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Zug

Der Rollstuhlfahrer Oliver Ranger will Brücken bauen

Oliver Ranger, der an Zerebralparese leidet, will für die SP im Kantonsrat politisieren. Als Rollstuhlfahrer begegnet er im Alltag immer wieder Hürden – sowohl baulichen als auch menschlichen. Doch der 24-Jährige lässt sich davon nicht unterkriegen.
Mit einem Joystick steuert Oliver Ranger seinen Rollstuhl. (Bild: Werner Schelbert (Baar, 10. August 2018))

Rahel Hug

Als Oliver Ranger für den Wahlkampf an einer Telefonaktion teilnehmen wollte, musste er kurz nach seiner Ankunft wieder umkehren. Warum? Das Gebäude, in dem sich die Kandidaten für die Aktion trafen, ist nicht komplett rollstuhlgängig. Immer wieder begegnet Oliver Ranger im Alltag solchen Hürden. Das ist mit ein Grund, weshalb sich der 24-jährige Baarer nun politisch engagieren möchte.

Ranger kandidiert für die SP Baar für einen Sitz im Zuger ­Kantonsrat. «Ich möchte in der Gesellschaft Brücken bauen zwischen Behinderten und Menschen ohne Einschränkung. Es ist Zeit, dass auch Menschen mit Beeinträchtigung in der Politik vertreten sind und eine persönlichere Stimme erhalten», sagt Ranger.

Sein Ziel ist ein Politologie-Studium

Der motivierte und selbstbewusste junge Mann leidet an Zerebralparese, einer Bewegungsstörung, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel liegt. Er ist seit der Kindheit an den Rollstuhl gebunden und auf pflegerische Hilfe angewiesen.

Seit etwas mehr als zwei Jahren lebt Oliver Ranger, dessen ­Eltern aus der Schweiz und England stammen, im Pflegezentrum Baar auf der Abteilung für junge pflegebedürftige Menschen. Zuvor hatte er die Werktage in der Luzerner Stiftung Rodtegg verbracht und am Wochenende bei seinen Eltern in Baar gewohnt. In der Rodtegg hat er eine Insos-anerkannte, praktische Ausbildung absolviert und daneben bei der Institution Akad in Zürich im Selbststudium das Bürofachdiplom VSH und das Handelsdiplom VSH erlangt.

Diese Ausbildung hat Ranger im letzten Jahr abgeschlossen. «Es war immer mein Ziel, selbstständig arbeiten zu können.» Das hat die Kämpfernatur erreicht: Seit rund zwei Jahren arbeitet der 24-Jährige in einem Zuger Treuhandbüro im Backoffice als Büroangestellter. Der Job gefalle ihm, sagt Ranger, «doch ich möchte es nicht das ganze Leben lang machen». Er hat bereits weitere Pläne. «Ich will ein Politologie-Studium absolvieren.» Ein Wunsch von Ranger ist es auch, dereinst selbstständig wohnen zu können. Die Herausforderung dabei ist die pflegerische Unterstützung, die er in Anspruch nehmen muss. «Hier braucht es unbedingt mehr Möglichkeiten», ist er überzeugt.

Das ist ein Punkt von vielen, die Oliver Ranger in der Politik angehen möchte. Auch die Sicherheit und die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum liegen ihm am Herzen. Ein Beispiel, das er nennt, ist die Einfahrt in die Oberneuhofstrasse auf der Fahrradstrecke von Baar nach Zug. Diese sei für Menschen mit und ohne Einschränkung gefährlich. Einerseits, weil es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gebe, andererseits sei die Strasse in der Nacht zu wenig beleuchtet. Ein anderes Beispiel sind die SBB-Perrons. In Baar beispielsweise kann Ranger ohne Probleme in einen Niederflurzug einsteigen – anders in Zug, wie er angibt: «Der Höhenunterschied ist ein bisschen zu gross, sodass ich Hilfe brauche.»

Die baulichen Themen sind das eine – die menschlichen das andere. «Ich spüre, dass viele Leute nach wie vor Hemmungen haben im Kontakt mit Behinderten. Das möchte ich verändern», betont Ranger. Er merkt das beispielsweise, wenn er jemanden bittet, ihm eine Türe zu öffnen, und diese Person – wohl, weil sie zu grossen Respekt hat – an ihm vorbeigeht. «Die meisten Leute sind sehr hilfsbereit, doch es bestehen leider noch zu oft Berührungsängste.»

Das Regierungsgebäude ist rollstuhlgängig

Auf Bundesebene sitzt mit Christian Lohr ein behinderter Politiker im Nationalrat. Der Thurgauer CVP-Parlamentarier kam ohne Arme und mit verkürzten Beinen zur Welt. Nach dem verstorbenen Berner FDP-Nationalrat Marc F. Suter ist er der zweite Rollstuhlfahrer, der im Nationalrat politisiert. Mit seinem rechten Fuss steuert er seinen Elektrorollstuhl, schreibt und tippt, bedient das Telefon. Im Kanton Zug kandidiert mit der Tetraplegikerin Manuela Leemann (CVP) eine weitere Rollstuhlfahrerin für den Kantonsrat.

Wie Landschreiber Tobias Moser auf Anfrage sagt, gab es bislang seines Wissens in Zug keine kantonalen Politiker, die an den Rollstuhl gebunden waren. Das Regierungsgebäude und auch der Kantonsratssaal seien aber rollstuhlgängig. «Wir haben im Hause regelmässig Kundschaft, die den Seiteneingang auf der Südseite und den Aufzug benutzt», so Moser. Auf die Frage, ob jemand, der an Zerebralparese leidet, die elektronische Abstimmungsanlage bedienen könnte, sagt der Landschreiber: «Wir finden in jedem Fall eine pragmatische Lösung; bei Bedarf kann das Büro des Kantonsrats das Reglement für die elektronische Abstimmungsanlage anpassen.»

Der Kanton Zug sei bezüglich Behindertengleichstellungsgesetz und Barrierefreiheit gut aufgestellt. «Wir hatten und haben Mitarbeitende, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Das Behindertengleichstellungsgesetz enthält beispielsweise auch Vorgaben für die Umsetzung des Internetauftrittes, die wir bereits seit 2008 beachten.»

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