zu Brennstoff verarbeitet und getrocknet wurden. «Im Spycher bewahrten die Bauern oft auch Wertsachen wie Schmuck und Gülten auf.»

Das Tempo ist gemächlich, sodass alle Teilnehmer problemlos folgen können. Im Einsatz stehen Velos mit und ohne Stromunterstützung, jüngeren und älteren Datums, höheren und tieferen Budgets. Sogar zwei deutsche Ferienreisende aus Ludwigsburg fahren auf den mitgebrachten E-Klappvelos mit. «Wir lieben die Schweiz und unternehmen jeden Tag einen kleinen Ausflug mit dem Fahrrad», schwärmt Petra Hetzel vergnügt. Von der «Velo-­Kultour» haben sie und ihre Freundin via Internet erfahren.

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