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Kommentar «Chefsache»

Post vom Anwalt – Druckversuche auf die Zeitungsredaktion nehmen zu

Aufgabe der Medien ist es auch, Konflikte, Missstände und heikle Verstrickungen öffentlich zu machen. Immer öfter kommt es vor, dass Akteurinnen und Akteure in solchen Fällen während der Recherchen Anwälte vorschicken, um eine Berichterstattung zu verhindern. Hier gilt es Gegensteuer zu geben – für die Medienfreiheit.

Auch politische Instanzen und Akteure schicken für Antworten Anwälte vor. Im Bild: Ein Teil der Zuger Regierung anlässlich einer Medienkonferenz zum Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf Kanton und Stadt Zug.
Bild: Bild: Urs Flüeler / Keystone (Zug, 4. März 2022)

Zeit für einen Blick hinter die Kulissen unserer Zeitungsredaktion. Es wird die Leserinnen und Leser vielleicht überraschen, dass wir in unserer journalistischen Arbeit zunehmend mehr Druckversuchen ausgesetzt sind. So soll entweder eine Berichterstattung – fast ausschliesslich bei kontroversen, heiklen Themen – in eine Richtung beeinflusst oder gleich ganz verhindert werden.

In solchen Fällen trifft während den Recherchen anstelle der Antworten der Angefragten ein Schreiben einer Anwaltskanzlei ein. Diese Woche hat der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler auf diese fragwürdige Weise reagiert, weil wir in der Folge von Berichten anderer Medien Fragen zur Verbindung der umstrittenen russischen Firma Eurochem mit der Zuger Regierung gestellt hatten. Der Schauplatz ist hier Zufall, solche Einschüchterungsversuche kommen überall und von allerlei Akteuren vor.

«Sollte die Berichterstattung in der bisherigen rufschädigenden Form weitergeführt werden, behalten wir uns vor, gegen Sie und Ihr Unternehmen rechtliche Schritte einzuleiten.» Die droherische Dimension im Brief von Tännlers Anwalt ist unmissverständlich. Das ist in solchen Fällen stets ähnlich.

Wie gehen wir damit um? Im besagten Fall lautete ein Teil der Antwort so: «Selbstverständlich liegt es in ihrem und im Ermessen ihres Klienten, was sie sich gefallen lassen wollen (...) und welche Schritte sie hierfür einzuleiten bereit sind. Eine Persönlichkeitsverletzung können wir nicht erkennen, aber das ist erfahrungsgemäss Interpretationssache.» Kurz: Wir geben uns unbeeindruckt. Oftmals reicht das, um klarzumachen, dass wir die verfassungsmässig garantierte Medienfreiheit entschlossen verteidigen, wenn wir von der öffentlichen Relevanz des Themas und der Sachlage überzeugt sind. Und hierfür braucht es auch keine teuer bezahlten Briefe von Anwälten.

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