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Obwalden

Wie Obwaldner Frauen auf ihr Stimmrecht warten mussten

Warum hat Obwalden erst als vorletzter Kanton das Frauenstimmrecht eingeführt? Unter anderem dieser Frage ging Myrta Ettlin in ihrer Maturaarbeit nach – und stiess dabei auf interessante Fakten.
Maturandin Myrta Ettlin (Mitte) im Gespräch mit alt Regierungsrätin Maria Küchler und dem früheren Engelberger Statthalter und späteren OKB-Direktor Paul von Wyl. Sie waren Zeitzeugen für ihre Maturaarbeit. (Bild: Marion Wannemacher (Sarnen, 13. Dezember 2018))

Marion Wannemacher

«Es war der Brief, der kurz vor meinem 18. Geburtstag bei mir ankam, mein erster Stimmzettel. Er erfüllte mich mit Stolz», wusste Myrta Ettlin an der Präsentation ihrer Maturaarbeit zu berichten. Er habe sie aber auch zum Nachdenken gebracht. «Was viele Frauen heute als selbstverständlich ansehen, war etwas, wovon meine Grossmütter in meinem Alter nur träumen konnten», betont sie. 1971 erst wurde in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt. «Wie konnte es sein, dass der Kanton Obwalden noch mehr als ein Jahr länger gebraucht hat, um es einzuführen?», fragte sie. Wer eigentlich hatte sich besonders für die Einführung des Frauenstimmrechts eingesetzt, und wer sich dagegen gewehrt? Und warum wehrte man sich in Obwalden so lange und vehement gegen die Einführung des Frauenstimmrechts, auch nachdem dieses auf Bundesebene bereits lanciert worden war?

Das interessierte offensichtlich auch die Besucher: Schnell war der letzte Platz im Präsentationsraum besetzt. «Mir war klar, dass ich keine einfache Untersuchung mit Dokumenten und Quellen aus dieser Zeit durchführen wollte», erklärt sie. Diese Methode nennt sich «Oral History». Die Archivstudien sollten durch persönliche Interviews erweitert und vertieft werden. Die gebürtige Kernserin wollte so eine persönlichere Einsicht in das Thema erhalten und etwas über Gefühle, Einstellungen und Ereignisse erfahren, die nicht aus schriftlichen Quellen hervorgehen.

Mangelndes Interesse der Obwaldner Frauen an Politik

Viel Zeit habe sie im Staatsarchiv verbracht, unter anderem Kantonsratsprotokolle, Briefe und alte Zeitungen untersucht. Dabei habe sie viele spannende Fakten gefunden. «Es war sicher eine Herausforderung, dass ich mich ans Thema halte», erzählt Myrta Ettlin. Sie stiess auf die Tatsache, dass sich in Obwalden nur sehr wenige für das Frauenstimmrecht einsetzten. Eine Frauenrechtsbewegung gab es hier nicht. «Die Frauen waren in ihrer typischen Geschlechterrolle tief verankert, mit ihren mütterlichen und haushälterischen Tätigkeiten ausgelastet und interessierten sich schlicht nicht für Politik», konstatiert sie. Auch befürchtete man damals, dass die Einführung des Frauenstimmrechts den Tod der Landsgemeinde zur Folge hätte.

Als Zeitzeugen befragte die Maturandin alt Regierungsrätin Maria Küchler-Flury, die direkt nach Einführung des Frauenstimmrechts politisch aktiv wurde, sowie Paul von Wyl, der als Statthalter von Engelberg das Thema auf Gemeindeebene vorantrieb. «Eine konsultative Abstimmung brachte in Engelberg ein eindeutiges Ergebnis zugunsten des Frauenstimmrechts», erzählt er. Auch ein polemisches Flugblatt habe dagegen nichts ausrichten können. Die Abstimmung ergab später das eindeutige Ja für eine Einführung in Engelberg. «Es freut mich noch heute, dass dieser Markstein in meine politische Tätigkeit fiel», erzählt von Wyl. Von 1958 bis 1966 war er Statthalter. «Über die Anfrage der Maturandin war ich nicht unglücklich», erzählt er augenzwinkernd. Auch Maria Küchler-Flury betont, dass sie Myrta Ettlin sehr gern Rede und Antwort gestanden habe. «Die Arbeit zeigt auf, was möglich wird, wenn man seine Wurzeln kennt. Gerade das Thema Frauenstimmrecht zeigt auf, was mit Bildung erreicht werden kann.»

Sehr überrascht zeigt sich Myrta Ettlin über die Tatsache, dass ihre Heimatgemeinde Kerns das Stimmrecht erst so spät eingeführt hat (siehe Kasten). Für Politik interessiert sich die 19-Jährige übrigens von Haus aus: Vater Markus Ettlin ist im Kantonsrat, ihr «Götti» Josef Niederberger Landrat in Nidwalden. «Daheim wird bei uns viel politisiert», sagt sie. Zu tun gebe es ihrer Ansicht nach auch trotz der Bundesratswahl noch jede Menge. «Allein mit der Frauenquote ist es nicht getan, es muss im Motivieren der Frauen anfangen. Es soll keinen Applaus mehr geben, wenn Bundesrätinnen gewählt werden, sondern selbstverständlich sein.»

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