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Obwalden

Engelbergs langer Kampf um genug Strom

Die Frage, ob der Kanton Obwalden das Kraftwerk Obermatt den EWL abkaufen soll, hat kürzlich alte Wunden aufgerissen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, warum die Turbulenzen nach der Gründung des Werks die Einheimischen bis heute beschäftigen.
Das Kraftwerk Obermatt unterhalb von Engelberg. (Bild: OZ)
Mike Bacher, Kantonsrat und Historiker.

Markus von Rotz

Markus von Rotz

«Die Sache geht mir heute noch sehr nahe. Ich wäre glücklich, wenn sich die Gemeinde damals eingebracht und einen Fuss reingehalten hätte.» Diesen Satz sagte Geny Hess kürzlich an einer Diskussion über den möglichen Rückkauf des Obermatt-Kraftwerks durch den Kanton (Ausgabe vom 24. November). Sein Urgrossvater hatte das Werk in Grafenort mitgegründet. «Ich bekam als Bub vor 50 Jahren mit, wie die Betroffenen unter der Ablösung der Stromversorgung durch die Obwaldner litten.»

Dass der Kanton 1956 per Gesetz erklärte, künftig dürfe allein das Elektrizitätswerk Obwalden (EWO) im Kanton Strom verteilen, verdaute man in Engelberg nur schwer. Die Gebrüder Hess gingen gar vor Bundesgericht, hatte der Kanton doch entschieden, auch ihre Verteilanlagen zu übernehmen. Es ging nicht zimperlich zu und her, wie Lokalhistoriker und CVP-Kantonsrat Mike Bacher in Engelberg in einem historischen Abriss zeigte: «Als das Kloster zögerte, dem EWO ein Durchleitungsrecht zu geben, da es zunächst die Klärung des Rechtsstreits zwischen EWO und den Gebrüdern Hess abwarten wollte, wurde seitens des EWO dem Kloster mit Enteignung gedroht.» Das Bundesgericht liess die Engelberger aber abblitzen. Nach einer dreijährigen Gnadenfrist begann das neue Regime 1964.

Einschalten der Beleuchtung wurde zu Dorffest

Begonnen hatte die Geschichte im 19. Jahrhundert. Das Hotel Kulm in St. Moritz war 1879 das erste elektrisch beleuchtete Gebäude der Schweiz, 1886 folgte der «Schweizerhof» Luzern. Als führender Kurort sollte Engelberg nicht hintanstehen, sagte sich Hotelier Eduard Cattani, und baute ein kleines Kraftwerk für seine Hotels Titlis und Engel. «Die Eröffnung des Werks am 8. Juni 1887 geriet zu einem eigentlichen Volksfest, wobei die erstmalige Einschaltung der Beleuchtung – unter Klängen der Blasmusik – richtiggehend inszeniert wurde», schreibt Bacher. «Das neue, ungefährliche, rasch verfügbare und vor allem helle Licht faszinierte die Menschen».

Hotelier Eugen Hess, Urgrossvater von Geny Hess, wollte auch die Bevölkerung vom Strom profitieren lassen und installierte bei seiner Sägerei am Sagenplatz (daher sein Übername «Sager-Geni»), dem heutigen Viktoriaplatz, eine Turbine mit Generator. 1891 errichtete er das erste öffentliche ganzjährig betriebene Elektrizitätswerk Engelbergs. Hess und Cattani bauten auch eine Wasserversorgung und nutzten die Kraft des Wassers für den Kraftwerkausbau. Es begann ein Wettlauf um den immer dringenderen Ausbau der Stromproduktion: Die Hotels brauchten mehr, 1899 wurde das Kloster elektrifiziert. Immer wieder kamen die Werke an ihre Kapazitätsgrenze.

Als der Strom am Abend nur für eine Stunde reichte

1898 nahm die Stansstad-Engelberg-Bahn (heute Zentralbahn) ihren Betrieb auf und brauchte bereits im ersten Betriebsjahr die Reserven ihres Kraftwerks Obermatt auf. Hess hatte sich vorausschauend die Wasserrechte des Klosters gesichert. Er prüfte einen Ausbau der Obermatt zusammen mit der Bahn und verhandelte parallel mit der Stadt Luzern, «welche für ihren grösser werdenden Strombedarf dringend Abhilfe schaffen musste», wie Bacher schreibt.

1901 erteilte der Kanton Hess und der Engelberg-Bahn eine Konzession und übertrug diese 1903 ans Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg AG (EWLE, heute EWL, Energie Wasser Luzern). Hess konnte sich Aktien im Wert von 10 Prozent des Kapitals sowie einen Sitz im Verwaltungsrat sichern – und die Möglichkeit, den Strom für Engelberg zum Selbstkostenpreis zu beziehen. Dafür brachte er seine Wasserrechte ein. «Damit war es ihm möglich, die Stromverteilung für das Tal definitiv zu übernehmen und zu garantieren.» Das Werk wurde just 1905 fertig, als die Kraftwerke von Cattani und Hess die Kapazitätsgrenze erreichten, «weshalb der Strombedarf nur noch für eine Stunde am Abend reichte», schreibt Bacher.

Trübsee war zu undicht, um als Stausee zu dienen

Strom war bald wieder Mangelware. Das EWLE wollte den Trübsee stauen, der sich aber als zu wenig dicht erwies. Dann wurde versucht, das reichlich vorhandene Grundwasser abzupumpen und in die Obermatt zu leiten. Das verursachte Senkungen und Schäden an Gebäuden. Hinzu kamen juristische Streitigkeiten. Das EWLE hatte eine Konzession für Gewässer auf Obwaldner Boden, nicht aber für den Nidwaldner Raum mit Gewässern wie dem Trüeben- und dem Arnibach.

Ein Staatsvertrag brachte 1959 die Wende. Trotz juristischer Bedenken des Bundes entschied man, dass der Kanton Obwalden die Konzession fürs Gebiet oberhalb der Obermatt samt Kraftwerk erteilen kann und der Kanton Nidwalden für den Verlauf unterhalb. 1960 bremste Obwalden dann mit der eingangs erwähnten Konzession auf 80 Jahre die Gebrüder Hess aus.

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