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Luzern

Pandemie führte in der Stadt und Agglomeration Luzern zum Einbruch der Mobilität

In und um die Stadt Luzern waren wegen Corona deutlich weniger Leute unterwegs. Besonders der ÖV hat gelitten.
Kaum Verkehr: Der Schweizerhofquai während des Lockdowns 2020. Das Jahr 2020 soll nicht als Referenzjahr für die künftige Verkehrspolitik gelten. (Bild: Patrick Hürlimann)

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

Es liess sich während der Coronamassnahmen gut beobachten: Der Verkehr in der Stadt und Agglomeration Luzern ist 2020 stark zurückgegangen. Dies bestätigen nun die neusten Verkehrszahlen, die Kanton, Stadt und Verkehrsverbund Luzern (VVL) im Rahmen des jährlichen Verkehrsmonitorings publizierten.

Am markantesten war der Verkehrsrückgang an der Stadtgrenze mit rund 26 Prozent weniger als 2019. «Diese Zahl veranschaulicht gut, dass im Zentrum während des Lockdowns wenig los war und die Leute in der Freizeit nicht nach Luzern kamen», sagt Milena Scherer, Co-Leiterin Mobilität der Stadt Luzern. An der Stadtgrenze machte sich der Rückgang vor allem beim öffentlichen Verkehr bemerkbar, bei dem ein Drittel weniger Passagiere verzeichnet wurden. Beim motorisierten Individualverkehr betrug der Rückgang 20 Prozent.

Nur das Velo hat zugelegt

Am detailliertesten aufgeschlüsselt sind die Zahlen für die fünf Reussbrücken im Stadtzentrum – auch Velos und Fussgänger werden dabei erfasst:

Es zeigt sich: Während das gesamte Verkehrsaufkommen im Stadtzentrum zurückgegangen ist (-16 Prozent) und auch – wegen der ausbleibenden Touristen – viel weniger Fussgänger und Fussgängerinnen unterwegs waren (-15 Prozent), hat einzig der Veloverkehr um neun Prozent zugenommen. «Dass die Bevölkerung das Velo für sich entdeckt, ist erfreulich und im Sinn der städtischen Mobilitätsstrategie», sagt Scherer. Das bedeute aber auch, dass die Bedingungen für Velofahrer verbessert werden müssen «und wir unsere Bemühungen diesbezüglich allenfalls noch verstärken werden».

Ein Drittel weniger Passagiere im ÖV

Am stärksten gelitten hat im vergangenen Jahr der öffentliche Verkehr. Rund ein Drittel betrug der Rückgang in allen Gebieten – an der Agglomerationsgrenze sogar 34 Prozent. Im Vergleich dazu hat der motorisierte Individualverkehr (MIV) an der Agglogrenze lediglich um acht Prozent abgenommen:

Daniel Heer, Verkehrsplaner beim VVL, kann nur vermuten, warum dem so ist: «Personen, die in der Agglomeration oder ausserhalb davon wohnen, besitzen mehrheitlich ein Auto und benutzen den ÖV vor allem zum Pendeln. Während der Pandemie pendelten sie wohl vermehrt mit dem Auto oder blieben im Homeoffice, während sie für die Freizeit schon vorher eher das Auto benutzten.» Anders in der Stadt: «Dort gibt es mehr autofreie Haushalte, weshalb Städter den ÖV abhängig von den jeweils aktuellen Coronaregelungen auch während der Pandemie zur Arbeit und in der Freizeit benutzten.» In der Stadt sind zudem viele aufs Velo umgestiegen.

Verändertes Pendlerverhalten wird erwartet

Was den ÖV betrifft, gehe der VVL davon aus, dass sich die Passagierzahlen in den nächsten Jahren normalisieren werden. «Die Nachfrage liegt aktuell bei etwa 70 Prozent des Wertes von 2019», so Heer. «Und wir erwarten, dass Ende 2023 das Niveau von 2019 wieder erreicht ist.» Der Einbruch bei den ÖV-Zahlen ist im Wesentlichen durch die vom Bund verordneten Regelungen wie den Lockdown mit Fahrplaneinschränkungen und Homeofficepflicht zu erklären. Heer:

«Wir gehen davon aus, dass Homeoffice auch künftig teilweise gelebt, die Mobilität aber durch zusätzlichen Freizeitverkehr sowie die Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung künftig dennoch zunehmen wird.»

Eine Entlastung der Stosszeiten wäre erreichbar, wenn Homeoffice gleichmässig über die ganze Woche genutzt wird. Wenn hingegen Dienstag bis Donnerstag weiterhin gependelt werde sowie Montag und Freitag viele Pendler das Homeoffice bevorzugen, «sind die vorhandenen Ressourcen nicht effizient genutzt», sagt Heer.

Ein weiterer Grund, warum manche Personen nach wie vor den ÖV meiden, sind die Maskenpflicht und die Furcht vor erhöhter Ansteckungsgefahr. Zu Letzterer sagt Daniel Heer: «Untersuchungen belegen, dass die Lüftungen in Bus und Bahn so gut sind, dass im ÖV kein höheres Ansteckungsrisiko besteht.» Um Kundinnen und Kunden zurückzugewinnen, versuche man sie deshalb mit Beratungen bezogen auf ihr Mobilitätsverhalten direkt anzusprechen.

Anteil der Autos am Gesamtverkehr gestiegen

Sehr deutlich zeigt sich zudem: Der in der Stadt seit Jahren anhaltende Trend zu weniger Autoverkehr wurde 2020 gestoppt. Im Coronajahr hat sich der Anteil der Autos am Gesamtverkehr erhöht – und liegt fast überall über dem Wert von 2015. Ausser im Stadtzentrum (32 Prozent) beträgt der MIV-Anteil überall mehr als 58 Prozent:

Ungewiss ist, wie sich die Verkehrszahlen entwickeln und welchen Einfluss flexibles Arbeiten und Homeoffice künftig auf die Mobilität haben werden. Für Milena Scherer ist es eine positive Erkenntnis, dass die Bevölkerung ihre Mobilität und die Wahl der Verkehrsmittel den Coronamassnahmen angepasst hat. «Wir werden daraus mitnehmen, dass die Menschen flexibel auf äussere Gegebenheiten und Zwänge reagieren.»

Für Daniel Heer wird künftig etwa interessant sein, zu beobachten, ob das Velo nachhaltig beliebter wird und wie stark Velofahrer bei schlechtem Wetter weiterhin auf den ÖV ausweichen. Auch den MIV wird der Verkehrsverbund im Auge behalten. Denn: «Je mehr Autos es auf der Strasse gibt, umso langsamer kommt der Bus vorwärts, wenn wirksame Bevorzugungsmassnahmen fehlen.» Die Attraktivität des ÖV ist also stark vom Autoaufkommen abhängig.

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