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Psychische Probleme

Zentralschweizer Pro-Juventute-Chef: «Kinder und Jugendliche lassen die Kriege sehr nahe an sich heran»

26 Prozent mehr Beratungen wegen Suizidgedanken hat Pro Juventute letztes Jahr registriert. Laut dem Zentralschweizer Regionalleiter Christian Imfeld sind mehr Medientrainings und Gespräche nötig.

Wenn Kinder und Jugendliche die Telefonnummer 147 wählen, sind sie meistens verzweifelt. Immer häufiger hegen sie sogar Suizidgedanken. 2019 war das schweizweit drei bis vier Mal täglich der Fall, im letzten Jahr neun Mal. Das gab Pro Juventute, welche die Telefon-Hotline betreut, kürzlich im «Blick» bekannt. Christian Imfeld weiss, dass die Zentralschweiz hierbei keine Ausnahme darstellt. Der 37-Jährige ist seit Februar 2021 Leiter der Regionalstelle unserer Region.

Psychische Probleme: Hier kann man Hilfe holen

Wer in einer Lebenskrise steckt, Suizidgedanken hat oder einen Suizid im Familien- oder Freundeskreis zu verarbeiten hat, sollte sich unbedingt helfen lassen. Die Dargebotene Handhilft rund um die Uhr telefonisch anonym und kompetent. Das Angebot richtet sich auch an Angehörige oder Bekannte von Menschen in einer Notsituation. Telefonnummer für Erwachsene: 143 oder www.143.ch (unter dieser Adresse kann man auch einen Chat starten oder eine E-Mail schreiben). Telefonnummer für Jugendliche und Kinder (Pro Juventute): 147 oder www.147.ch (E-Mail, die Berater können auch auf Whatsapp kontaktiert werden).
Weitere Informationen finden sich unter www.reden-kann-retten.ch.
Hilfe gibt es ebenfalls beim Beratungstelefon der Luzerner Psychiatrie, das rund um die Uhr für Direktbetroffene von psychischen Erkrankungen sowie deren Angehörige unter 0900 85 65 65 erreichbar ist.
Bei der Suizid-Prävention des Kantons Zürich gibt es ganzkonkrete Tipps, wie man das Thema Suizid ansprechen kann.
AuchPro Mente Sana bietet kostenlose Beratung für Betroffene, deren Angehörige und Nahestehende sowie weitere Bezugspersonen an.
Natürlich kann man sich auch vertrauensvoll an seine Hausärztin oder seinen Hausarzt wenden.

Christian Imfeld leitet seit drei Jahren die Regionalstelle Zentralschweiz der Pro Juventute.
Bild: Bild: zvg

Eine Ursache der letzten Jahre fiel laut Imfeld zwar grösstenteils wieder weg: Die Einschränkungen der Coronapandemie haben die Kinder und Jugendlichen stark getroffen und die in ihrem Alter so wichtigen sozialen Kontakte erschwert. Dafür sind Entwicklungen geblieben, die seit Jahren anhalten – und neue Unsicherheiten kamen hinzu. Christian Imfeld nennt die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Kinder und Jugendlichen befassen sich auch über die sozialen Medien mit den Krisen. «Oft lassen sie diese sehr nahe an sich heran.» Bilder und Videos gelangen schliesslich häufig ungefiltert auf Smartphones und Tablets. «Die Omnipräsenz dieser Multikrise ist das Schwierigste.»

Diskussion am Küchentisch

Umso wichtiger sei es, dass sich die Heranwachsenden untereinander über das Gesehene austauschen. Und dass solche Themen auch am heimischen Küchentisch diskutiert werden. Genauso entscheidend sei aber auch ein verantwortungsbewusster Umgang mit den sozialen Medien und dem Medienkonsum allgemein. Pro Juventute helfe hier ganz konkret mit Medientrainings in den Schulen sowie an Elternveranstaltungen mit.

Imfeld, der in Schattdorf aufgewachsen ist und in der Stadt Luzern wohnt, betont auch, dass es mittlerweile kein Tabu mehr ist, über psychische Probleme zu sprechen. «Früher wurden solche Themen oft unter den Teppich gekehrt.» Der Wandel sei positiv; entsprechend sollen Schule und Eltern die Sorgen der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen. Gleichzeitig sei es wichtig, den Heranwachsenden genügend Freiraum zu geben. «Sie müssen ihre Erfahrungen machen können, auch wenn man als Erwachsene weiss, dass Risiken nie gänzlich ausgeschlossen werden können.» So könne die Resilienz, also die psychische Robustheit, am besten aufgebaut werden.

1600 Personen nutzten bisher Chat

Den Austausch unter Gleichaltrigen fördert Pro Juventute Zentralschweiz auch ganz direkt. Seit Herbst 2021 können sich die Jugendlichen über den Peer Chat auf Augenhöhe unterstützen. Rund 1600 Personen haben das Angebot schon genutzt. Ein Erfolg. Das gelte auch für das Kinderkulturfestival «Kultissimo» , wo Kinder in die bunte Welt von vielfältigen Kulturangeboten eintauchen und Neues lernen können.

Pro Juventute ist als Stiftung auf finanzielle Unterstützung von Gönnern, Spenden und der öffentlichen Hand angewiesen. Das hat laut Imfeld bis jetzt auch gut geklappt. Doch weil der Bedarf an Beratungen immer mehr steigt, braucht es auch mehr Ressourcen. «Wir sind weiterhin auf ein hohes Engagement der öffentlichen Hand angewiesen», betont Christian Imfeld. «Dafür sind wir mit vollem Engagement für die Kinder und Jugendlichen da.»

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