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Wegen Willkür – Bundesgericht hebt Obwaldner Urteil auf

Die Ehe einer Frau aus dem Kosovo wurde vom Kantonsgericht als Zwangsheirat beurteilt. Sie hätte die Schweiz verlassen müssen. Nun muss der Kanton Obwalden ihre Aufenthaltsbewilligung doch verlängern, das Bundesgericht hiess ihre Beschwerde gut.
Das Bundesgericht hat über eine Aufenthaltsbewilligung nach einer Zwangsehe befunden. (Symbolbild: Manuela Jans)

Diese Ehe war offensichtlich nicht zur Dauerhaftigkeit bestimmt. Eine kosovarische Staatsangehörige (Jahrgang 1995) reiste im Februar 2014 in die Schweiz ein und heiratete knapp einen Monat später in Sarnen einen Schweizer Bürger mit kosovarischen Wurzeln. Daraufhin erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Doch nur wenige Monate später, im November 2014, verliess die Frau den ehelichen Haushalt bereits wieder und reiste in den Kosovo. Schon kurz darauf kehrte sie zu Verwandten in die Schweiz zurück.

Auf ihre Klage hin, erklärte das Kantonsgericht Obwalden im März 2015 die Ehe wegen Zwangsheirat für ungültig. Der Entscheid wurde nicht angefochten und war damit rechtskräftig. Die gegen den Vater der Frau, ihren Ex-Ehemann und dessen Mutter eingeleiteten Strafverfahren wurden mittlerweile an den Kosovo abgetreten, eingestellt oder sind noch sistiert.

Das Amt für Arbeit (Abteilung Migration) des Kantons Obwalden verfügte dann im Mai 2015, dass die Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert werde und setzte der Frau eine Frist zur Ausreise. Sowohl der Regierungsrat wie später auch das Verwaltungsgericht bestätigten den Entscheid und wiesen die Beschwerden dagegen ab.

Im August 2017 erhob die Frau schliesslich beim Bundesgericht Beschwerde und beantragte, den Entscheid des Obwaldner Verwaltungsgerichts aufzuheben. Es sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen und die Verfahrenskosten seien vom Staat zu tragen, zudem beantragte sie unentgeltliche Rechtspflege.

Zwangsehe ist ein wichtiger Grund, im Land zu bleiben

Das Bundesgericht hat der Frau nun Recht gegeben und das Obwaldner Verwaltungsgericht zurückgepfiffen. In seinem Entscheid vom 29. Mai 2018 wurde die Abteilung Migration im Amt für Arbeit angewiesen, die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern. Der Kanton Obwalden muss ihr für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von 2600 Franken ausrichten, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit gegenstandslos.

Die Beschwerdeführerin hatte vor Bundesgericht geltend gemacht, es würden nach der Ungültigkeitserklärung der Ehe durch das Kantonsgericht wichtige persönliche Gründe für einen weiteren Verbleib in der Schweiz vorliegen. Das Bundesgericht bestätigt denn auch, dass solche wichtigen Gründe namentlich dann bestünden, wenn eine Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen worden ist. Welche Beweismittel für eine Zwangsheirat ins Recht zu legen seien und welches Beweismass zur Anwendung gelange, sei nicht geregelt, schreibt das Bundesgericht in seinen Erwägungen weiter.

Der Fall könne aber mit dem Tatbestand der häuslichen Gewalt verglichen werden. Es werde für das Vorliegen nicht ein voller Beweis oder eine strafrechtliche Verurteilung verlangt. Der Nachweis sei geleistet, wenn die ausländische Person die häusliche Gewalt in geeigneter Weise glaubhaft mache. Diese Beweiswürdigung beruhe, wie das Obwaldner Verwaltungsgericht zutreffend erwogen habe, praxisgemäss auf einer Gesamtbetrachtung sämtlicher relevanter Elemente.

Obwaldner Urteil läuft Gesetzeszweck zuwider

Das Bundesgericht kommt aber zum Schluss, das Verwaltungsgericht habe die Zwangsehe als ein Element unter vielen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt und die eigene Würdigung von Videos der Verlobungsfeier und der Hochzeit viel stärker gewichtet. Damit sei es nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis in Willkür verfallen. Diese Vorgehensweise führe dazu, «dass die Ehe der Beschwerdeführerin zivilrechtlich wegen Zwangsheirat gestützt als ungültig anzusehen ist, ausländerrechtlich jedoch von einer einvernehmlich geschlossenen Ehe auszugehen wäre», schreibt das Bundesgericht.

Weil Opfer von Zwangsheiraten in der Schweiz durch die Ausarbeitung eines umfassenden strafrechtlichen, zivilrechtlichen und ausländerrechtlichen Konzepts wirksam unterstützt würden, laufe die Beweiswürdigung des Obwaldner Verwaltungsgerichts dem Gesetzeszweck diametral zuwider, weshalb diese auch im Ergebnis unhaltbar sei. Das vom Bundesgericht erwähnte Konzept reicht von entsprechenden Gesetzesanpassungen, Strafbestimmungen bis zu Präventionsmassnahmen.

Urteil 2C_671/2017.

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