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Uri

Obergericht Uri: Eine durchzechte Nacht gibt Rätsel auf

Ein Paar behauptet, ein Mann hätte in einer Novembernacht 2010 die Tür zu ihrer Wohnung aufgebrochen und sie mit Schraubenzieher und Waffe in Angst und Schrecken versetzt. Der Beschuldigte will sich an nichts mehr erinnern können.
Schon zweimal wurde der Fall im Gerichtsgebäude in Altdorf verhandelt. (Bild: Archiv UZ) 

Carmen Epp

Was hat sich in der Nacht auf Sonntag, 28. November 2010, in einer Wohnung in Altdorf ereignet? Diese Frage beschäftigt seither die Urner Justiz.

Sachbeschädigung, versuchte Nötigung und Hausfriedensbruch

Ein Paar, das damals in der Wohnung lebte, brachte der Kantonspolizei Uri folgenden Sachverhalt zur Anzeige: Ein Mann hätte in jener Nacht zusammen mit einem Kollegen die Tür zu ihrer Wohnung mit einem Schraubenzieher aufgebrochen. Trotz Gegenwehr des Paares sei es dem Mann gelungen, einen Fuss in die Wohnung zu setzen, woraufhin dieser mit dem Schraubenzieher herumgefuchtelt und eine Schusswaffe gegen den Bewohner der Wohnung gerichtet haben soll. Erst als dessen Kollege ihn mehrfach zum Gehen aufgefordert habe, sei der Mann wieder gegangen.

Ein Jahr später wurden beim selben Mann Platzpatronen und eine Schiessauszeichnung gefunden. Zudem geriet er im November 2013 mit Kokain im Blut in eine Verkehrskontrolle. Für alle diese Taten musste sich der Beschuldigte im Februar 2015 vor dem Landgerichtsvizepräsidium Uri verantworten.

Die Staatsanwaltschaft beantragte, ihn wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, versuchter Nötigung, Tragens einer Waffe an öffentlich zugänglichem Ort, unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition sowie Führens eines Motorfahrzeuges in fahrunfähigem Zustand und mehrfachem Konsums von Betäubungsmitteln schuldig zu sprechen und forderte dafür eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 120 Franken und eine Busse von 3000 Franken.

Verurteilt in sechs von sieben Punkten

Der Beschuldigte gab die unerlaubte Fahrt unter Kokaineinfluss zu. Der Verteidiger hielt dafür eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 20 Franken sowie eine Busse von 750 Franken für angemessen. Mit dem Vorfall in der Wohnung will der Beschuldigte aber nichts zu tun haben, weshalb sein Anwalt in diesen Punkten einen Freispruch forderte.

Das Landgericht schliesslich sprach den Beschuldigten in sechs der sieben Punkte schuldig. Einzig vom Vorwurf des Tragens einer Waffe an öffentlich zugänglichem Ort sprach ihn das Gericht frei. Wegen der anderen Taten verurteilte es den Mann zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen ä 100 Franken sowie zu einer Busse von 2250 Franken. Ausserdem müsse der Beschuldigte dem Paar Schadenersatz zahlen und ein Grossteil der Verfahrenskosten von 5787 Franken übernehmen.

Beschuldigter macht Filmriss geltend

Der Beschuldigte legte gegen das Urteil Berufung, die Staatsanwaltschaft sowie das Paar als Privatkläger Anschlussberufung ein. Sodass der Fall gestern Mittwoch, 26. September, vor dem Obergericht verhandelt wurde. Neue Erkenntnisse kamen an der Berufungsverhandlung nicht zu Tage. Der Bewohner der Wohnung, der im Verfahren als Privatkläger auftritt, schilderte in einer Befragung erneut, was sich in jener Nacht zugetragen haben soll.

Und auch der Beschuldigte blieb bei seiner Version: Er erinnere sich, in jener Nacht in einer Bar ziemlich viel getrunken zu haben und am Morgen zu Hause gewesen zu sein. Dass er in der Zwischenzeit in die Wohnung des Paares eingedrungen sein soll, daran könne er sich nicht erinnern. Wenn das Paar und sein damaliger Begleiter etwas anderes behaupten, sei das eine Lüge. «Vielleicht hat jemand sie auf die Idee gebracht, diese Geschichte zu erfinden?», mutmasste der Beschuldigte.

Auch sein Verteidiger kann sich die Sache nur mit einem Komplott gegen seinen Mandanten erklären. Die Aussagen des Paares und auch des angeblichen Begleiters seines Mandanten seien nebulös und widersprüchlich. Und selbst wenn sein Mandant in jener Nacht in der Wohnung gewesen sein sollte, so sei er doch aufgrund seines hohen Alkoholkonsums als schuldunfähig zu beurteilen. Auf jeden Fall sei verständlich, dass er sich nach anderthalb Flaschen Wodka nicht mehr erinnern könne, so der Verteidiger. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass Alkohol die Erinnerung trüben kann.»

Staatsanwältin: eine «reine Schutzbehauptung»

Die Staatsanwältin schenkt der Version des Beschuldigten keinen Glauben. «Dass er sich nicht mehr erinnern kann, ist als reine Schutzbehauptung zu werten.» Der Beschuldigte könne kaum so betrunken gewesen sein, schliesslich sei er ja noch in der Lage gewesen, zur Wohnung des Geschädigten zu laufen und dort mit einem Schraubenzieher zu hantieren. Die Staatsanwältin beantragt deshalb, die Berufung abzuweisen und den Beschuldigten zusätzlich wegen Tragens einer Waffe an öffentlich zugänglichem Ort zu verurteilen und ihm für alle Straftaten eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 100 Franken sowie eine Busse von 2750 Franken aufzuerlegen.

Das Urteil wird den Parteien in den nächsten Tagen schriftlich im Dispositiv zugestellt.

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