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Uri

Wassen: Gemeindepräsident Felix Ziegler will das «innere Feuer» entfachen

Felix Ziegler engagiert sich bereits zum zweiten Mal im Gemeinderat Wassen, diesmal als Präsident. Der im Meiental wohnhafte schulische Heilpädagoge setzt auf Selbsthilfe, hofft aber auch auf mehr Interesse des Kantons an den Bergregionen.
Felix Ziegler: «Wassen darf nicht einfach nur auf den Sawiris-Effekt hoffen.» (Bild: Urs Hanhart (Wassen, 15. Januar 2019))

Bruno Arnold

Felix Ziegler: Der Name tönt urnerisch, doch der Ostschweizer Dialekt ist unverkennbar. Also ein «Lachoniger», wie die Urner eine Person bezeichnen, die man geholt hat? «Nein», blockt Ziegler ab. «Ich bin selber gekommen – und geblieben.» Mit 20 Jahren war er im Tessin «z’ Alp». Danach stand für ihn fest:

«Ich will einmal im Berggebiet mit kleinen und überschaubaren Verhältnissen Schule geben, an einem Ort, an dem nicht alles als selbstverständlich gilt.»

Als Berggebiet kann man Bauen am Urnersee, wo Ziegler 1992 seine erste Stelle als Primarlehrer antrat, zwar nicht bezeichnen. «Aber immerhin war ich inmitten der Berge», sagt er. Ziegler unterrichtete dort die Schüler der 4. bis 6. Klasse. Damit kam er seinem grossen Traum, einmal eine Gesamtschule zu leiten, bereits recht nahe. 1997 erfüllte sich der Traum dann vollends – mit der Anstellung als Lehrer an der Gesamtschule Meien.

«Schon auf der Anfahrt zum Bewerbungsgespräch habe ich gespürt: Hier würde es mir passen», erinnert sich Ziegler noch heute an das damalige Kribbeln im Bauch. «Ich liebe es, selbstständig zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und klare Ziele zu verfolgen», so Ziegler. «Zu mir gehört aber auch das Wilde und Ungezügelte, das Freiraum und Weite braucht, um auch unkonventionelle Ideen und Fantasien auszuleben», so Ziegler. Im Meiental habe er diesen Platz erhalten, ohne – wie im Unterland – gleich in Nachbars Garten zu geraten.

«Traumhaftes Umfeld» für die Kinder

Ziegler konnte seinen Berufstraum nur drei Jahre lang leben. 2000 wurde die Gesamtschule Meien geschlossen. Doch er blieb im Tal. Die Natur und vor allem die Möglichkeit, seinen Kindern ein «traumhaftes Umfeld zum Sich-Entfalten und zu einem unbeschwerten Aufwachsen mit einem genügend grossen Freizeitangebot» zu bieten, das alles habe ihn in Meien gehalten – trotz bedeutend längerer Wege zu seinen neuen Arbeitsorten in und ausserhalb des Kantons. «Auch das Leben in einem Berggebiet kann den Horizont öffnen. Nach oben», meint er mit einem herzhaften Lachen.

«Die Sterne anschauen, die Ruhe geniessen, bei einem Spaziergang fernab des dröhnenden Verkehrslärms Gedanken ordnen, neue Kraft und Energie auftanken: Was will man mehr?»

Dass er als Thurgauer im Urnerland hängen geblieben sei, habe aber nicht nur damit, sondern vor allem mit der herzlichen Aufnahme durch die Einheimischen zu tun gehabt. «Ich habe die meisten Urner nicht als engstirnige Leute erlebt, als die man sie da und dort fälschlicherweise charakterisiert», betont der bald 51-Jährige, der im Raum Winterthur aufgewachsen ist. «Wenn man auf ihre Anliegen eingeht und einmal ihr Vertrauen gewonnen hat, dann erlebt man sie oft als sehr offene, herzliche und innovative Leute mit einem äusserst träfen Humor und der Fähigkeit, scheinbar komplizierteste Dinge ganz einfach auf den Punkt zu bringen.»

Veränderte Wahrnehmungen und Positionen

Politisch engagiert hat sich Ziegler im Kanton Uri schon früh. Da und dort wird ihm noch heute das Etikett eines «Linken» verpasst. «Ich habe mich vor Jahren aktiv für die Alpeninitiative engagiert», sagt er. «Doch inzwischen haben sich nicht nur meine politischen Schwerpunkte, sondern vor allem auch meine persönlichen Wahrnehmungen und Positionen verändert. Das war ein schleichender Prozess über mehr als 20 Jahre.» Heute engagiere er sich vor allem für Anliegen der Berggebiete. «Das Wichtigste, das wir unseren Kindern mitgeben können ins Leben, ist eine fundierte Ausbildung. Zentral ist für mich auch, dass unser Staat gut funktioniert und solide aufgebaut ist. Jeder Mensch soll ohne ein Übermass an Vorschriften die Chance haben, dem nachzugehen, was ihm wichtig ist», betont der parteilose Gemeindepräsident.

Ziegler war schon von 2010 bis 2014 im Wassner Gemeinderat. Im Herbst 2018 hat er sich erneut zur Verfügung gestellt. Für ihn galt der Amtszwang nicht mehr, er tat dies freiwillig, was in kleinen Urner Gemeinden äusserst selten ist. Er wurde kurz vor dem ersten Wahlgang per Flugblatt ins Spiel gebracht – gegen den an der Gemeindeversammlung offiziell als Präsident portierten Markus Baumann. Ziegler betont: «Ich bin nicht angetreten, um Markus Baumann zu verhindern, sondern um den Wassnern eine Alternative respektive eine echte Wahl zu ermöglichen.»

Wassen befand sich im vergangenen Herbst effektiv in einer äusserst schwierigen Situation. Da sich nicht genügend Gemeinderäte zur Verfügung gestellt hatten, drohte im Extremfall sogar eine Zwangsverwaltung durch den Kanton. «Nicht mehr selbstständig und nicht mehr handlungsfähig zu sein, dieses drohende Szenario wollte ich unbedingt verhindern», nennt Ziegler den wichtigsten Grund für seine erneute Bereitschaft, im Gemeinderat mitzuwirken. Ziegler wurde im zweiten Wahlgang deutlich gewählt.

«Situation hat sich wieder beruhigt»

Vor gut vier Wochen hat er seine Tätigkeit in der kommunalen Exekutive aufgenommen, zusammen mit einem bisherigen sowie mit drei neuen Gemeinderäten. «Die Situation hat sich wieder beruhigt», glaubt Ziegler. Möglich sei dies nur, wenn man die Sache in den Vordergrund stelle respektive, wenn man Person und Sache strikt trenne. «Ich versuche für möglichst zielorientierte Diskussionen, pragmatische Lösungen und vor allem für einen fairen und respektvollen Umgang miteinander zu sorgen, gerade auch Andersdenkenden gegenüber», verrät er die Zusammensetzung seines «Beruhigungsmittels», das offensichtlich gewirkt hat. Gegenseitiges Vertrauen, Kompromissbereitschaft und das Befolgen des Kollegialitätsprinzips sind weitere Komponenten, aus denen sich Zieglers Erfolgsrezept zusammensetzt.

Was auf beruflicher Ebene ein Traum war – der Zusammenschluss von sechs Klassen zu einer Gesamtschule – das möchte Ziegler in Bezug auf Wassen und das Urner Oberland überlegt angehen. «Eine möglichst schnelle Fusion von Wassen, Göschenen und Gurtnellen wäre eine etwas mutlose planerische Antwort auf Symptome», erklärt er. «Damit würden nur die Räume grösser, die Probleme aber nicht gelöst.» Er sei immer noch am Überlegen, ob es andere gute Lösungen für die künftigen Generationen geben könne. Wassen dürfe auch nicht einfach auf den Sawiris-Effekt respektive auf die positive Tourismusentwicklung im Urserntal und auf möglicherweise damit anfallende Brosamen hoffen.

«Wir haben nur eine Chance, unsere Selbstständigkeit zu bewahren, wenn es uns gelingt, die Bevölkerungszahl zumindest zu stabilisieren, indem wir ein inneres Feuer entfachen.»

«Dieses Feuer entzünden wir nicht in erster Linie mit einem tieferen Steuersatz, sondern damit, dass wir das Leben in Wassen so gestalten, dass es attraktiv bleibt und anziehend wirkt, in unserer Gemeinde zu wohnen.» Und das Rezept hiezu? «Es braucht aktive Vereine, Angebote für Jugendliche, aber auch die wichtigsten Infrastrukturen wie Schule, Dorfladen, Post und Bank. Ich würde mir diesbezüglich wünschen, dass die Regierung klarer zum Ausdruck bringt, dass sie sich auch für die Perspektiven der Berggemeinden interessiert. Denn ab und zu fühlen wir uns schon etwas allein gelassen. So als gäbe es nur Altdorf und Andermatt.»

Die «Urner Zeitung» stellt in loser Folge die neuen Urner Gemeindepräsidenten vor. Bereits erschienen sind die Porträts von Renata Graf, Hospental (5. Januar), Toni Stadelmann, Seedorf (9. Januar), Bruno Gamma, Schattdorf (12. Januar), Iwan Imholz, Unterschächen (17. Januar), Remo Baumann, Flüelen (19. Januar), und Luzia Gisler, Bürglen (23. Januar).

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