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Zug

Zu wenig Abstand? Ungenaue Coronaregeln führten zu Unsicherheiten bei Zuger Wirten

Seit Anfang März dürfen sechs Zuger Restaurants über Mittag für Berufstätige im Ausseneinsatz eine Betriebskantine führen. Ein Fernsehbeitrag über das Restaurant Rössli in Menzingen zog teilweise heftige Reaktionen nach sich.
Das Restaurant Rössli in Menzingen bietet seit 1. März Mittagessen für Arbeiter an. Inzwischen klappt es gut mit den Abstandsregeln. (Bild: Matthias Jurt
(3. März 2021))

Cornelia Bisch

Die Maske unter der Nase und zu geringe Abstände an den Tischen. Dies wurde dem Wirtepaar des Restaurants Rössli in Menzingen Heike und René Zürcher in einem Artikel der Gratiszeitung 20 Minuten vom Donnerstag, 4. März, vorgeworfen. Dies, nachdem ein Bericht des Schweizer Fernsehens SRF zum neuen Angebot «Beizen für Büezer» den Betrieb zeigte.

Die Folge waren eine Reihe teilweise gehässiger Kommentare seitens der Leserschaft. René Zürcher sagt auf Anfrage:

«Die verrutschte Maske war ein Versehen. Wir wissen natürlich, dass das nicht geht.»

Aber die Abstandsregelung von 1,5 Metern zwischen den einzelnen Personen an den Tischen sei ihm nicht bekannt gewesen. «Sicher hätten wir uns seriöser vorbereiten sollen», zeigt er sich einsichtig. «Aber das Ganze lief extrem schnell an.» Inzwischen habe er die Regeln genau umgesetzt, indem er einzelne Stühle von den Tischen entfernt habe, um die Abstände zwischen den Gästen zu gewährleisten.

Informationen lassen Interpretationsspielraum offen

Tatsache ist, es wurde ungenau informiert. Daniel Hürlimann vom Restaurant Aesch in Walchwil nimmt seinen Menzinger Berufskollegen in Schutz. «Aus dem Schreiben des Bundesamts für Gesundheit, das wir erhalten haben, ging die Abstandsregel nicht klar hervor», betont er. Darin habe es lediglich geheissen, dass bei der Konsumation der erforderliche Abstand eingehalten werden müsse, und Gästegruppen, die nahe zusammen sitzen würden, nicht erlaubt seien.

«Von 1,5 Metern Abstand zwischen den am gleichen Tisch sitzenden Personen war nicht die Rede.»

Die letzte Regelung vor dem zweiten Lockdown im Dezember habe besagt, dass vier Personen gemeinsam an einem Tisch sitzen dürften.

Dies bestätigt auch Daniel Dossenbach, Direktor des Alters- und Wohnheims Mütschi in Walchwil. «Ich ging davon aus, dass mit der Abstandsregel die 1,5 Meter von Tischkante zu Tischkante gemeint sei und nicht von Person zu Person am selben Tisch», sagt er überrascht. «Ich bin froh, das nun zu wissen.» Allerdings ist ihm nicht ganz klar, welchen Sinn diese Regelung haben soll.

«Die Büezer arbeiten ja den ganzen Tag zusammen und kommen gemeinsam im Bus angefahren. Ausserdem haben sie bisher sicher gemeinsam in ihrer Baracke gegessen.»

Das Mütschi bewirtet seit Dienstag, 2. März, rund sechs Arbeiter pro Mittag. Weil im Heim sowieso für die Bewohner gekocht wird, stellt es für das zusätzliche Angebot keine weiteren Personen ein, sodass auch keine Mehrkosten entstehen. Allerdings müssen die Bereiche für die Bewohner und die Arbeiter klar getrennt sein. «Die Arbeiter sind gute, treue Kunden von uns. Wir machen das für sie und damit wieder etwas Normalität in unser Haus einkehrt», betont Dossenbach.

Im Restaurant im Park in Baar und im Café Speck Metalli hat bisher niemand vom Angebot Gebrauch gemacht, drinnen an der Wärme zu essen. «Es ist vermutlich noch zu wenig bekannt», sagt Geschäftsführer Walter Speck. Wer sein Essen vom Take-away bezieht, wird mit einem Flyer auf die Möglichkeit hingewiesen. «Auch auf Social Media haben wir es bekannt gemacht.» Die Abstandsregeln sind ihm vertraut, da das Unternehmen für die Mitarbeiter der Produktion bereits einen Aufenthaltsraum mit den korrekten Abständen von Tisch zu Tisch und Person zu Person einrichten musste.

«Das Konzept für Betriebskantinen beinhaltet andere Massnahmen als das letzte Restaurantkonzept. Das ist etwas verwirrend.»

Im Nachhinein berichtigt

Andreas Conne, Generalsekretär der Zuger Volkswirtschaftsdirektion, bestätigt, dass das Schreiben des Bundesamts für Gesundheit BAG nicht ganz klare Informationen bezüglich der Abstandsregelungen enthalten habe. «Aus dem Schreiben ging nicht explizit hervor, dass der Abstand der einzelnen Personen am selben Tisch 1,5 Meter betragen muss», stellt er fest. «Die ganze Sache entstand extrem kurzfristig. Normalerweise hat man mehr Zeit für die Ausarbeitung von Konzepten.» Aufgrund von Nachfragen habe die Volkswirtschaftsdirektion diesen Punkt noch genauer abgeklärt und die betreffenden Wirte entsprechend informiert. Für die Kontrollen der Betriebe seien die Sicherheitsabteilungen der einzelnen Gemeinden zuständig. «Auf Wunsch können Sie die Polizei hinzuziehen.»

Zu spät, aber gut

«Schade nur, dass dieses Angebot nicht früher kam», bedauert Roland Schnyder, Mitinhaber der M. und S. Malerarbeiten AG Menzingen und Gast im Restaurant Rössli. Die Kälteperiode diesen Winter sei für die Bauleute hart gewesen. Er und sein Geschäftspartner Bruno Weber hätten oft draussen ihre Take-away-Mahlzeiten essen müssen. «Manchmal hat auch meine Schwiegermutter für uns gekocht, oder wir assen in unserer Werkstatt.» Die beiden sitzen in der behaglich rustikal eingerichteten Gaststube. «In der Wirtschaft zu essen, ist natürlich viel angenehmer. Wir werden nun sicher regelmässig hierher kommen.»

Auch Beat Zürcher, Geschäftsführer der Zürcher Holzbau AG Finstersee, wird nun regelmässig für sich und seine 24 Angestellten im Rössli einige Mittagessen buchen. «Morgens um sieben Uhr frage ich, wer von den Mitarbeitern wann essen möchte und melde dann jeden einzelnen namentlich und mit Zeitangabe via E-Mail an.» Genau diese Vorgehensweise schreibt der Bund auch vor. «Es tut gut, einmal kurz der Kälte zu entfliehen und etwas Warmes zu essen. Es sind sonst schon sehr lange Tage», spricht der Handwerker aus Erfahrung.

Take-away und Kantine

Nachdem am 2. März, dem ersten Betriebstag, sehr viele Mittagsgäste im Rössli bedient wurden, ist heute, am zweiten Tag, nicht sehr viel los. Die wenigen Gäste sitzen höchstens zu zweit an einem Tisch. «Es muss sich vermutlich zuerst einmal herumsprechen, dass wir nun mittags wieder geöffnet haben. Es braucht eben seine Zeit», vermutet Wirt René Zürcher. Es duftet herrlich aus der Küche, wo er selbst am Herd steht, während seine Frau Heike die Gäste bedient. Diese lassen sich die währschafte Mahlzeit genüsslich schmecken.

Das Wirtepaar führt bereits seit Mitte Januar einen Take-away-Betrieb. Während des ersten Lockdowns stellten die beiden an warmen Tagen einen Grill im Freien auf. «Die Leute schätzen unser Angebot sehr. Sie kommen so mindestens einmal täglich raus aus ihren vier Wänden und sprechen ein paar Worte mit uns. Das tut allen gut», erklärt Heike Zürcher.

Die Einkünfte sind zweitrangig

«Wir machen das für die Arbeiter, die sonst in der Kälte stehen müssen, aber auch, um Kontakte zu pflegen und ein wenig im Gespräch zu bleiben», erklärt René Zürcher. Finanziell lohne es sich nicht wirklich. «Aber so haben wir etwas zu tun, und weil meine Frau und ich es ohne die Hilfe von Angestellten bewältigen, halten wir die Kosten tief.»

Das Restaurant Rössli war seit Frühling 2020 während fünf Monaten geschlossen. «Das ist schon eine sehr lange Zeit.» René Zürcher ist aber ein positiv denkender Mensch. Irgendwie, ist er überzeugt, gehts immer weiter.

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