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Obwalden

«Ich meinti»: «Alles wird gut!» ... Denkste!

«Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett ...» sang Bill Ramsey 1962. Ob er wohl damals schon geahnt hat, dass ein halbes Jahrhundert später mehr als die Hälfte aller Fernsehzuschauer an jedem zweiten TV-Abend Mimis sein würden?
Romano Cuonz ist Schriftsteller und Journalist aus Sarnen. (Bild: Corinne Glanzmann)

Romano Cuonz

Das Fernsehen will jedenfalls nicht schuld daran sein, dass seine Zuschauer ihren Schlaf nicht mehr finden. Deshalb erfindet es Tatorte wie Sand am Meer: In Venedig und Istanbul wird ebenso munter gemordet, wie in Bozen, am Bodensee, auf Ost- und Nordseeinseln oder im düsteren Schwarz- und Spreewald. Ja sogar vor biederen Städten wie Luzern und Zürich machen mordlustige TV-Stars nicht mehr halt.

Manchmal wird die Leiche schon zum Auftakt serviert, manchmal lässt sie unzumutbar lange auf sich warten. Doch kaum ist der tödliche Schuss gefallen, der gezielte Messerstich erfolgt oder die Schlinge um den Hals des Opfers gelegt, wuselt auch schon die findige «SpuSi» am Tatort herum. In Schutzanzüge gehüllte Forensikerinnen oder Forensiker – zweifellos die geheimen Sympathieträger eines jeden Krimis – tasten die blutüberströmte Leiche ab. «Das ganze Programm», wie wir als Zuschauer vom Fach sagen. Natürlich kann vorerst niemand etwas Genaues sagen. Erst später, wenn die Fahnder-Crew im Büro vor der Pinnwand sitzt und sich bereits rettungslos auf dem Holzweg befindet, platzt der Pathologe mitten in die Besprechung. Präsentiert, voll Berufsstolz, das Haar in der Suppe, Pardon, an der Leiche.

Apropos Fahnder: Inzwischen werden Marie Brand oder der Bulle, der Alte, Colombo oder Brunetti bereits zum zweiten Tatort gerufen. Und wenn ihnen das in einer Blutlache schwimmende Opfer dort noch letzte unverständlich Worte zuflüstert, haben sie den stets gleichen Spruch auf Lager: «Alles wird gut», sagen sie. Denkste!

Auch wenn wir Pantoffelkinodetektive den Fall längst gelöst und die Unauffälligsten als Täter entlarvt haben – am Bildschirm beginnen die Irrungen und Wirrungen erst jetzt so richtig. Da ist eben immer auch ein arroganter Staatsanwalt oder Vice Questore, der den Ermittlern Steine in den Weg legt. Seine bodenlose Dummheit gipfelt meist darin, dass er den Besten vom Fall abzieht. Der knallt dann Polizeiwaffe und Dienstmarke auf den Tisch und verlässt wutentbrannt das Chefbüro. Doch kaum ist die Tür hinter ihm zu, ermittelt er frisch fröhlich weiter. Der Vorteil: Jetzt bleibt dem Bemitleidenswerten – es kann natürlich auch eine Sie sein – endlich auch genügend Zeit für den in solchen Krimis absolut unverzichtbaren Beziehungsknatsch. Glücklicherweise gibt es immer einige, die allen richterlichen Verboten zum Trotz noch zu ihnen halten. Die attraktive, mit fast übernatürlichen Fähigkeiten ausgerüstete Signora Elettra etwa oder der prächtige Kontrollfreak Lenny. Weil sie sogar bei zertrümmerten Laptops und Handys jedes Passwort knacken, über jeden und jedes Informationen finden, rückt die Lösung selbst kniffligster Fälle näher und näher.

Kommt dazu, dass es in einem einzigen TV-Krimi mehr Überwachungskameras gibt als im ganzen Land: ein paar Mal vor-und zurückspulen und schon offenbaren sie, wenn auch unscharf oder vermummt, dunkle Gestalten. Nun fehlt nur noch die obligate Verfolgungsjagd: Bei der rennt selbst ein pummeliger Münsteraner Kommissar Frank Thiel schneller durch Gassen und Gärten als es Usain Bolt in seinen besten Tagen tat. Wenn dann die Polizisten dem endlich festgenommenen Täter oder der Täterin beim Einsteigen ins Auto noch galant mit der Hand den Kopf runter drücken, ist das Abenteuer überstanden. Und all die Mimis, die ohne Krimi nie ins Bett gehen würden – zu ihnen gehören, ich gesteh’ es gerne, auch meine Frau und ich – sind selig eingeschlummert. Denn: «Äs äxälänters Schlaafmittäli as sonä Déjà-vu-Seriäkrimi gids bimäich nid.

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