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Uri

Urner Tourismusdirektor rechnet nochmals mit einem Coronasommer

Maurus Stöckli hat bald drei Jahre Erfahrung als Geschäftsführer von Uri Tourismus. Er spricht über Chancen und Mankos, an denen Uri arbeiten sollte.
Maurus Stöckli, Geschäftsführer von Uri Tourismus. (Bild: Florian Arnold / Urner Zeitung)

Florian Arnold

Maurus Stöckli, ist Uri überhaupt ein Tourismuskanton?Absolut, in bester Ausprägung. Vom Ländlichen, Kleinen, Feinen bis zum High-End-Produkt in Andermatt gibt es alles. Morgens Skifahren und nachmittags Surfen – wo gibt es das schon auf so kleinem Raum? Uri bietet so eine grosse Bandbreite, vom Topwintersport bis zum Wassermekka, vom Alp-Beizli bis zum «Gault-Millau»-Restaurant. Sie schwärmen wie vom Paradies, aber irgendwie scheint Uri damit nicht recht reich zu werden.In Andermatt muss man nicht darüber diskutieren, ob man Geld mit Tourismus verdient. Er ist der Lebensnerv des Urserntals. Und allen ist klar, dass man auch etwas dafür machen muss. Beim Kleinen und Feinen im Unterland ist der Tourismus oft eher ein Nebenprodukt, ein Hobby eines engagierten Bauern oder einer Surflehrerin. Aber wenn man daneben einen Hauptberuf hat, ist die Verfügbarkeit nicht immer gegeben. Bei 18 Franken für eine Übernachtung auf dem Camping-Stellplatz wird man als Anbieter weder reich noch ernährt man damit eine Familie. Es ist aber ein Puzzleteil, damit der Tourismus Wertschöpfung bringt. Nicht nur das Urserntal, sondern der ganze Kanton profitiert vom Tourismus. Und daneben führt er dazu, dass eine attraktive Grundinfrastruktur angeboten werden kann, Wanderwege in Stand gesetzt sind und auch Seitentäler gut erschlossen sind. Zudem sorgt er für Selbstwertgefühl, die Urner sind stolz auf ihren Kanton.Sie sind seit fast drei Jahren stolzer Tourismusdirektor. Haben Sie sich an Uri manchmal die Zähne ausgebissen?Nein. Meine Geschichte in Uri ist hoffentlich noch lange nicht fertiggeschrieben. Die Arbeit macht mir unglaublich Freude. Jede Woche lerne ich neue spannende Leute kennen, die mein Bild stärken. Ich bin nicht jemand, der etwas verwalten will, das schon super läuft. Man hat noch Rohmasse und Diskussionspunkte. Im Besonderen, da die Vorstellungen über den Urner Tourismus und die damit verbundenen Erwartungen nicht immer deckungsgleich sind. Diese Unschärfe kann aber auch Chancen bieten, sich nicht immer starr in einem engen Korsett bewegen zu müssen. Die Diskussionen muss man führen. Klar gibt es manchmal Rückschläge, aber das Glas ist immer halb voll.Sie dürften aber bemerkt haben, was nicht gut läuft. Wo hapert es zurzeit in Uri am meisten?Die Digitalisierung ist seit etlichen Jahren ein Thema. Wir sind noch nirgends. Die Zahl an Produkten, die online buchbar sind, ist sehr gering. Alle wissen, dass das matchentscheidend wäre, aber Uri ist einfach anders. Digitalisierung bedeutet eben in einem Schritt buchen, bezahlen und bestätigen. Aber wenn jemand, der eine Ferienwohnung vermietet, auf der Baustelle arbeitet, kann er die Buchung nicht sofort bestätigen. Wenn wir nicht so rasch digital werden, dann gehört das eben zu Uri dazu. Es gibt Leute, die «Digital Detox» suchen, also den Abstand vom digitalen Stress. Es bringt nichts, wenn Uri Tourismus einen 100-Meter-Sprint hinlegt und unsere Partner nach 50 Metern nicht mehr mitkommen. Wir gehen besser 75 Meter miteinander in gemächlicherem Tempo.Trotzdem möchten Sie lieber den 100-Meter-Sprint.Wenn es nicht so wäre, würde ich meinen Job nicht richtig machen. Ich strebe immer das Maximum an, damit wir über das Minimum hinauskommen. Es wird immer limitierende Faktoren geben. Wichtig ist, dass wir ein sauberes Zielbild entwickeln. Wir müssen definieren, was wir wollen und vor allem auch was nicht. Und damit meine ich den ganzen Kanton und nicht, was Uri Tourismus will. Wollen wir eher ein qualitatives Wachstum oder ein quantitatives? Welche Themen stellen wir in der Fokus? Ist Nachhaltigkeit ein Kernthema? Wenn ja, was machen als Kanton dafür?Das heisst, heute wissen wir gar nicht, was wir wollen?Aus Sicht der Volkswirtschaftsdirektion ist der Auftrag klar: Wir machen eine Strategie fürs Unterland und Andermatt Urserntal Tourismus fürs Urserntal. Ich wünschte mir aber, als Gesamtkanton eine Strategie zu haben, die wir dann individuell herunterbrechen und umzusetzen. Wo liegt heute das grösste Potenzial brach?In der intelligenten Wertschöpfung. Dafür sorgen, dass die Gäste vor Ort auch Geld ausgeben können und sie dies auch mit «Freude» tun, denn Qualität darf ihren Preis haben. Man muss den Mut haben, seine Leistung zu einem gewissen Preis zu verkaufen. Ein Topalpkäse darf 28 Franken pro Kilo kosten. Und warum müssen Parkplätze bei den Bergbahnen gratis sein? Hier könnte man doch aus einem Parkschein auch einen Konsumationgutschein für die Bergbeizli machen. Schon lange gibt es die Idee, einen Seilbahnpass zu machen, mit dem man überall fahren kann. Das sei eine Lebensaufgabe, hat man mir gesagt. Aber man muss den Mut haben, das auszuprobieren, beispielsweise mit einer 100-Franken-Wertkarte, die man abknipsen kann. Die Geschichte von 39 Seilbahnen bezahlbar mit einer Karte würde ziehen. Was wir brauchen, sind Entscheide. Ich kann gut auch mit einem Nein umgehen, mit dem Zwischendrin tue ich mich schwer. Auch Kritik ist in Ordnung, wir knicken nicht gleich beim ersten Föhn um, denn wir sind nicht zum Selbstzweck hier. Wir helfen den Anbietern. Und was ich mit Bestimmtheit weiss: Ein gutes Angebot setzt sich am Markt durch.Im Coronajahr sind Angebote wie das Tempcamp entstanden. Nehmen Sie weitere positive Aspekte aus dem Krisenjahr mit?Ich habe einmal mehr die kurzen Wege in Uri schätzen gelernt. Man kennt sich und manchmal muss einfach der Richtige nachfragen. Im Coronasommer haben viele gesagt, dass wir etwas machen müssen. Man steht zusammen, wenn man unter Druck ist. So entwickelt man unglaublich schnell eine positive Dynamik. Man hat gute Ideen und gibt so schnell wie möglich grünes Licht. Bei Tempcamp gab es unterschiedliche Ansätze in Unterschächen oder an der Isleten, die aber beide zu einem stimmigen Angebot führten. Man war flexibel, ist rasch zusammengekommen und hat sich gut aufgestellt. Es war spannend, wie viele Leute Uri im Coronajahr entdeckt haben.Wie geht es nun nach der Krise weiter?Wir gehen davon aus, dass der nächste Sommer nochmals ein Coronasommer wird. Die Schweizer haben die Schweiz wieder entdeckt, sie werden sich ihre Destinationen noch genauer aussuchen. Unser Wunsch ist es, Tempcamp wieder anzubieten. Daneben sind wir daran, unsere bestehenden Produkte aufzupolieren: Den Alpbeizli-Pass, Tatort Tell, Wo ist Walterli?, auch den Weg der Schweiz möchten wir wieder herausputzen. Die wenigsten Leute kommen für sieben Tage Ferien nach Uri, auch wenn wir locker ein siebentägiges Programm zusammenstellen könnten. Für uns ist es ein Erfolg, wenn wir die durchschnittliche Verweildauer im Urner Unterland ein bisschen steigern können, von 1,5 zum Beispiel auf 2 Tage. Unser Fokus liegt auf dem Markt der deutschsprachigen Schweiz.Auch Westschweizer und Tessiner hätten Interesse. Lässt man diese Chance einfach fallen?Das wären spannende Märkte, dank des neuen Kantonsbahnhofs Altdorf ganz besonders das Tessin. Aber man kann nicht die Leute hierherbitten, wenn wir das Angebot nicht haben. Den Alpbeizli-Pass kann man problemlos auf Italienisch übersetzen. Aber ich kann von unseren Partnern nicht verlangen, dass sie die Gäste im Alpbeizli auf Italienisch bedienen.Das heisst, man verzichtet auch auf den Auslandmarkt?Klar empfangen wir gerne auch internationale Gäste, aber wir richten uns nicht prioritär darauf aus. Wir können und wollen als Uri Tourismus aufgrund unserer finanziellen Ressourcen nicht aktiv im Ausland werben. Eine Ausnahme ist Seelisberg, das sich im holländischen und belgischen Raum stark engagiert. Es ist aber für das Tourismusland Schweiz sehr zu hoffen, dass der internationale Markt wieder anzieht. Wir hoffen vor allem, dass das Geschäft mit Gruppengästen wieder zurückkommt. 2019 hatten wir 14'000 Gruppengäste, momentan halten sich die Leute aber zurück, in Gruppen etwas zu planen und unternehmen. Zudem müssten wir noch mehr von der Nord-Süd-Achse profitieren können. Wenn wir nur ein Promille der Durchreisenden zu einem Aufenthalt in Uri bewegen könnten, wäre das ein riesiger Erfolg.Worauf sind Sie am meisten stolz, seit Sie Tourismusdirektor sind?Das Team so aufgestellt zu haben, dass es meine Philosophie mitträgt. Dass man den Mut hat, Neues auszuprobieren und in den Wind zu stehen. Und das andere sind natürlich Projekte wie die Wiege der Schweiz, Tempcamp, unsere Gast-und-Geber-Kampagne oder die neuen Strukturen für unser Partnermanagement.Und was ging schief?Der Ansatz, das Partnermanagement zu vereinfachen und vergünstigen und so mehr Betriebe für die Zusammenarbeit mit uns zu begeistern. Dass dies nicht wie gewünscht gefruchtet hat, war frustrierend. In uns darf noch mehr Wertigkeit gesehen werden. Daneben gibt es ein Dutzend Dinge, die mich genervt haben. Die kantonsübergreifende Zusammenarbeit etwa mit der Ferienregion Klewenalp oder im Projekt «Wiege der Schweiz» ist der richtige Weg, aber die föderalistischen Strukturen mit den unterschiedlichen Gesetzen und Rahmenbedingungen, das kostet immer wieder Energie. Wir möchten weiterkommen, ohne uns um solche Strukturen zu kümmern. Wir wollen dem Gast ein Erlebnis bieten beziehungsweise einen durchgehenden Erlebnisraum ohne Kantonsgrenzen.Ihr Wunsch für Uri Tourismus?Dass wir es gemeinsam mit den Leistungsträgern schaffen, die Ressourcen und Stärken des Kantons Uri noch optimaler zur Geltung zu bringen. Und dies auch mit der richtigen und passenden Organisationsform, die das am besten ermöglicht und die grösste Wirkung erzielt. Im Zentrum unserer Arbeit müssen der Gast und die Erfüllung seiner Erwartungen und Wünsche stehen und weniger die Frage nach Strukturen und Rahmenbedingungen.
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