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Zug

Wohngemeinschaften in Cham: Jung und Alt unter einem Dach

Gesellschaft wünschen sich viele ältere Menschen; besonders, wenn der Partner verstorben ist. Zwei Chamer haben eine gute Idee, wie der Vereinsamung entgegengewirkt werden kann.
Zu den Arbeiten, die Martin Tanner für ältere Leute verrichten würde, gehört auch das Vorlesen. (Bild: Stefan Kaiser (Hagendorn, 4. Februar 2019))

Vanessa Varisco

Zusammenleben von Jung und Alt – darin sieht Martin Tanner aus Cham eine grosse Chance für beide beteiligten Parteien. «Ältere Menschen bewohnen oft Wohnungen, Häuser oder Villen, die nach dem Auszug der Kinder oder dem Ableben des Partners schlicht überdimensioniert sind», führt er aus. So würden sich viele einsam fühlen und alltägliche Arbeiten wie beispielsweise Einkaufen oder Gartenarbeit zu einer Last werden.

Eine Win-Win-Situation

Deshalb hat er sich überlegt, dass es sinnvoll wäre, wenn Jung und Alt eine Wohngemeinschaft bilden würden: Die jungen Menschen ziehen in den grossen Liegenschaften der älteren Menschen ein, profitieren von günstigem Wohnraum und packen im Gegenzug bei den alltäglichen Arbeiten im Haushalt an. «Für beide eine Win-Win-Situation», ist sich der Farbgestalter sicher. Er selber ist aufgrund seines Berufs viel zu Hause und könnte sich gut vorstellen, bei einer betagten Person einzuziehen und ihr unter die Arme zu greifen. «Die älteren Menschen werden dadurch auch wieder selbstständiger und können länger zu Hause wohnen.» Natürlich gibt es auch Herausforderungen beim Zusammenleben von Jung und Alt.

«Eine gute Beziehung aufzubauen, braucht gegenseitige Toleranz», findet der 64-Jährige. Auf die Idee gekommen für dieses Projekt ist er, weil er vor einigen Jahren einen Zeitungsbericht darüber gelesen hat, dass in Paris ältere Leute Studenten Platz gemacht hätten in ihren Häusern und dafür unterstützt worden sein.

Funktionierende Beispiele gibt es

Um seine Idee in die Wirklichkeit umzusetzen, hat er Kontakt mit verschiedenen Organisationen wie Pro Senectute oder die Kissgenossenschaft aufgenommen. «Bis jetzt habe ich grösstenteils positive Resonanz bekommen», berichtet er. «Wichtig ist, dass vor allem die älteren Leute darüber informiert werden, dass eine solche Idee im Raum steht», findet er. Ob und wie das Projekt später grösser aufgezogen werden soll, steht noch in den Sternen. Sonja Muff (72), seit neun Jahren Witwe, hat bereits gute Erfahrungen im Zusammenleben von Jung und Alt gemacht. «Für mich alleine war die Wohnung viel zu gross. Deshalb entschied ich mich vor sieben Jahren erstmals jemanden aufzunehmen», erinnert sie sich.

Eigentlich wollte die junge Frau nur für zwei Monate bei Sonja Muff wohnen. «Daraus wurden dann drei Jahre», sagt die Rentnerin und lacht. Seitdem vermietet sie immer wieder zwei Zimmer in ihrer Wohnung. Die Küche wird gemeinsam genutzt, Bad hat Sonja Muff ein eigenes. Und wie klappt das? «Wunderbar», freut sich die 72-Jährige und ergänzt: «Ich bin weniger alleine. Abends ergibt sich das ein oder andere Gespräch und morgens isst man manchmal Frühstück miteinander.

Es braucht Toleranz

Zum gemeinsamen Wohnen braucht es nur ein bisschen guten Willen und Toleranz.» Ausserdem: «Mit der Zeit herrscht eine gewisse Vertrautheit.» Sie ist überzeugt, dass dies ein Modell mit Zukunft ist. «Denn die eigenen Kinder haben nicht immer Zeit oder wohnen vielleicht weit weg», überlegt sie. «Ich geniesse es, Leute um mich und in der Wohnung zu haben.» Auch bei den Jungen seien solche Wohnungen sehr gefragt. «Ich könnte zehn Zimmer vermieten, so viele Anfragen habe ich», gibt Sonja Muff Auskunft. Kleinere Aufträge erledigen die Mieter bei Sonja Muff allerdings nicht.

Dass ältere Menschen dankbar sind für soziale Interaktionen aller Art bestätigt eine interne Umfrage der Pro Senectute Zug, welche Nadia Wüest, Leiterin Soziale Dienste, auf Anfrage unserer Zeitung bei Mitarbeiterinnen der Organisation durchgeführt hat. «Denn das soziale Netz nimmt ab, je älter man wird», erklärt eine Mitarbeiterin. Das Zusammenleben von Alt und Jung sei teilweise ein Thema. «Vereinzelt gibt es Anfragen», berichtet eine Mitarbeiterin. Eine andere erklärt: «Die betroffenen Personen wünschen sich allerdings eher eine Wohngemeinschaft in ihrem Alter.» Die Mitarbeiterinnen sind sich allerdings darüber einig, dass durch gemeinsames Wohnen Einsamkeit verhindert werden könne. Doch: «Abgrenzung durch beide Seiten ist wichtig.» Grundsätzlich sind sie der Meinung, dass es Kompromissbereitschaft brauche.

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