notifications
Luzern

Paul Berger war 24 Jahre lang Diakon in Zell: Einer mit grosser Ausstrahlung nimmt wehmütig Abschied

Die Menschen hatten bei Paul Berger immer oberste Priorität. Jetzt verlässt der Diakon nach 24 Jahren die Pfarrei Zell.
Paul Berger, 25 Jahre lang Pfarreileiter in Zell, wurde Ende September pensioniert. (Bild: Patrick Huerlimann (Zell, 23. September 2020))
Paul Berger hat seine Arbeit genossen. (Bild: Patrick Huerlimann (Zell, 23. September 2020))

Ernesto Piazza

Ernesto Piazza

Nach 24 Jahren hat Paul Berger Ende September einen Schlussstrich unter seine Tätigkeit als Zeller Pfarreileiter gezogen. Kurz vor seiner Pensionierung hat der 64-Jährige all seine Unterlagen gesichtet und aufgeräumt, vieles auch weggeworfen. «Ordentlich entsorgt», wie er betont. Unter anderem sind diesem Prozess nicht weniger als 16 Bundesordner voll mit Informationen zu Beerdigungen zum Opfer gefallen.

Damals vom heutigen Kardinal Kurt Koch geweiht, ist Berger die Hinterländer Pfarrei in all den Jahren sehr ans Herz gewachsen. Er habe vieles erlebt, erklärt er. Schönes wie Taufen oder Hochzeiten berührten ihn genauso wie Todesfälle, wenn seine Person speziell gefragt war, um Hinterbliebenen Trost zu spenden. Er sagt:

«Es gibt kaum eine Familie, mit der ich nicht auf irgendeine Art verbunden war.»

Gespräche führen und Stille aushalten

Dass er jedoch diesen beruflichen Weg einschlagen würde, stand für ihn nicht von vornherein fest. Zwar habe er immer schon irgendwie mit der Kirche geplant gehabt, doch zuerst absolvierte Berger eine Lehre als Kaufmännischer Angestellter und entschied sich anschliessend für die Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule. Diese brach er aber nach einem Jahr ab, um sich an der Theologischen Fakultät, und damit quasi auf dem dritten Bildungsweg, vom Diakon inspirieren zu lassen. Seit 1984 ist «Päuli» Berger mit Astrid verheiratet, nun sagt er: «Ohne sie wäre ich heute nicht da, wo ich bin.» Zusammen haben sie drei erwachsene Töchter und ihr gemeinsamer Stolz sind auch sechs Grosskinder.

In all den Jahren genossen die Menschen bei ihm oberste Priorität. Beim Pflegen von Beziehungen, bei unzähligen Gesprächen ging sein Herz immer wieder auf. «Dafür bin ich dankbar.» Doch Berger konnte auch zuhören, einfach da sein, wenn es beispielsweise darum ging, jemanden still in den Tod zu begleiten. «Diese Momente gab es ebenfalls», sagt er und hält einen Augenblick inne. Dann beginnt er aber wieder zu strahlen, diesmal ist es mehr eine innere Zufriedenheit. Und er betont: Freude zu vermitteln, dem Leben eine positive Seite abzugewinnen, sei seine Lebensphilosophie. «Man muss die Menschen mögen und sie nicht in irgendein Schema drücken». Sogar für die Kindergärtler war «Päuli» Berger eben einfach der «Päuli».

Eine Beerdigung an Heiligabend

Oft zehrte die Arbeit an seinen Kräften. Sinnbildlich dafür sagt der Diakon: «Einmal an einem 24. Dezember wurde ich von einer Familie gerufen, um ein totgeborenes Kind würdig zu beerdigen.» Um daran anschliessend im Violino, dem Zeller Wohn- und Begegnungsort, einige Worte an deren Bewohner aus Anlass von Weihnachten zu richten. Und den Abschluss dieses Arbeitstages bildete in der Pfarrkirche der traditionelle Familiengottesdienst. Dieser Anlass forderte ihn erneut, war er im jährlichen Turnus doch stets am besten besucht.

Berger nahm die Seelsorge ernst. Zwar sei es ein konservatives Wort. Wichtig sei aber, was man daraus mache. «Die Arbeit war immer wahnsinnig schön.» Ihm eigen war auch, dass er alles im Griff haben wollte. «Ich war es nicht gewohnt, loszulassen». Der Zeller Diakon galt als «Macher», auch als Perfektionist, der die Freiheiten, die ihm die kirchlichen Strukturen bieten, immer wieder auslotete. Dazu erklärt er vielsagend: «Ich tat das, was ich vertreten konnte.»

Von Schuldgefühlen geplagt

Berger ist kein «Frömmler», sieht in der katholischen Kirche aber Gemeinschaft und Solidarität. Die Selbstliebe ist ihm wichtig, denn «wer sich nicht selber liebt, kann auch andere nicht lieben». Er war auch bekannt für lebendige Gottesdienste, pflegte oft und intensiv Begegnungen mit Menschen. «Das ist für mich das Allerwichtigste.» Deshalb war die Zeit des Lockdowns für ihn «mega» schwierig.

Zu nagen hatte er auch an der Situation, dass es ihm nicht vergönnt war, den Pastoralraum Hinterland zu leiten. Das Unterfangen scheiterte an der Wohnsitzpflicht; Berger entschied sich damals mit seiner Frau, nach Willisau umzuziehen. «Das hat mich sehr getroffen», gesteht er.

«Und mich plagten auch Schuldgefühle, alles kaputtgemacht zu haben».

Doch in solchen Momenten war die Familie der Ort, wo er wieder Kraft tankte, sich aufgehoben fühlte.

Mehr Offenheit gegenüber Frauen

Für die katholische Kirche wünscht sich Berger in Zukunft mehr Offenheit – speziell gegenüber den Frauen. Das weibliche Geschlecht würde zwar immer wieder gelobt, trotzdem verwehre man ihm viele Aufgaben. «Beispielsweise gibt es für die Frau nach wie vor keine Weihe.» Und bezüglich des Zölibats vertritt der scheidende Zeller Diakon eine klare Haltung: «Dieses braucht es nicht.»

Beim Gedanken an den Abschied aus Zell packt ihn viel Wehmut und eine gewisse Traurigkeit. Ganz in Pension geht er allerdings noch nicht. «Bis mindestens Sommer 2021 werde ich die Pfarrei Sempach-Eich unterstützen und dort hauptsächlich Gottesdienste leiten.» Paul Berger sagt's, und man spürt: Sein Blick geht nach vorne und mit seiner nun ehemaligen Pfarrei ist er im Reinen.

Kommentare (0)