Von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit: Corinne Odermatt im Nidwaldner Museum

Das Dilemma zwischen Sehnsucht und Zugehörigkeit, Imagination und Realität begleitet die Künstlerin Corinne Odermatt in ihrem künstlerischen Schaffen. Sie begegnet dem unauflöslichen Widerspruch, indem sie eigene Welten, Geborgenheitsräume und Narrative erschafft. Mit der raumgreifenden Arbeit «Longing to Belong» im Nidwaldner Museum thematisiere sie die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und den gesellschaftlichen Umgang mit Identitätsfragen – auch und gerade in einer konflikthaften, globalisierten Welt, heisst es in einer Mitteilung.

Auf spielerische Weise lädt sie Besucherinnen und Besucher ein, sich mit Herkunft, Gemeinschaft und Identität zu beschäftigen. Das Zentrum der Installation bilden dreizehn Flaggen, die für imaginäre Länder stehen. Erdacht wurden die Länder vom Autor und Musiker Claudio Landolt, mit dem Corinne Odermatt für die Ausstellung eine Zusammenarbeit eingegangen ist. Ausgehend von seinen «Imaginationen» hat die Künstlerin die Flaggen gestaltet. Diese wiederum dienten Claudio Landolt als Inspiration für die Komposition der Landeshymnen. Die Reise durch imaginäre Länder würde dazu anregen, über den Zufall nachzudenken, in einem bestimmten Land geboren zu sein – ein gutes oder schlechtes Los gezogen zu haben. Sie werfen die Frage auf, was (nationale) Gemeinschaften zusammenhält, und fordern auf, sich über den fortlaufenden Prozess der Verbindungen und Trennungen von Gemeinschaften Gedanken zu machen. Die Reise durch Corinne Odermatts Länder stellt die Imagination ins Zentrum, die Vorstellungskraft als unverzichtbare Grundlage der Weltgestaltung.

Poesie der Imagination und der Langsamkeit

Im historischen Winkelriedhaus sind weitere Arbeiten der Künstlerin zu sehen. So begegnet den Besucherinnen und Besuchern die Doppelprojektion eines Video-Sound-Loops. Die Autorin Martina Clavadetscher hat für die Arbeit «IMAGI NATION» eine utopische Hymne geschrieben, die in einer vermeintlich fremden Sprache ertönt. «IMAGI NATION» bezieht die Schattenseiten ein – das Abgrenzen und Ausschliessen als Preis für die Zugehörigkeit – und betont gleichzeitig die Kraft der Imagination, die Gemeinschaft und Vielfalt erst möglich macht. Das «Tagebuch der Langsamkeit» ist ein poetischer Appell an die Langsamkeit im Trubel des Weltgeschehens. Fünfzig mit Blüten und Pflanzen eingefärbte Seidentücher dokumentieren die Spaziergänge und Wanderungen, die Corinne Odermatt während des Werkjahrs unternommen hat.

Ausstellung zum Werkjahr der Frey-Näpflin-Stiftung

Corinne Odermatt wurde das Werkjahr 2022 der Frey-Näpflin-Stiftung zugesprochen, das die persönliche Förderung von Zentralschweizer Künstlerinnen und Künstlern zum Ziel hat. Das Werkjahr ist mit einer Ausstellung im Nidwaldner Museum und mit einer Publikation verbunden. Die Künstlerin arbeitet seit vielen Jahren mit textilen Materialien und untersucht das Spannungsfeld zwischen dem Alltäglichen und dem Symbolischen. Textilien sind vertraute Werkstoffe aus dem Alltag, als Flaggen und Fahnen aber gleichzeitig wirkmächtige Symbolträger von Gemeinschaften, Ideologien und Emotionen.

Die 38-jährige Corinne Odermatt ist in Stans aufgewachsen, lebt in Luzern und arbeitet in Kriens. Sie studierte an der Fachklasse Grafik/BMS (2001–2005) in Luzern und ist seither als freischaffende Künstlerin und Gestalterin tätig. Ihre Arbeiten und Projekte waren in Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Während Auslandsaufenthalten arbeitete sie in New York, Berlin, São Paulo und in St. Louis, Senegal.

Publikation über aktuelles und bisheriges Schaffen

Zur Ausstellung erscheint im Verlag edition clandestin die Publikation «Corinne Odermatt. Longing to Belong». Diese bildet die Ausstellung, die während des Werkjahrs entstandenen Arbeiten sowie das bisherige Schaffen der Künstlerin seit 2008 ab. Die Publikation ist ab Mitte Dezember 2023 im Museumsshop und im Buchhandel erhältlich. (zvg)