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Nidwalden

Vom stillen Leiden des Nidwaldner Kirchenmalers Melchior Paul von Deschwanden

Der Nidwaldner Kirchenmaler Melchior Paul von Deschwanden erhielt just vor 85 Jahren ein Denkmal am Dorfplatz. Durch Renovationsarbeiten rückt er stärker ins Blickfeld – was ihn aber kaum freuen würde.
Steht schon seit Monaten auf ziemlich verlorenem Posten: das Denkmal zu Ehren des Malers Melchior Paul von Deschwanden. (Bild: Corinne Glanzmann (Stans, 19. Juni 2018))
Auch in der Kirche St. Oswald in Zug findet man Werke von Melchior Paul von Deschwanden. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 15. August 2018))

Markus von Rotz

Markus von Rotz

Er war Vielmaler. Über 2000 Ölbilder findet man vor allem in Kirchen in der ganzen Schweiz sowie im nahen Ausland und gar in Übersee. Viele haben vielleicht einen von Deschwanden zu Hause, ohne es zu wissen, in Miniaturform: Der Maler war dem Kommerz nicht abgeneigt und erlaubte dem Benziger-Verlag in Einsiedeln, aus Werken von ihm Andachtsbilder («Helgili») zu drucken. «Aus der heiligen Allianz erwuchs für beide eine Win-win-Situation», schrieb der frühere Staatsarchivar Hansjakob Achermann 2011 über einen Vortrag vor dem Historischen Verein Nidwalden über den Künstler.

Das war im Jubiläumsjahr: Man feierte den 200. Geburtstag von Paul von Deschwanden (1811–1881) unter anderem mit einer grossen Ausstellung. Zwei Jahre zuvor hatte die Firma Stöckli dem Nidwaldner Museum einen Teilnachlass des Stanser Malers als Schenkung übergeben. Die Regierung entnahm 60000 Franken aus dem Kulturfonds, um die Werke aufzuarbeiten.

Mittlerweile steht das Denkmal für von Deschwanden 85 Jahre am Dorfplatz, geschaffen 1933 vom Stanser Bildhauer August Bläsi (1903–1979), der unter anderem die Heiligenfiguren in der Lopperkapelle über der Acher­eggbrücke oder die Bruder-Klaus-Figur vor der Kirche Büren geschaffen hat. Freunde und Verehrer von Deschwandens setzten sich dafür ein, die Kirchgemeinde Stans übernahm es zur Obhut.

Unkraut und Holzlatten als neue Umgebung

Das Denkmal kam in den Vorgarten der 1932 eröffneten Kantonalbank. Heute arbeitet in diesem Haus die Regierung. Normalerweise. Derzeit findet man hier jedoch nur Handwerker, denn das denkmalgeschützte Gebäude wird von der Bank als Besitzerin für einen siebenstelligen Betrag saniert. Und dabei schenkt man dem alten Mann im Vorgarten kaum Beachtung, im Gegenteil: Holzlatten und Metallträger, Unkraut und Löcher, die von der Arbeit erzählen, prägen den mit einer Hecke eingezäunten Platz.

Davon kann der Kirchenmaler nichts mitbekommen. Seit 85 Jahren kehrt er dem Gebäude den Rücken – er soll wohl keine Geheimnisse des früheren Bankrats oder der heutigen Regierung mitbekommen. Zu allem Übel haben sie nun das Gebäude hinter ihm mit einer weissen Abdeckung eingekleidet, die ihn zwar prominenter in den Vordergrund rückt, gleichzeitig aber, könnte er nach hinten schauen, nur blenden würde. Er hört die Handwerker im Rücken, weiss von einem Kunstprojekt an der Einkleidung des Gebäudes, aber kann all das nicht sehen. Sein Beitrag ist, je nach Sonnenstand, höchstens noch ein Schatten von ihm auf der weissen Abdeckung. Auch die Leute, die sich auf die drei Bänke vor ihm setzen, erzählen ihm nichts – sie kehren ihm nur den Rücken zu. Ein trauriger Umstand nach 85 Jahren.

Zwiegespräch mit Winkelried in der Nähe

Immerhin bleibt ihm der Blick offen auf den Dorfplatz. Er kann ein Zwiegespräch mit dem doppelten Winkelried halten, dem auf dem Dorfbrunnen oder jenem im grossen Denkmal oberhalb des Dorfplatzes. Vielleicht kommt er dabei ins Sinnieren über seinen Erschaffer August Bläsi, der auch ein Werk beim Priestergrabmal der Pfarrkirche Stans geschaffen hat. Oder er denkt nach über sein eigenes vielfältiges Schaffen, dem man auch in Stans etwa in der Friedhofallee oder in der Kapelle im Altersheim (altes Spital) begegnet. Zuweilen schweift sein Blick wohl auch zum Stanserhorn, das er knapp noch hinter der Pfarrkirche sehen kann.

Von Deschwanden prägte rund 40 Jahre die religiöse Kunst in der Schweiz. Er hätte selber gar gerne in einem Kloster gelebt. Der tiefgläubige Katholik ärgerte sich im Alter, dass er der vielen Aufträge wegen flüchtig arbeiten musste und auf die Hilfe seiner grossen Schar nicht immer ganz koscherer Schüler angewiesen war, wie man aus rund 10 000 erhalten gebliebenen Briefen an Verwandte, Studenten und Patres des Klosters Einsiedeln weiss.

Reformierte zogen den Vorhang

Seine Bilder zeigten jeweils makellose Gesichter, allerdings ohne klare männliche oder weibliche Züge. Ihr Äusseres sollte nicht von der biblischen Botschaft ablenken. Gleich drei Altarbilder kaufte die römisch-katholische Kirchgemeinde im zürcherischen Birmensdorf 1863 und 1864 für total 1200 Franken. Die Reformierten aber konnten mit seinen Bildern weniger anfangen: Damit sie sich nicht gestört fühlten, wurde während ihres Gottesdienstes jeweils ein Vorhang gezogen.

Eines der grössten Werke von Deschwandens ist das «Jüngste Gericht» in der Oswaldkirche in Zug. Dort erhielt er 1865 den Auftrag, ein älteres Gebäude zu übermalen. Auch Deckenbilder in der Klosterkirche Engelberg und ­Altarbilder in der Peterskapelle in der Stadt Luzern entstammen seiner Arbeit. Dass er sich fast ausschliesslich auf sakrale Motive konzentrierte, wurde ihm zuweilen als einfallslos vorgehalten. Was ihm aber nichts anhaben konnte: «Ich male für fromme Gemüter und nicht für Kritiker», ist von ihm überliefert. Das Werk in Zug soll damals bei Touristen als eine der Hauptattraktionen der Stadt gegolten haben. Die kirchliche Anerkennung war ihm auch sicher: 1869 erhielt er von Papst Pius IX. eine Goldmedaille für sein Schaffen.

Bis im April 2019 muss der alte Mann im Garten vor dem Regierungsgebäude noch warten, bis dieses und mit ihm auch er just in der Mitte zwischen Salzmagazin und Winkelriedhaus, den beiden Gebäuden des Nidwaldner Museums, wieder richtig zur Geltung kommen kann. Die Wegweiser dorthin sieht er jeden Tag. Vielleicht erlebt er ja eine neue Rolle als Türöffner für Besucher, die das Regierungsgebäudes von innen sehen wollen. Dort wird der Künstler Roland Heini in der Cafeteria ein Relief schaffen. Dieses zeigt das Zusammenwirken der Nidwaldner Gemeinden.

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