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Kolumnist Christof Hirtler über den globalisierten Onlinehandel, der nicht nur das «Milchchesseli» von damals ersetzt hat.
Christof Hirtler aus Altdorf ist Fotograf und Autor sowie Kolumnist der Urner Zeitung. (Bild: PD)

Christof Hirtler

Meine Grossmutter in Luzern besass ein Mehrfamilienhaus. Wenn ich bei ihr in den Ferien war, kam auch der Milchmann vorbei. Im Milchkasten lag die Bestellung, eingetragen im Milchbüchlein: 2 Liter Milch und das Geld. Der Milchmann füllte das «Milchchesseli» mit Rohmilch und legte das Rückgeld dazu.

Moderne Häuser haben keine Milchkästen, sondern Paketboxen. 2018 bestellten Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz online Waren im Wert von 9,5 Milliarden Franken. Dank Computer und Natel haben sie jederzeit Zugriff auf Milliarden Produkte weltweit und bestellen dort, wo die Produkte am billigsten sind. Elektronik, Haushaltgeräte, Kleider und Schuhe stehen an erster Stelle. Woher die Waren kommen, scheint die wenigsten zu kümmern. 2018 wurden 23 Millionen Kleinpakete aus China in die Schweiz verschickt.

1989 fiel die Berliner Mauer – es war der Anfang vom Ende des Kommunismus in Europa. Westliche Firmen handelten vermehrt global und konzentrierten sich auf neue Märkte, dort wo die Produktion am billigsten war, zum Beispiel im Osten Europas oder in China. Das Wachstum von Chinas Wirtschaft hat viel mit einer Idee zu tun: Hersteller ohne Marken wie Foxconn in Zhengzhou fertigen Produkte für Markenunternehmen ohne Fabriken. Die Hälfte aller Elektronikprodukte der Welt werden heute von Foxconn hergestellt. Der weltweit grösste Arbeitgeber beschäftigt 1,3 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter, zum Teil unter straflagerähnlichen Bedingungen. «Wer während der Arbeit spricht, erhält einen schriftlichen Verweis. Sicherheitskräfte halten die Ordnung in den Hallen aufrecht und scheuen nicht davor zurück, die Arbeiter zu schlagen, wenn sie es für nötig halten», schrieb der NZZ-Folio-Redaktor Florian Leu 2016.

China entwickelte sich innerhalb von nur 30 Jahren zur zweitgrössten Industrienation der Welt. Der chinesische Staatskonzern Cosco Shipping betreibt eine der grössten Handelsflotten der Welt. Weltweit sammelt der chinesische Staatskonzern Häfen, auch in Europa: zum Beispiel Piräus (Griechenland), Valencia und Bilbao (Spanien), Vado (Italien) oder Seebrügge (Belgien). Bereits seit 2008 rollen Züge aus den chinesischen Industriezentren nach Deutschland, Österreich, Belgien oder Frankreich. Die Investitionen in Eisenbahnlinien und Häfen weltweit sind Teil des Projekts «neue Seidenstrasse». Für 900 Milliarden Dollar bauen chinesische Firmen Strassen, Eisenbahnlinien, Logistikcenter, Flughäfen, Energie- und Telekommunikationssysteme entlang der Land- und Meeresrouten in Asien, Afrika und Europa. Viele der beteiligten Länder haben sich bei den Chinesen schwer verschuldet und sind dadurch auch politisch abhängig geworden. Auch in EU-Staaten, in denen die Chinesen in den letzten Jahren Milliardenbeträge investiert haben, sind ähnliche Tendenzen auszumachen. So haben Portugal, Griechenland und Ungarn nicht von ungefähr eine Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in China durch die EU verhindert.

In Deutschland warnen die Sicherheitsexperten die Behörden, den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei am Aufbau des 5G-Netzes zu beteiligen. Durch sogenannte «Backdoors» könnte China Komponenten der Kommunikationstechnik auch für Spionagezwecke nützen.

Der globalisierte Onlinehandel belastet nicht nur das Weltklima, er verdrängt auch grosse Modehäuser und Non-Food-Händler und entleert die Innenstädte und Dörfer. Laut dem Marktforschungsinstitut GFK sind in den letzten sieben Jahren rund 6000 Verkaufstellen verschwunden. In den Jahrzehnten zuvor waren vor allem die Tante-Emma-Lebensmittelläden betroffen.

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