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Obwalden

Obwaldner Auswanderer: «Ich habe aufgehört, zu vergleichen»

Vor einem halben Jahr sind Martin Odermatt und seine Frau Patricia nach Kolumbien ausgewandert – und in jeder Hinsicht angekommen. Überraschungen blieben nicht aus, etwa, als es ums Autofahren ging.
Martin Odermatt aus Kerns ist mit seiner Frau Patricia im Sommer 2018 nach Kolumbien ausgewandert. Im Bild: Patricia und Martin in Filandia, Plaza central.(Bild: PD)
So wohnen die beiden. (Bild: PD)

Matthias Piazza

Matthias Piazza

Auf eine häufig gestellte Frage hat der Kernser Auswanderer eine für den Fragesteller eher unbefriedigende Antwort. Nämlich auf jene Frage, welches Land ihm besser gefalle, die Schweiz oder seine neue Heimat Kolumbien. «Ich habe aufgehört, zu vergleichen. Man muss sich auf das jeweilige Land einstellen», ist Martin Odermatt überzeugt. Im vergangenen Sommer hat der 63-Jährige seinen langjährigen Job als Lehrer an den Nagel gehängt, liess sich frühpensionieren, brach seine Zelte in Kerns ab und wanderte mit seiner Frau Patricia (58) nach Kolumbien aus, genauer nach Cerritos, einem Ortsteil von Pereira, rund 350 Kilometer von der Hauptstadt Bogotá entfernt.

Den Entscheid habe er nicht bereut, lautet sein Zwischenfazit. «Ich bin gerade in kurzen Hosen, es ist angenehme 28 Grad warm. Ich kann jeden Tag in unserem Pool schwimmen und die Palmen bestaunen», schwärmt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Überhaupt schätze er das tropische Klima in Kolumbien mit 24 Grad Durchschnittstemperatur und auch, dass es keine Jahreszeiten gebe. «Wir geniessen das ganze Jahr über milde Temperaturen. Den Winter vermisse ich gar nicht.» Und dass die Sonne das ganze Jahr um etwa 5.30 Uhr auf- und «schon» um etwa 18.30 Uhr wieder untergehe, könne er auch akzeptieren.

«Der Verkehr ist absolut chaotisch»

Für seine Frau ist es ein Heimkommen. Martin Odermatt lernte sie vor rund 40 Jahren in ihrer Heimat – in Manizales, einer Stadt in der Nähe von Pereira – kennen. Sie heirateten und zogen in die Schweiz. Die 38 Jahre in der Schweiz habe sie in sehr guter Erinnerung, darum sehe sie der Rückkehr in ihre Heimat mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegen, sagte sie in fast akzentfreiem Schweizerdeutsch im vergangenen Sommer gegenüber unserer Zeitung, wenige Tage vor der Abreise. Sie habe sich in ihrer Heimat wieder sehr gut eingelebt, versichert Martin Odermatt, viele ihrer Cousins und Cousinen und Freunde würden hier wohnen.

Auch wenn man sich sehr gut auf das Abenteuer Auswandern vorbereitet habe, seien Überraschungen nicht ausgeblieben. So musste er den kolumbianischen Führerausweis erwerben. «Mit 18-Jährigen zusammen absolvierte ich 32 Theorielektionen, dabei hatte ich in der Schweiz bestimmt schon über eine Million Autokilometer zurückgelegt. Das war amüsant.» Die praktische Prüfung wurde Martin Odermatt erlassen. «Im Theoriekurs war vielleicht nur die Hälfte von Nutzen, aber dafür lernte ich wieder neue Leute kennen.» Allerdings sei Theorie das eine und die Realität auf der Strasse das andere. «Der Verkehr ist absolut chaotisch. Aber daran habe ich mich gewöhnt. Man muss einfach höllisch aufpassen, darf nicht erwarten, dass sich der andere Verkehrsteilnehmer an die Regeln hält.» Das käme auch daher, dass man bis 2017 die Führerausweise habe kaufen können, ohne irgendeine Fahrstunde oder Theorielektion absolviert zu haben.

Langweile komme nie auf

Heimweh habe er keines. 27 Jahre lang unterrichtete Martin Odermatt an der Schule Kerns, die letzten 16 Jahre in Wolfenschiessen, jahrelang leitete er die Kernser Jodler, die Kernser Singbuben und den Singkreis Kerns. «Das habe ich alles in wunderbarer Erinnerung. Trotzdem vermisse ich diese Arbeit nicht, schade ist nur, dass ich all die Leute zurücklassen musste. Wir schauen nach vorne und nicht zurück und sind jetzt mit dem Leben hier beschäftigt. Es gibt noch so vieles zum Organisieren und zum Kennenlernen.»

Im Haus, welches das Ehepaar gekauft hat, gebe es immer etwas zu tun. «Überhaupt nehmen wir uns für alles mehr Zeit, besuchen Freunde oder laden sie zu uns ein. Ich lese gerne, musiziere oder unterrichte einen Gesangsschüler.» Den Kontakt zu ihrer alten Heimat und ihren zwei erwachsenen Töchtern, die in der Schweiz leben, halten sie über Whatsapp und andere moderne Kommunikationskanäle aufrecht. Über Weihnachten und Neujahr besuchten die Töchter ihre Eltern in ihrer neuen Heimat.

Sprache und Ortskenntnisse als Voraussetzung

Als wunderbare, sehr liebe und zuvorkommende Leute bezeichnet Martin Odermatt die Kolumbianer, mit denen er bisher zu tun gehabt hat. Etwas zu denken gebe ihm das grosse Gefälle zwischen Armen und Reichen, das viel grösser als in der Schweiz sei. «Die Mindestlöhne betragen monatlich umgerechnet nur zwischen 240 und 270 Franken. Damit kann man auch in Kolumbien nur mehr schlecht als recht überleben.» Die Kriminalität sei zwar längst nicht mehr so gross wie in den 1990er-Jahren. «Aber wie viele Kolumbianer leben wir in einem sogenannten ‹Condominio›, also in einem eingezäunten und bewachten Wohnquartier. Wir fühlen uns sicher.»

Was würde er Auswanderungswilligen raten? «Auf jeden Fall muss man das Gebiet kennen und die Sprache beherrschen, sonst erlebt man bestimmt einige negative Überraschungen.»

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