notifications
Luzern

Wie der Surseer Naturfreund Louis Gut gegen die Verkleinerung des Sempachersees kämpfte

Vor hundert Jahren war der See Teil von Planungen für Wasserkraftwerke, die massive Einschnitte mit sich gebracht hätten.
Der Surseer Naturfreund Louis Gut wehrte sich poetisch gegen die technische Nutzung des Sempachersees. (Bild: Stadtarchiv Sursee (undatiert))
Die im Sankturbahnhof in Sursee ausgestellten Pläne: hellblau die heutige Grösse des Sees, dunkelblau nach der Verkleinerung. (Bild: PD)

Dominik Weingartner

Dominik Weingartner

Es sind Pläne, die aus heutiger Warte ein bisschen wahnwitzig anmuten: Vor gut hundert Jahren planten die CKW ein Wasserkraftprojekt, das den Sempachersee um zwei Drittel verkleinert hätte. Doch der Reihe nach.

Der Sempacher Martin Steger hat die Geschichte 1993 für die Naturforschende Gesellschaft Luzern aufgearbeitet. Demnach gab es nach dem Ersten Weltkrieg in der Schweiz vermehrte Bestrebungen, mittels Wasserkraft eigene Energiequellen zu erschliessen. Dies, weil die Kohleversorgung in den Kriegsjahren schwierig war.

1919 reichte ein Konsortium bestehend aus der Escher-Wyss & Cie aus Zürich und lokalen Politikern ein Konzessionsgesuch für das Projekt «Waldemme-Sempachersee» ein. Dieses wollte die Wasserkraft der Kleinen Emme nutzen und für die Wintermonate speichern. Der Sempachersee hätte als Hauptspeicherbecken gedient – mit Wasserstandsschwankungen von bis zu 17 Metern.

Seespiegel sollte um 60 Meter gesenkt werden

In Konkurrenz dazu trieben die CKW ein anderes Projekt voran. Zunächst plante man, in der Lammschlucht bei Flühli einen Stausee zu bauen. Dieser hätte das Dorf bedeckt. Trotz positiven Rückmeldungen aus der betroffenen Bevölkerung wurden diese Pläne rasch verworfen. Stattdessen trieben die CKW die Stauung des Lungernsees voran. Und hier kommt der Sempachersee ins Spiel.

Um das beim Aufstauen des Lungernsees verlorene Kulturland wettzumachen, planten die CKW die Absenkung des Sempachersees – und zwar um 60 Meter. Der See hätte so von seinen 14 Quadratkilometern zehn verloren. Es wäre zehnmal so viel Land gewonnen worden, wie in Lungern verloren ging. Der See sollte mit der Reuss verbunden werden. Durch diesen Kanal wäre in den Wintermonaten Wasser abgelassen und Strom gewonnen worden – man rechnete mit jährlich 40 Millionen Kilowattstunden. Durch den Verkauf des gewonnen Kulturlandes erhoffte man sich Einnahmen von fünf Millionen Franken.

Doch in der Bevölkerung und auch in der lokalen Politik regte sich Widerstand gegen diesen massiven Eingriff in das Landschaftsbild. In Sursee sah man zudem die Möglichkeit, den Triechter touristisch zu entwickeln. Die Absenkung des Sees hätte dies verunmöglicht. Zu den Gegnern gehörte auch der Surseer Bauer, Politiker, Journalist und Naturfreund Louis Gut (siehe Box).

Er wehrte sich auf poetische Art und Weise gegen die technische Nutzung des Sempachersees. In seinem Gedicht «Klage des Sempachersees» schrieb er:

«Von Plänen hört’ ich munkeln riesengross. Ein Judaspreis auf meinem Haupte steht. Berechnet ist der Schatz in meinem Schoss. Und was dafür mein Leichnam kosten tät.»

Das Gedicht, aus Sicht des Sees geschrieben, soll klar machen: Hier soll ein Idyll auf dem Altar der Gewinnmaximierung geopfert werden. Der «Anzeiger für Sempach-Neuenkirch und Umgebung» schlug ähnliche Töne an und warnte vor «herz- und seelenlosen Grosskapitalisten.» In Sempach entstand ein Aktionskomitee, das im Oktober 1921 eine grosse Protestversammlung durchführte. Auch in Sursee und Umgebung bildete sich ein Gegnerkomitee.

Der Kanton Luzern, der den Projekten von CKW und Escher-Wyss anfänglich noch positiv gegenüberstand, wurde angesichts der aufkommenden Opposition selber immer kritischer. 1923 schrieb der Regierungsrat einen Brief an den Bundesrat, in dem er sich gegen eine Bewilligung aussprach. Der Bundesrat beerdigte die beiden Projekte schliesslich 1926 – und der Sempachersee blieb so gross, wie er auch heute noch ist.

Kommentare (0)