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Zug

«Weiterbildung ersetzt eine bessere Grundbildung nicht»: Zuger Kantonsschullehrer Andreas Pfister fordert eine Bildungsreform

Die Digitalisierung verändert das Arbeitsumfeld. Der Kantonsschullehrer und freie Journalist sagt im Interview, weshalb man Schülerinnen und Schüler besser darauf vorbereiten muss und weshalb das  eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.
Andreas Pfister investierte vier Jahre Arbeit und Recherche in sein neues Buch. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. März 2022))
Der Autor hinterlegt seine Thesen mit Statistiken. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. März 2022))
Neue Schweizer Bildung ist das zweite Buch von Andreas Pfister. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. März 2022))
Andreas Pfister ist überzeugt von Chancengleichheit. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. März 2022))

Vanessa Varisco

Vanessa Varisco

Vanessa Varisco

Vanessa Varisco

Er hat noch mehr zu sagen. Und zu präzisieren. Deshalb schreibt und recherchiert Andreas Pfister nach dem Buch «Matura für alle» vier Jahre lang für sein Folgewerk: «Neue Schweizer Bildung – Upskilling für die Moderne 4.0». In seinem ersten Werk vertritt er die These, dass der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die eine der drei Maturatypen – die gymnasiale, die Berufs- oder Fachmatura – absolvieren, zunehmen soll.

In «Neue Schweizer Bildung – Upskilling für die Moderne 4.0» klärt er auf, wie das umgesetzt werden soll und räumt mit den grossen Bildungsmythen auf. «Neue Schweizer Bildung» gewährt einen tieferen Blick ins Schweizer Bildungssystem und wartet mit aktuellen Zahlen, Statistiken und Trends auf.

Sie fordern eine Bildungsreform, eine verbesserte Grundbildung für alle. Wen sehen Sie in der Pflicht, den Wandel zu initiieren?Andreas Pfister: Es braucht sowohl den Bund als auch die Kantone. Die Berufsbildung ist zentral beim Bund organisiert im Staatssekretariat Bildung, Forschung und Innovation. Die gymnasiale Bildung hingegen ist bei den Kantonen, dort braucht es die Schweizerische Konferenz der kantonalen Bildungsdirektoren. Auch deshalb sage ich: Es braucht alle, Gesellschaft und Politik.Was heisst das konkret?Bildung ist auf vielen verschiedenen Ebenen organisiert. Deshalb fordere ich eine neue Governance der Bildung: Auch die gymnasiale Bildung soll stärker über- und intrakantonal verbunden werden, damit Reformschritte möglich werden.Stichwort Governance. In Ihrem neuen Buch schildern Sie, dass es eine neue Governance brauche, die den dualen Weg und den akademischen Weg umfasst. Warum?Weil derzeit eine übergeordnete Perspektive fehlt. Ein Upskilling - eine höhere Qualifizierung – ist auf beiden Bildungswegen nötig. Eine Bildungsreform ist die pragmatische Antwort auf den Akademiker- und Fachkräftemangel. Es ist entscheidend, dass alle Schülerinnen und Schüler dieselbe Chance bekommen. Mit einer Maturitätspflicht erreicht man auch die Bildungsfernen.Wird einer der Bildungswege denn besonders gefördert?Seit den 1990er Jahren stärkt man den Ausbau der Fachhochschulen und der Berufsmatura. Daran ist nichts falsch. Doch der akademische Weg bleibt unterrepräsentiert. Das zeigt sich auch im Medienspiegel, es wird häufiger über Berufsmeisterschaften als über universitäre Ausbildungen berichtet.Ist das ein Problem?Ja, insofern als dass sich das Arbeitsumfeld verändert hat. Akademische Ausbildungen sind gefragt. Mit der Digitalisierung nehmen physische Arbeiten ab. Die Nachfrage nach hoch qualifizierten Mitarbeitenden im technischen Bereich steigt rapide. Gesucht werden Ingenieurinnen, Informatiker, Chemikerinnen und so weiter. Die Jugendlichen sind sich wenig bewusst, welche hohen Anforderungen künftig an sie gestellt werden. Es ist deshalb die Aufgabe der Erwachsenen, sie darauf vorzubereiten und sie entsprechend auszubilden.Wo hakt es?Beispielsweise bei den Lehrbetrieben. Jene verlieren wertvolle Arbeitskräfte, wenn die Lehrlinge im Betrieb fehlen, weil sie öfter in der Schule sind. Aber auch dafür gibt es Lösungen. Zum Beispiel könnte das Lehrgeld wieder eingeführt werden. Das heisst, der Ausbildner wird vom Staat dafür entschädigt, dass er Lehrlinge ausbildet. Denn der Ausbildner tut einen Dienst an der Gesellschaft, wenn er gute Fachkräfte ausbildet. Eine Entlöhnung wäre gerechtfertigt.Gibt es im Kanton Zug Ihrer Meinung nach Firmen, die einen wichtigen Teil zur Entwicklung der Lernenden beitragen?Früher war der Effekt sicherlich noch grösser. Landis und Gyr beispielsweise trugen eine grosse Verantwortung bei der Ausbildung von Zugerinnen und Zugern. Sie waren vor Ort und hatten grosses Interesse an gut ausgebildeten Fachkräften. Heute gibt es mit der V-Zug ein gutes Beispiel. Trotz internationaler Ausrichtung bekennt sie sich zum Standort Zug und fördert damit die Ausbildung im Kanton. Das Technologiecluster ist vollständig digitalisiert, statt Menschen führen Roboter dort inzwischen Fliessbandarbeiten durch. Die wiederum werden von jemandem geführt, der technisch gebildet ist.Zurück zu Ihrem Buch «Neue Schweizer Bildung». Sie antworten dort auf die wichtigsten Fragen, die Sie nach Ihrem ersten Buch «Matura für alle» erreicht haben. Weshalb bewegt Sie die Chancengleichheit in der Bildung so stark?Ich finde es unfair, wenn man nicht allen Schülerinnen und Schülern die Chance gibt, sich so zu entwickeln, dass sie den Beruf ausüben können, den sie wollen. Ich glaube an die Jugendlichen, wir müssen sie besser fördern. Kompetenzen entstehen, indem man sie bildet.

Das Buch: «Neue Schweizer Bildung», Andreas Pfister, hep Verlag AG, ISBN 978-3-0355-2010-1, 38 Franken.

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