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Nidwalden

Nidwaldner Raumplaner hinterlässt seinem Nachfolger keinen «Güsel»

Nach 25 Jahren als Leiter des kantonalen Amtes für Raumentwicklung Nidwalden ging Markus Gammeter Ende Januar in Pension. Im Rückblick verrät er, warum verdichtetes Bauen nicht das Ei des Kolumbus ist.
Mehr Zeit für sein Hobby: Markus Gammeter in seinem Weinkeller. (Bild: Pius Amrein (Stans, 6. Februar 2019))

Philipp Unterschütz

«Das Thema Raumplanung ist seit Ende Januar für mich erledigt – definitiv!», sagt Markus Gammeter (63) bestimmt. 25 Jahre lang leitete er das Nidwaldner Amt für Raumentwicklung, seit wenigen Tagen geniesst er das Leben als Pensionär. Doch sein umfassendes Wissen wäre begehrt: «Ich habe bereits Anfragen für Planungen erhalten. Aber ich werde keine Aufträge in diesem Bereich annehmen. Meinen Ex-Kollegen stehe ich aber gerne für Auskünfte zur Verfügung», sagt Markus Gammeter und lacht. «Wie alle Pensionierten habe auch ich jetzt weniger Zeit als zuvor. Schon jetzt stehen viele Termine an.»

Eigentlich wollte er ja schon im vergangenen Sommer in Pension gehen. Doch weil der Kanton keinen Nachfolger fand, blieb er noch ein halbes Jahr länger. Den Nachfolger hat Nidwalden bis heute noch nicht. «Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Job sehr anspruchsvoll ist», vermutet Markus Gammeter. Raumplaner sei halt auch eine politische Tätigkeit, man stehe sehr in der Öffentlichkeit. «Man muss in den Bauverfahren manchmal Leuten im Zusammenhang mit ihrem Privateigentum auf die Zehen stehen. Da ist man dann schnell der Böse.» Aber man hätte bei ihm immer gewusst, woran man sei. «Ich bin ein sehr direkter Mensch, habe aber immer versucht, lösungsorientiert zu arbeiten und Kompromisse zu finden.» Seine Stelle sei wohl auch nicht besetzt, weil es gar nicht genügend Leute mit der entsprechenden Ausbildung gebe. Im Frühling wird der Kanton die Stelle, die interimistisch besetzt wurde, erneut ausschreiben.

Der Abschied vom Team ging ihm nahe

Dass Markus Gammeter zum obersten Raumplaner Nidwaldens wurde, war alles andere als vorbestimmt. Zwar hatte er an der Uni Bern Geografie mit Nebenfach Geologie studiert, arbeitete nachher aber jahrelang in der Informatik, mit der er sich das Studium selber finanziert hatte. Erst die gezielte Anfrage eines Nidwaldner alt Regierungsrats brachte den Stanser dazu, 1994 als Amtsleiter einzusteigen. «Es war zwar ein finanzieller Rückschritt für mich, aber mich reizte es damals halt einfach, mein raumplanerisches Wissen auch umzusetzen.»

In den letzten Tagen vor seinem Abschied habe er stapelweise Akten entsorgt, sein Nachfolger werde keinen «Güsel» vorfinden, sondern nur aktuelle Dossiers. «Ich hänge nicht an der Vergangenheit, ich schaue in die Zukunft, deshalb fiel mir das leicht.» Bei den Menschen ging Markus Gammeter der Abschied hingegen nahe. «Wir hatten eine sehr gute Beziehung im Team.» Die Emotionen hätten ihm beim Abschied schon etwas zu schaffen gemacht.

Schlechte Beispiele von verdichtetem Bauen

In den vergangenen 25 Jahren habe sich auch in der Raumplanung viel verändert, erzählt Markus Gammeter. «Früher wurden Behördenentscheide noch eher akzeptiert, heute wird sofort ein Anwalt genommen und gestritten.» Es brauche aber die viel zitierte rote Linie, die für alle gelte. «Wir dürfen keine Präjudizien schaffen.» Die Gesetzgebung bezüglich Raumplanung sei viel komplexer und auch komplizierter geworden. Dafür sei aber auch der Landverbrauch gesunken.

Im verdichteten Bauen, das derzeit in aller Munde ist, sieht Markus Gammeter allerdings nicht die Lösung aller Probleme. «Es ist ein guter Ansatz, den man bei Bauvorhaben immer zuerst in Betracht ziehen muss, bevor Landwirtschaftsland eingezont wird.» Gegen verdichtete Bauprojekte gebe es aber oft Einsprachen von Nachbarn, beispielsweise wegen eingeschränkter Aussicht. «Verhindert wird damit aber kaum etwas, schliesslich hat die Gemeindeversammlung ja die entsprechenden Zonenpläne bereits verabschiedet.»

Es gebe auch schlechte Beispiele vom verdichteten Bauen. Die Frage sei immer, wie man die Menschen bei der Planung miteinbeziehe, ob es beispielsweise genügend Grünbereiche und Erholungsmöglichkeiten gebe. In den neuen Überbauungen Luzern Süd im Krienser Mattenhof würde er persönlich nicht wohnen wollen, das Wohl der Menschen sei zu wenig berücksichtigt worden. «Verdichtetes Bauen funktioniert nur, wenn es mit hohem Qualitätsdenken für das Wohnen verbunden ist.»

Immer noch zu viele Baukräne an Dorfrändern

Was dieses Wochenende auf seinem Abstimmungszettel zur Zersiedelungsinitiative steht, will Markus Gammeter nicht verraten. Die Initiative habe Vor- und Nachteile, lässt er sich dann doch entlocken. Aus fachlicher Sicht sei sie für ihn falsch, die Preise auf dem Wohnungs- und Landmarkt würden bei einer Annahme steigen, was negative Auswirkungen auf die Wohnungsmieten hätte. Man könne aber auch der Ansicht sein, dass nun vielleicht ein Punkt gesetzt werden müsse. «Die Revision des nationalen Raumplanungsgesetzes 2013 war zwar ein Meilenstein, aber sie hat bis heute zu wenig gebracht.» Auch in Nidwalden seien immer noch zu viele Baukräne zu sehen und meistens an den Dorfrändern, die Zersiedelung gehe munter weiter. «Manchmal kann man Dinge nur verändern, wenn man radikal Nein sagt», so Gammeter.

In Nidwalden hätten in den vergangenen zwei Jahren die Baugesuche um rund 50 Prozent zugenommen, mehr Personal zur Bearbeitung habe es aber nicht gegeben. Markus Gammeter wehrt sich denn auch gegen den Vorwurf, die Raumplaner seien schuld an den langen Verfahrensdauern bei Baubewilligungen. Es seien komplexe Verfahren, bei denen viele Faktoren zusammenspielen. «Viele Eingaben sind zudem nicht korrekt, das gibt dann eben auch Verzögerungen, bis alles beisammen ist.»

Ernüchternd ist die Antwort von Markus Gammeter auf die Frage, wie es denn beim Bauen im Bereich preisgünstiger Wohnungen aussehe? Schliesslich haben die Stimmbürger 2014 eine entsprechende Initiative angenommen. «Da ist nicht viel passiert. Wer bietet schon Wohnraum an, welcher weniger rentiert?» Es gebe für Bauherren einfach zu wenig Anreize. «Das Gesetz hätte konkreter sein müssen», redet er Klartext.

Wein, Reisen und die Harley

Der Eintritt ins Pensionierten-Leben sei anfänglich schon etwas komisch gewesen. «Es war zuerst wie Ferien, dabei hat man doch gar keine Ferien mehr.» Markus Gammeters Frau arbeitet nach wie vor oft auswärts, und schätzt nun die Hilfe ihres Ehemannes im Alltag. Zwar hätte er keine Kurse besucht, aber «wir haben uns darauf vorbereitet und schon früh über diesen Abschnitt diskutiert».

Markus Gammeter widmet sich nun noch ausgiebiger seiner grossen Leidenschaft Wein – im Speziellen den Rebensäften aus dem Bordeaux. 2016 hat er eine Sommelier-Ausbildung abgeschlossen. Seit Jahren ist er für einen Grossverteiler an verschiedensten Weinmessen tätig. Zum Weinhobby – in seinem klimatisierten Weinkeller hütet er ein ansehnliches Lager edler Tropfen – kommt künftig noch die Organisation von Weinreisen.

Reisen ist sowieso ein wichtiges Hobby des Ehepaars. Vergangenes Jahr haben sie sich ein neues Wohnmobil zugelegt, um die Schweiz und Europa zu bereisen. Oft sind sie auch gemeinsam auf der Harley unterwegs. Und nach der Pensionierung liegt auch wieder Wandern im heimischen Nidwalden drin. «Vorher konnte ich einfach nicht wegschauen, sah hier etwas Illegales, dort etwas. Es war besser, unsere Region zu meiden.»

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