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Uri

Zur Befreiung von Sünden: Russen baden im eiskalten Urnersee

Im Januar steigen die orthodoxen Christen aus Russland jeweils ins eiskalte Wasser, um sich von ihren Sünden zu befreien.

Die einen legen bei einem Priester die Beichte ab. Andere spenden eine Menge Geld an einen guten Zweck. In Russland kennt man eine etwas rabiatere Methode, um seine Sünden loszuwerden. Am Fest «Kreschtschenie», zu Deutsch Dreikönigstag, der in Russland auf den 19. Januar fällt, steigen die reuigen orthodoxen Christen ins eiskalte Wasser, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen. Eine Gruppe Russen hat diesen Brauch in den Kanton Uri gebracht. Am Sonntag stiegen die Wagemutigen in den Urnersee, der magere 7 Grad Celsius mass – immerhin wärmer als die Luft.

«Wenn man am 19. Januar ins Wasser geht, bleibt man sicher das ganze Jahr gesund», sagt Natascha Koretski mit Überzeugung vor dem eisigen Bad. Angst habe sie keine, denn ihr Mann Sergei sei schliesslich dabei und könne sie retten. Für die Russin ist es das erste Mal, dass sie den Brauch in Uri ausübt – früher in der Heimat habe sie das öfters gemacht. «Es ist, als ob man ein neues Leben bekommt», sagt sie. «Ich habe viele Wünsche, die ich mit ins Wasser nehme. Es ist für mich ein ganz emotionaler Moment.»

Die Vorbereitung aufs Bad muss stimmen

Koretskis Mann Sergei hat etwas mehr Erfahrung: Selbst im vorigen Jahr, als der Urnersee 2 Grad warm war, liess er sich das Ritual nicht nehmen. «Man muss sich gut vorbereiten», sagt er. Vor dem Bad müsse man darauf achten, dass der Körper innen zwar warm sei, die Haut aber möglichst kühl bleibe, damit der Unterschied zur Wassertemperatur nicht allzu gross sei und so der Schock geringer ausfalle. So wärmen sich die «Sünder» mit einer kleinen Joggingrunde nur kurz auf, kippen ein kleines Gläschen Schnaps und los geht’s ins kühle Nass.

Der Brauch erinnert an die Taufe von Jesus Christus. In Russland segnen Priester an diesem Tag auch Wasserbehälter. Dem gesegneten Wasser werden spezielle Heilkräfte zugesprochen, weshalb damit auch sehr sorgsam umgegangen wird. Das geschöpfte Wasser wird oft bis zum nächsten Jahr aufbewahrt. In Russland sind am 19. Januar öfters auch Gewässer gefroren. Zum Fest werden dann kunstvolle Löcher in die vereisten Flüsse oder Seen gebohrt, etwa in Form eines orthodoxen Kreuzes. Dort steigen die Christen dann ins Wasser.

In den grossen Städten wie Moskau und St.Petersburg kann dies unter Beobachtung von Sicherheitskräften getan werden. Diese halten für die wagemutigen «Sünder» nach dem Bad heissen Tee und Kaffee bereit. Übrigens weist die Russisch-Orthodoxe Kirche explizit darauf hin, dass das Eisbad keine Pflicht darstelle. Das hält aber unzählige Gläubige nicht davon ab, dem Ritual nachzugehen. Dreimal tauchen die Teilnehmer jeweils unter Wasser und bekreuzigen sich nach dem Auftauchen.

Die Erleichterung ist Natascha Koretski nach dem Bad deutlich anzusehen. Innig umarmt sie ihren Mann, der sich wie sie in einen weissen Bademantel gepackt hat. «Nach dem Bad ist die Haut plötzlich feurig heiss», sagt sie. «Beim Hineingehen habe ich kaum etwas gemerkt, aber dann hat es mir fast den Atem genommen.» Im Wasser habe sie beinahe nicht an ihre Wünsche denken können. «Aber jetzt bin ich ein anderer Mensch.»

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