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Nidwalden

Rauchzeichen im Haus

Autorin Franziska Ledergerber schreibt in ihrem «Ich meinti» über Feuer, Hornissen und Erdbeben.
Franziska Ledergerber

Franziska Ledergerber

Was gibt es Gemütlicheres, als abends vor einem knisternden Kaminfeuer zu sitzen, wenn draussen der Nordwind pfeift und die herbstlichen Tage kühler werden? Oder anders herum im Konjunktiv gefragt: Was gäbe es Gemütlicheres? Denn es kam kürzlich ganz anders, als wir uns das so wohlig vorgestellt hatten.

Das Feuer flammte anfänglich artig auf, mit Anzündwolle genährt und zusätzlichen Holzscheiten verstärkt. Der Rauch indessen zog nicht durch den Kamin ab, sondern quoll wolkig stark in unser Wohnzimmer. Wir rissen Tür und Fenster auf und verliessen fluchtartig das Haus, derweil das Feuer weiter loderte, und die Rauchschwaden immer dichter wurden. Aus dem Kamin oben auf dem Dach entwich kein Räuchlein, dafür hörten wir aus dem Innern ein bedrohlich anschwellendes Brummen – ganz so, als ob die «Tante Ju» über unserem Haus eine Runde drehen würde.

Das brennende, rauchende Holz musste also schleunigst mit Zangen und anderem Gerät hinaus befördert werden. Als alles überstanden war, rochen wir wie geräucherte Würstchen und über die Möbel und die neuen, weissen Vorhänge hatte sich ein leichter, grauer Aschenflor gelegt. – Soweit zur herbstlichen Gemütlichkeit vor einem knisternden Kaminfeuer! Trotzdem hatten wir Glück, denn es kam zu keinem Kamin- beziehungsweise Nestbrand oder noch schlimmer: zu keinem geballten Hornissenangriff. Denn diese Tiere hatten sich den Sommer im Kamin breitgemacht.

Anderntags wurde das Nest von schwindelfreien Fachleuten aus dem Kamin entfernt. Sie entsorgten einen Prachtbau: zwölf Waben-Stockwerke, die allerdings nach dem Überfall ziemlich ramponiert aussahen. Dies tat uns natürlich leid, denn Hornissen sind an sich nützliche und friedliche Zeitgenossen. Die Hornisse ist eine grosse Wespenart, die hauptsächlich andere Insekten, wie Fliegen, kleinere Wespen oder Libellen jagt und erbeutet. Sie liebt Baumsäfte von Eichen und Eschen und nippt Nektar aus Blütenkelchen. Angst macht uns vor allem ihre Grösse. Ihr Stich dagegen ist nicht schlimmer als derjenige von einer Wespe oder Biene. Der Spruch: Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, sieben ein Pferd, gehört ins Reich der Legenden. Die Arbeiterinnen sterben im Spätherbst, übrig bleiben die Jungköniginnen, die das Nest verlassen und an geschützten Orten, wie Ritzen oder in der Erde, überwintern. Im Frühsommer beginnt jede Königin mit einem neuen Nestbau.

Um in Zukunft ein ähnliches Desaster zu vermeiden, sollten wir vielleicht schon im Frühsommer auf Hornissen achten und mit regelmässigem Einfeuern einen allfälligen Nestbau verhindern. Was das Feuer für Hornissen ist, sind bei uns Lawinenniedergänge oder Überschwemmungen. Sie fordern aus Sicherheitsgründen ein strenges Bauregime. Auch Erdbeben stellen eine veritable Gefahr dar. «Die Schweiz befindet sich im Mittelfeld einer Gefahrenzone», sagte der Direktor des Erdbebendienstes in einem Interview. Erdbeben seien die grösste Naturgefahr in unserem Land. Der Gesamtschaden, den Erdbeben im Vergleich zu Lawinen oder Überschwemmungen anrichte, sei höher; Erdbeben kämen aber seltener vor. Mit der Frage, ob unser Haus erdbebensicher sei, haben wir uns bis jetzt noch nie beschäftigt. Keine Ahnung – im Ernstfall bliebe womöglich nur noch der Kamin stehen!

Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbst gewählten Thema.

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