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Uri

Sie prägte den Skisport entscheidend mit

Dank eines Stipendiums des Urner Instituts Kulturen der Alpen konnte der Basler Historiker Nils Widmer das Leben von Elsa Roth aufarbeiten, die den Schweizer Skisport im 20. Jahrhundert massgebend mitprägte.
Elsa Roth (v. l.) mit ihrer Schwester, ihren beiden Neffen und ihrem Schwager beim Skifahren in Mürren, 1929.
Bild: Quelle: BASPO/zvg

Im Frühjahr 2023 verlieh das Urner Institut «Kulturen der Alpen» erstmals dank grosszügiger Beiträge der Dätwyler Stiftung ein einjähriges Anschubstipendium. Dieses zielte darauf ab, ein Dissertationsprojekt substanziell voranzubringen. Das Stipendium ging an den Basler Historiker Nils Widmer und sein Projekt «Elsa Roth (1906-2000). Biografische Zugänge zu Klasse, Geschlecht und Nation im Schweizer Skisport im
20. Jahrhundert».

Im Gespräch äussert sich Nils Widmer über das interessante Leben Elsa Roths, den Schweizer Skisport und die Zeit des Historikers am Urner Institut.

Nils Widmer, Sie stellen mit Elsa Roth eine zentrale Figur des Schweizer Skisports ins Zentrum Ihres Projekts. Wer war diese Frau, die heute kaum jemandem bekannt ist?

Nils Widmer: Elsa Roth kam im Jahr 1906 in der Stadt Bern als jüngstes von fünf Geschwistern zur Welt. Ihr Vater betrieb ein Restaurant; ihre Mutter war Privatière. Nach dem Tod des Vaters heiratete die Mutter den Politiker und einflussreichen Bahningenieur Hans Dinkelmann. Mit dem Skisport kam Elsa erstmals zu Beginn der 1920er-Jahre in Mürren in Berührung. Das Berner Bergdorf war damals noch mehr als heute eine Hochburg des Wintersports und somit einer der zentralen Schauplätze für die Entwicklung der alpinen Skidisziplinen. Es war ausserdem ein prägender Ort für die Karriere von Elsa Roth.

Inwiefern?

In Mürren fuhren Frauen aus der Mittel- und Oberschicht wie Elsa Roth Ski – zuerst als Freizeitvergnügen, später auch wettkampfmässig. Ihrer eigenen Erzählung zufolge traf Elsa Ende der 1920er-Jahre in Mürren auf Frauen, die dem British Ladies’ Ski Club angehörten. Sie forderten Schweizer Rennfahrerinnen zu einem Duell heraus. Nach zwei Niederlagen beschlossen die Schweizerinnen – rund um Elsa Roth – im Jahr 1929 den Schweizerischen Damenskiclub (SDS) zu gründen. Bereits kurz nach dessen Gründung wurde der SDS in den nationalen Skiverband aufgenommen. Elsa Roth engagierte sich neben dem SDS auch im Schweizerischen Skiverband. 1934 wurde sie als erstes weibliches Vorstandsmitglied gewählt, 1939 übernahm sie das Amt der Zentralsekretärin. Bis 1973 arbeitete sie in der Verbandsführung. Für ihr Lebenswerk wurde ihr sogar im Jahr 1976 an der Preisverleihung zum «Sportler des Jahres» die Auszeichnung der Sportförderin des Jahres verliehen.

Können Sie mehr über die Rolle des Schweizerischen Damenskiclubs in Bezug auf die Förderung der Frauen im Skisport verraten?

Im nationalen Skiverband stand Ende der 1920er-Jahre die Förderung der Frauen nicht an erster Stelle, wohl nicht zuletzt durch die starke militärische Prägung des Skisports. Aus diesem Grund war die Gründung des SDS zentral, da er sich gezielt für eine Institutionalisierung und Vereinigung der Frauen im Schweizer Skisport sowie eine bessere Ausbildung der weiblichen Ski-Jugend einsetzte. Durch den sozialen Status und die gute Vernetzung der Gründerinnen gelang ihnen nicht nur die rasche Aufnahme des Vereins in den Verband, sondern sie gewannen auch wichtige Persönlichkeiten des Skisports als Skilehrer und Trainer. Gleichzeitig sorgten sie dafür, dass bei den nationalen Meisterschaften auch Frauenrennen ausgetragen wurden, und riefen gemeinsam mit der Grindelwalder Kurdirektion 1932 internationale Frauenrennen ins Leben. Trotz dieser Erfolge und der Akzeptanz der Frauen im Skisport muss angemerkt werden, dass auf vielen Ebenen noch lange keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern bestand. Zu Beginn der 1930er-Jahre bezahlte etwa der SDS die Reisespesen der Rennfahrerinnen, während jene der Männer vom Verband übernommen wurden. Auch in den Wettkampfordnungen gab es geschlechtsspezifische Regelungen, etwa was die Schwierigkeit der Abfahrten anging. Bei den Frauen sollten diese weniger lang oder weniger steil sein.

Nils Widmer, Historiker und Stipendiat des Urner Instituts «Kulturen der Alpen».
Bild: Bild: zvg

Im Titel Ihrer Dissertation schreiben Sie vom «Schweizer Skisport». Bislang sprachen wir hauptsächlich über den alpinen Skisport. Untersuchen Sie noch weitere Skidisziplinen?

Mein Fokus liegt klar auf den alpinen Skidisziplinen und auf Elsa Roth. Obwohl ich keine klassische Biografie verfasse, hat sich herausgestellt, dass viele sozial- und geschlechterhistorischen Entwicklungen anhand der verschiedenen Lebens- und Tätigkeitsbereiche von Elsa Roth aufgezeigt werden können. Ich werde aber auch andere Skidisziplinen wie beispielsweise den Langlauf untersuchen, der erst viel später als die alpinen Disziplinen auch für Frauen als geeignet taxiert wurde. Auch in dieser Disziplin war Elsa Roth institutionell aktiv und war Mitorganisatorin früher Langlaufwettkämpfe für Frauen in der Schweiz Ende der 1940er-Jahre.

Im Frühjahr 2023 haben Sie das erste Anschubstipendium des Urner Instituts «Kulturen der Alpen» erhalten. Was wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben, und können Sie uns bereits verraten, wie die Zukunft ihres Dissertationsprojektes aussehen wird?

In diesem Jahr konnte ich viel Quellenrecherche betreiben und mein Projekt konzeptionell weiterdenken. Jetzt geht es vor allem darum, die einzelnen Puzzleteile zu einer Arbeit, sprich zu einem Buch, zusammenzuführen. Ich schätzte die Vernetzung des Instituts in Uri und im Alpenraum sehr. Der Kontakt zu verschiedenen Institutionen wie beispielsweise dem Staatsarchiv Uri war bereits etabliert, und ich konnte diese Synergien nutzen. Ausserdem war für mich die Tatsache, dass sich das Institut noch in der Aufbauphase befindet, äusserst interessant. Dadurch habe ich viel Gestaltungsspielraum und konnte mich auch in anderen Projekten einbringen. Abschliessend möchte ich dem Institut und der Dätwyler Stiftung meinen Dank aussprechen. Ein solches Stipendium, welches mir erlaubt, mich zu 100 Prozent der Forschung zu widmen, ist durchaus ein Luxus.

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