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Missbrauchsfälle in der Kirche

Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz: «Wir können gemeinsam Druck machen»

Auch die staatskirchenrechtlichen Körperschaften trifft eine Mitschuld am Vertuschen und Verschweigen der Missbräuche, sagt Renata Asal-Steger, Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Die Kantonalkirchen könnten gemeinsam bei ihren jeweiligen Bischöfen transparente Kommunikation einfordern.
RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger.
Bild: Archivbild: Eveline Beerkircher

Welche Konsequenzen ziehen Sie als Vertreterin der RKZ aus der aktuellen Pilotstudie* zu den Missbrauchsfällen in der Kirche?

Die Studie und die ausgewählten Fallbeispiele darin haben aufgezeigt, dass auch wir als staatskirchenrechtliche Körperschaften Mitverantwortung tragen. Als Kantonalkirchen, als Kirchgemeinden, weil wir bei der Anstellung und Auswahl der Angestellten wesentlich mitwirken, auch bei deren Führung und allfälliger Entlassung. Daher tragen wir eine Mitschuld am Vertuschen und Verschweigen. Wir werden alles tun, damit diese Kultur in Zukunft keinen Nährboden mehr findet.

Inwiefern haben denn Körperschaften und Kirchgemeinden bei der Anstellung auch vertuscht?

Die Archive von Kirchgemeinden und Landeskirchen waren noch nicht so im Fokus der Pilotstudie. Ich weiss daher nicht, ob da auch Akten vernichtet wurden. Aber es wurden Täter, die bereits verurteilt waren, wieder angestellt. Dagegen haben sich auch die Kirchgemeinden nicht gewehrt.

Wussten denn Pfarrwahlkommissionen davon?

Es gibt öffentlich bekannte Fälle, in denen sie teilweise davon wussten. Aber in der Gesellschaft war das Bild verankert, dass Priester etwas Unantastbares sind. Anstatt die Betroffenen zu schützen, ging es nur um das Image der Kirche.

Wie können staatskirchenrechtliche Gremien das verhindern?

Indem wir klar hinschauen und uns einsetzen für Prävention und Intervention im Bereich sexueller Missbrauch. Bei der Anstellung werden die Bewerbenden nach dem Verhältnis von Nähe und Distanz gefragt. Man fragt auch bei früheren Arbeitgebern nach. Es gibt Selbstverpflichtungen, die neue Angestellte unterschreiben müssen. Man holt den Sonderprivatauszug ein. Auch in Pfarreiteams müssen Nähe und Distanz thematisiert werden.

Hat eine Kirchgemeinde Einsicht in die Akten des Bistums, wenn es zu einer Anstellung kommt?

Es gibt eine gewisse Akteneinsicht ins Dossier, aber sie ist begrenzt. Es gibt Aspekte, über die das Bistum aus Gründen des Personenrechtes keine Auskunft geben kann.

Wir haben heute mehrfach gehört, die Studie komme spät. Hätte die RKZ nicht früher Druck machen können, auch finanziell?

Die Studie ist spät, unbestritten. Es war ein langer Prozess der Einigung. Aber ich bin froh, dass nun eine nationale, unabhängige Studie durchgeführt wurde, bei der die drei grossen Player der katholischen Kirche gemeinsam hinschauen und gemeinsam aufarbeiten.

Sie sind Luzerner Synodalrätin. Angenommen, bei der Anlaufstelle im Bistum Basel wird ein Fall sexuellen Missbrauchs gemeldet, der noch nicht verjährt ist und einen amtierenden Priester beschuldigt. Das Bistum leitet in der Folge ein Strafverfahren ein. Erfährt das die Kirchgemeinde, in der der Priester tätig ist?

So einen Fall gab es noch nie. Ich gehe davon aus, dass sie das erfährt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir das in Zukunft erfahren werden.

Medien machten jüngst Verfahrensfehler und mutmassliche Vertuschung durch amtierende Bischöfe publik. Auch die Partner im dualen System erfuhren das aus den Medien. Welche Möglichkeiten sehen Sie seitens der Körperschaften, in solchen Fällen Transparenz einzufordern vom dualen Partner?

Im Fall «Denise Nussbaumer», den der Beobachter publik machte, gibt es einerseits ein kirchenrechtliches Verfahren, das jetzt in Rom läuft. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass auch administrative Untersuchungen ein geeignetes Instrument sein können. Das muss vonseiten der staatskirchenrechtlichen Körperschaften gefordert werden. Wie das konkret umzusetzen ist, müsste noch geklärt werden.

Wie war das für Sie, aus den Medien zu erfahren, dass der amtierende Bischof von Basel, Ihr Partner im dualen System, Verfahrensfehler gemacht hat?

Es hat mich erschüttert, dass Fehler gemacht worden sind, wo das Vorgehen seit 2001 feststeht.

Wie partnerschaftlich ist diese mangelhafte Transparenz in der Kommunikation zwischen den Partnern?

Das ist kein Zeichen von Partnerschaft. Diese Partnerschaft ist nach wie vor eine grosse Herausforderung sowohl auf lokaler, kantonaler wie auf schweizerischer Ebene. Es ist eine Frage des Vertrauens, dass man da wirklich gemeinsam unterwegs ist.

Lässt sich hier mehr Transparenz einfordern?

Wir können sie einfordern, indem wir gemeinsam Druck machen, als staatskirchenrechtliche Behörden des Bistums. Wenn das einzelne tun, wird das wenig bewirken.

* Für eine Schweizer Pilotstudie untersuchten Historikerinnen und Historiker schweizweit die Archive der römisch-katholischen Kirche – mit besonderem Augenmerk auf sexuelle Übergriffe. Die Untersuchung konnte von 1950 bis heute 1002 Missbrauchsfälle identifizieren. Die am 12. September 2023 in Zürich präsentierte Studie liefert erstmals klare Zahlen zu Fällen sexuellen Missbrauchs. Die Untersuchungen wurden im Auftrag der römisch-katholischen Kirche durchgeführt, wobei erstmals Archive der Bistümer und Orden in der ganzen Schweiz unter die Lupe genommen wurden.

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