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Zug

Hingeschaut: Diese Doppelwohnhaus in Niederwil wurde nicht gebaut, um zu gefallen

Ein Hausspruch aus dem 18. Jahrhundert in Niederwil lässt auf die Gesinnung eines einstigen Eigentümers schliessen.
Das wuchtige Doppelwohnhaus in Niederwil hat eines der grössten Dächer weit und breit.
(Bild: Matthias Jurt (Cham, 3. März 2021) )
Die Inschrift im nördlichen Giebelfeld sagt aus, dass dieses Haus nicht gebaut ist, um allen zu gefallen.
(Bild: Matthias Jurt (Cham, 3. März 2021))
Der Segensspruch an der Südfassade. (Bild: Matthias Jurt (Cham, 3. März 2021))

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Sie sind häufig kunstvoll in grossen Lettern aufgemalt, manchmal dilettantisch irgendwo eingekerbt, dort wieder schön gemeisselt, gelegentlich auf einen eigenen Träger aufgebracht und montiert: Inschriften an Privathäusern, sogenannte Haussprüche, finden sich quer durch alle Regionen, vornehmlich an historischen Gebäuden. Der Sinn solcher Sprüche kann ganz unterschiedlichen Inhaltes sein – segnend, mahnend, spottend, unterhaltend, erinnernd, drohend, zur Reflexion anregend, rein poetisch ... Am häufigsten trifft man allerdings auf Segenssprüche, mittels derer um göttlichen Schutz für das Gebäude gebeten wird. Hausinschriften spiegeln nicht zuletzt auch eine vorherrschende, tiefe Volksfrömmigkeit wider. Dennoch dürfte die jahrhundertealte Kultur von Hausinschriften auf einen ursprünglich heidnischen Brauch zurückgehen. Der Gepflogenheit lag und liegt der allgemeine Wunsch nach Schutz des eigenen Heimes durch eine übergeordnete Macht zugrunde.

Im deutschsprachigen Raum sind Hausinschriften in der Form, wie man sie heute noch antrifft, seit etwa dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Bis ins 18. Jahrhundert waren es vorwiegend Segenswünsche für die Hausbewohner wie auch deren Besucher oder Vorbeireisende. Meist handelte es sich um Bibelzitate wie Psalmen oder Auszüge aus Kirchenliedern. Später kamen häufig Sprichwörter, Reime oder geflügelte Worte hinzu, die vielfach gewisse Wertvorstellungen oder Gesinnungen der Eigentümerschaft zum Ausdruck brachten.

Einzigartiges Erscheinungsbild

Schönes Beispiel eines Hausspruches aus beiderlei «Sparten» finden wir im Chamer Weiler Niederwil am monumentalen Doppelwohnhaus Nummer 10/12 nördlich der Kirche St.Mauritius. Um den Inhalt der längeren Inschrift besser deuten zu können, sei das Haus vorerst genauer beschrieben. Es dürfte in der heutigen Form seit 1737 bestehen, wie die mehrfach vorhandene Jahreszahl besagt.

Das Haus ist in seinem Erscheinungsbild recht einzigartig: Das Hauptwohngeschoss umfasst ganze zehn Fensterachsen und das darüberliegende immer noch deren acht. Das auffälligste Merkmal des Gebäudes ist sein riesenhaftes Dach, dessen Flächen so weit herabreichen, dass die Traufen auf Höhe des Hauptwohngeschosses und somit nur wenige Meter über dem Grund liegen. Dieses einzigartige Aussehen hat das ursprünglich als Kantholz-Ständerbau errichtete Wohnhaus durch mehrmalige Umbauten und Adaptionen erhalten, welche heute zeitlich nicht mehr genau bestimmbar sind.

Egal, was die Leute denken

Die beiden Haussprüche sind im Giebelfeld über dem dritten Obergeschoss angebracht. Sie sind wohl eher das persönliche Bekenntnis eines ehemaligen Eigentümers und nicht für die Rezeption durch die Allgemeinheit gedacht, denn die jeweils mit der Jahrzahl 1737 versehenen Inschriften sind ziemlich klein und nur mit Mühe vom Boden aus überhaupt lesbar. Am Brüstungsbalken der kirchseitigen Fassade ist selbstredend der fromme Segensspruch aufgetragen, der da lautet «GELOBT SEI JESVS CHRISTVS IN EWIGKEIT». Interessanter und einfallsreicher ist die etwas krakelige Inschrift an selber Stelle an der nach Norden weisenden Fassade. Diese lautet wörtlich:

DAS HVS STOTT IN GOTES GEWALT ES
IST NIT BOVGEN DAS IEDERMA GEFALT.

Was sich liest, als hätte sich der Verfasser selbst für damalige Zeiten viel grammatikalische Freiheiten genommen, heisst übersetzt in etwa, dass dieses Haus unter Gottes Schutz steht und nicht gebaut ist, um jedem zu gefallen.

Offenbar wusste der Eigentümer damals schon um das eigenwillig geratene Erscheinungsbild seines Hauses. Vielleicht haben sich die Nachbarn über die von der Norm abweichende Bauweise beschwert, oder Vorbeikommende haben sich spöttisch geäussert, was schliesslich Anlass für das klare Statement des selbstbewussten Spruchverfassers gewesen sein könnte. Kurzum: Ihm war es schlicht Wurscht, was die Leute über sein Haus denken. Hauptsache, Gott hält seine Hand schützend darüber. Eigentlich eine durchaus sympathische und zeitlose Haltung, welche uns der Verfasser aus dem 18. Jahrhundert hier vermittelt: Man soll sich im Leben nicht von den Meinungen anderer Leute beeinflussen lassen.

In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

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