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Nidwalden

Jodel-Koryphäe Emil Wallimann: «Die Schweiz braucht mehr Kinderchöre»

Beim Nachwuchs bestehe Handlungsbedarf, sagt Emil Wallimann aus Ennetbürgen. Der gebürtige Alpnacher ist der oberste Jodel-Ausbildner der Schweiz.
Emil Wallimann zieht im Interview Bilanz. (Bild: Pius Amrein (Ennetbürgen, 8. März 2018))

Kurt Liembd

Emil Wallimann aus Ennetbürgen ist seit bald zwei Jahren Mitglied des Zentralvorstands des Eidgenössischen Jodlerverbands (EJV) und gesamtschweizerisch Präsident der Fachkommission Jodelgesang. Damit ist der gebürtige Alpnacher der höchste Jodel-Ausbildner der Schweiz. Wir haben ihn nach seinen bisherigen Erfahrungen gefragt.

Wie gross ist Ihr Pensum beim EJV und ist diese Arbeit bezahlt?Emil Wallimann: Verbandsarbeit in diesem Sinne ist nie bezahlt. Es gibt einfach wie in jedem Verband Sitzungsgeld und Spesen. Mit dem Pensum habe ich mich getäuscht, denn ich arbeite täglich mehrere Stunden für den Verband.Sie haben eine höchst erfolgreiche und lange Karriere in der Blasmusik und als Musikschulleiter hinter sich. Ist Ihre neue Tätigkeit ein Grund, weshalb Sie sich vollständig von der Blasmusikszene verabschiedet haben?Wenn ich etwas mache, dann mit 100 Prozent Einsatz. Dies lässt aber nicht viele verschiedene Tätigkeiten nebeneinander zu. Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten immer für die Jodlerei eingesetzt, wenn auch nur auf Sparflamme. Die Musikschule und die Blasmusik, zusammen mit Verbandstätigkeit in der Blasmusik, haben meine zeitlichen Ressourcen vollkommen ausgeschöpft. Ich war mit Leib und Seele Musikschulleiter und Blasmusiker. Jetzt habe ich mich ganz von der Blasmusik verabschiedet und mache auch keine Experteneinsätze mehr. Nach wie vor bin ich aber ein treuer Fan der Ennetbürger Musik, die mir immer noch sehr nahe steht.Stimmt es, dass Sie als langjähriger Klarinettenlehrer sogar ihre eigene Klarinette verkauft haben?Das stimmt, das war aber eine Entscheidung nach reiflicher Überlegung. Als Berufsmusiker war für mich immer klar, dass es nach meiner Pensionierung nur zwei Optionen gibt: Entweder einem Ensemble beitreten, oder eben ganz aufhören. Nur jeden Monat merken, dass man schon wieder schlechter geworden ist, wollte ich nicht. Ich habe aber eine gute Alternative gefunden und besuche jetzt regelmässig Klavier- und Gesangsunterricht. Übrigens habe ich meine Klarinette einer guten Schülerin verkauft in der Hoffnung, dass ich sie so ab und zu noch hören kann.Was beinhaltet Ihre Tätigkeit als oberster Jodel-Ausbildner der Schweiz?Ich präsidiere fünf Kommissionen: Nachwuchs, Kursleiterausbildung, Dirigentenkurs, Weiterbildung und Jury-Aus- und Weiterbildung. Da arbeite ich mit hervorragenden Jodler-Persönlichkeiten aus der ganzen Schweiz zusammen. Nachdem nun die Kursleiter- und Dirigentenkurse schweizweit aufgebaut und etabliert sind, geht es um eine neue Jury-Ausbildung. Ein Hauptthema der nächsten Jahre wird der Nachwuchs sein, angefangen von den Jodel-Kinderchören bis zum Nachwuchs in den Klubs. Da wartet sehr viel Arbeit.Am 9. Januar fand im KKL erstmals ein Neujahrskonzert des EJV statt. Sie waren Initiant und Organisator dieses Konzerts. Braucht es das überhaupt?Es war ein Grosserfolg mit über 1500 Zuhörern. Die Idee dahinter ist folgende: Es sollten alte und ältere Kompositionen vorgetragen werden, um diese vor dem Vergessen zu schützen. Die Jodelszene hat ein immens grosses und wertvolles Liedgut aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, welches nicht vergessen werden darf. Wir boten einen Querschnitt durch die Jodlerszene der Schweiz – vom reinen Männerchor bis zum Frauenchor, vom Naturjodelchor bis zum städtischen Chor. Ganz wichtig ist, dass der Reingewinn vollumfänglich dem Nachwuchs zugutekam. Nur so können wir unsere Ziele diesbezüglich erreichen.Welches ist Ihr Hauptanliegen als Chef-Ausbildner der Jodlerszene?Wichtig ist mir ein breites Angebot im Bereich Aus- und Weiterbildung. Eine weitere Neuigkeit ist das Jugendchorlager, welches im Sommer 2020 zum zweiten Mal in Engelberg durchgeführt wird. Die Akzeptanz der Kinderchöre und die Unterstützung durch die Jodlerchöre muss verbessert werden. Ebenfalls braucht es schweizweit mehr Kinderchöre, um das schöne Liedgut schon in jungen Jahren der nächsten Generation weiterzugeben.Apropos Nachwuchs: Wie steht es damit im Jodlerbereich?In gewissen Gebieten der Schweiz besteht grosser Handlungsbedarf. Mit gezielten Fachartikeln in der Jodlerzeitung möchte ich den Chören dabei helfen, das Nachwuchsproblem in den Griff zu bekommen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass gut geführte und aktive Vereine, egal welcher Sparte, kaum Nachwuchsprobleme haben.In letzter Zeit reiten einzelne Jodlerchöre auf einer Welle in Richtung Schlager oder Pop. Was halten Sie davon?Grundsätzlich finde ich neue und innovative Ideen immer gut und förderlich.

«Was aber in letzter Zeit an Bearbeitungen von Pop-Songs mit Jodelchören auf dem Markt erschienen ist, schadet der Sache definitiv mehr, als es nützt.»

Vor ein paar Tagen wurde ich zum Beispiel angefragt, ob ich ein Arrangement des Liedes «Rosalie» des Rappers Bligg schreiben könnte. Es ist mir zum Glück gelungen, die Person von dieser Idee abzubringen.Weshalb lohnt es sich, aktiv in einem Jodlerklub mitzumachen?Jede Betätigung in der Musik, ob gesungen oder instrumental, ist die beste Erholung für Körper, Geist und Seele. Manch ein Sänger kommt voller Sorgen in die Probe und geht gestärkt und zuversichtlich nach Hause. Musikalische Vereine können überdies etwas anbieten, was in Zukunft gefragt sein könnte, nämlich eine kurze Zeit «offline», um sich einer wunderbaren Sache weit weg von Elektronik zu widmen.
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