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Zug

Prüfungseinsicht für Eltern: Bildungsdirektion pfeift die Schulen Hünenberg zurück

«Zeugnisrelevante Prüfungsarbeiten» müssen nach der Korrektur zeitnah nach Hause gegeben werden. Damit muss Hünenberg seine erst kürzlich geänderte Praxis wieder anpassen – entsprechend sorgt der Entscheid der Bildungsdirektion für Unverständnis.
Die Schulen Hünenberg haben auf den Start des aktuell laufenden Schuljahres neue Leitsätze eingeführt. Blick in ein Schulzimmer im Schulhaus Ehret A. 

(Bild: Maria Schmid (Hünenberg, 11. November 2020))
Bildungsdirektor Stephan Schleiss. (Bild: PD)
Der Hünenberger Rektor Rolf Schmid.
(Bild: Werner Schelbert)

Rahel Hug

Rahel Hug

Rahel Hug

Wie steht es um das Recht von Eltern, Einsicht in die schulischen Leistungsnachweise ihrer Kinder zu erhalten? Diese Frage birgt mehr Brisanz, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Seit vergangenem Sommer erhalten die Schülerinnen und Schüler der Schulen Hünenberg ihre Prüfungen nur noch einmal pro Quartal nach Hause, was bei einigen Eltern für Unmut gesorgt hat. Inzwischen hat sich auch die kantonale Bildungsdirektion eingeschaltet und von den Schulen Hünenberg verlangt, wieder zur alten Praxis zurückzukehren. Konkret heisst das, dass «zeugnisrelevante Prüfungsarbeiten» nach der Korrektur und Bewertung zeitnah nach Hause gegeben werden müssen.

Note muss «beobachtbar und transparent herleitbar» sein

Darüber informiert hat die Zuger Bildungsdirektion kürzlich auf der Plattform «Schulinfo». Im Zuge der Auseinandersetzung mit neuen Beurteilungsformen habe der Rechtsdienst «die Elternrechte hinsichtlich Einsichtnahme in zeugnisrelevante Prüfungsarbeiten beurteilt», heisst es. «Die Zeugnisnote muss für die Eltern im Semesterverlauf beobachtbar und transparent herleitbar sein.» Eine gebündelte Abgabe zu einem späteren Zeitpunkt sei nicht geeignet, kommt die Bildungsdirektion zum Schluss. Und weiter: «Eine schulrechtlich korrekte Handhabung dient im hohen Mass dem Schutz der Lehrpersonen und Schule, aber auch dem Rechtsschutz der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler.»

Deutliche Worte also an die Adresse der gemeindlichen Schulen. Noch im November 2020 sandte der Kanton andere Signale. Als unsere Zeitung über die Praxis des ganzheitlichen Beurteilens und Förderns der Schulen Hünenberg berichtete, hiess es von Seiten des Amtes für gemeindliche Schulen, die neuen Leitsätze in Hünenberg würden ganz den Vorgaben des Kantons entsprechen. Nämlich dem Konzept «Beurteilen und Fördern», das bereits 2009 verabschiedet wurde.

Elternrechte wurden zu wenig beachtet

Wieso nun dieser Richtungswechsel? Wie Bildungsdirektor Stephan Schleiss auf Anfrage erklärt, gab es nach dem Zeitungsartikel Rückmeldungen von Eltern, die mit der Praxis nicht zufrieden waren. Da bei diesem Thema die Rechte von Eltern betroffen seien, habe man den Rechtsdienst eingeschaltet. Und die Bildungsdirektion hat dazugelernt: «Der Frage der Elternrechte wurde zu wenig Beachtung geschenkt», räumt Schleiss ein. «Beurteilung wurde vor allem als Schulentwicklungsthema verstanden, was es ja in weiten Teilen auch ist. Aber eben nicht nur.» Das habe man auch intern klären müssen.

«Im Schulgesetz sind Rechte und Pflichten der Eltern festgehalten», führt Schleiss weiter aus. Eltern hätten zum Beispiel Anspruch darauf, dass sie von der Schule alle Informationen erhalten, die zur Erfüllung ihrer elterlichen Rechte und Pflichten notwendig sind. Dazu gehört nach Auffassung der Bildungsdirektion eben auch, dass die Eltern zeitnah über die Prüfungsnoten ihrer Kinder ins Bild gesetzt werden. Der SVP-Regierungsrat fasst zusammen:

«Es bedeutet keine Holschuld der Eltern, sondern eine Bringschuld der Schule.»

Die Bildungsdirektion habe von den Schulen Hünenberg gefordert, die Praxis nach den Frühlingsferien anzupassen. Zudem wurden alle Schulpräsidenten informiert, dass sie ihre Handhabung in diesem Punkt überprüfen sollen. Laut Schleiss kennen auch andere Schulen eine ähnliche Vorgehensweise. Der Bildungsdirektor betont abschliessend: «Es ist wichtig und wertvoll, dass Schulen sich weiterentwickeln, das begrüssen wir.» Neue Bewertungsformen und Beurteilungskulturen seien legitime Anliegen. «Dabei darf aber die Perspektive der Elternrechte nicht ausser Acht gelassen werden.»

Lehrpersonen sind verunsichert

In Hünenberg wirbelt der Entscheid ordentlich Staub auf. Der Rektor Rolf Schmid sagt: «Lehrpersonen sind verunsichert, wie es nun weitergehen soll.» Er erklärt die Hintergründe der gewählten Praxis: «Einer unserer Leitsätze zum kompetenzorientierten Beurteilen sah vor, den Dialog mit den Eltern bezüglich Stand der Beurteilung zu stärken und dadurch auch die Transparenz im Beurteilungsprozess zu erhöhen und nicht einfach nur eine einzelne Leistungsbewertung zum Unterschreiben nach Hause zu geben.» Schmid führt weiter aus:

«Das Unterschreiben von einzelnen, reinen Ziffernnoten erachten wir als veraltet und nicht mehr zeitgemäss.»

Diesbezüglich habe man im Vorfeld zu wenig klar kommuniziert, räumt der Rektor ein. Zudem war laut Schmid der «interne Klärungsprozess» zur schulhausbezogenen Ausgestaltung der Leitsätze – auch coronabedingt – noch nicht allzu weit fortgeschritten, «sodass es in Einzelfällen zu vielleicht unglücklichen Begründungen oder Reaktionen kam». Man stehe im Schulleitungsteam aktuell in Diskussion, was nun geändert werden soll. «Es ist uns ein grosses Anliegen, einen möglichst transparenten und konstruktiven Dialog mit den Eltern unserer Schulkinder zu pflegen.»

Widerspruch zu zeitgemässen Lehrmeinungen

Die Rückkehr zur aus Sicht von Schmid veralteten Praxis stifte auch in anderen gemeindlichen Schulen Verwirrung. «Wir haben uns innerhalb der Rektorenkonferenz ausgetauscht. Wir sind nicht die Einzigen, denen die neue Leitplanke sauer aufstösst», führt der Rektor aus. Man sei der Meinung, dass die schulrechtliche Beurteilung der Bildungsdirektion zeitgemässen Lehrmeinungen widerspreche. Zudem seien die Schulen Hünenberg vom Amt für gemeindliche Schulen an einer «vielfach gelobten» Einführungsveranstaltung zum kompetenzorientierten Beurteilen (das ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans 21 ist) auf den Weg zu «sinnvollen, neuen beziehungsweise erweiterten Beurteilungsformen» geführt worden.

In der Folge resultierten die neuen Hünenberger Leitsätze. «Unser gemeinsames Ziel war es, diesbezüglich eine Verbesserung zu erzielen», so Rolf Schmid. «Wir wollten so individueller auf die Förderung der Kinder eingehen und im Sinne einer ganzheitlichen Beurteilung dem Leistungsstress entgegenwirken.» Im «Hünenberger System» sollen Eltern Beurteilungen von Leistungsnachweisen nach wie vor zur Kenntnis nehmen können. Darüber, in welcher Form und wie zeitnah das zu geschehen hat, ist man sich gar nicht einig mit der Bildungsdirektion.

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