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Nidwalden

Der «Gussasphalt-Papst»: Auf die Wuhan-Brücke folgt der Stanser Kreisel

Eine Eisenplastik am Stanser Dorfeingang löst Staunen aus. Ihr Schöpfer Heinz Aeschlimann ist in China bekannter als in Nidwalden.
Heinz Aeschlimann vor seinem Werk «Polarisierende Dynamik» in Stans. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 13. November 2020))

Romano Cuonz

«In Hergiswil begegne ich auf der Strasse Jugendlichen, die mir freundlich guten Tag sagen», freut sich der 73-jährige Unternehmer und Plastiker Heinz Aeschlimann. Eine Freundlichkeit, die andernorts selten geworden sei und mit ein Grund, dass er sich in Nidwalden wohl fühle. Tatsache ist: Der im Brückenbau weltweit erfolgreiche Unternehmer – Medien gaben ihm sogar den Spitznamen «Gussasphalt-Papst» – lebt schon seit 23 Jahren im Steuerparadies Hergiswil.

Aufgewachsen ist Heinz Aeschlimann in Zofingen als jüngstes von vier Kindern einer Unternehmerfamilie. Vorerst absolvierte er ein Ingenieur-Studium. Mit 38 Jahren war er Chef in der Firma. Unter seiner Führung wurden in eigenen Labors ausgeklügelte Beton-Gussasphalt-Mischungen entwickelt. Solche sparen beim Strassenbau Gewicht und damit auch Kosten ein. Der Belag bewährte sich im Gubrist-Tunnel genauso wie auf grossen Brücken rund um den Globus. In Dänemark war Aeschlimann am Bau der Storebaelt- und der Öresundbrücke beteiligt. Mit der Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke trägt die längste Seebrücke der Welt die Handschrift der Schweizer Firma.

Kurz vor Ausbruch der Coronakrise schloss Aeschlimann noch die Arbeit an der Wuhan-Brücke über den Jangtse-River ab. Ein beispielloser Erfolg! Und doch genügte er dem rastlosen Mann nicht. Er erklärt selbst:

«Wenn ein Unternehmer Erfolg haben will, braucht er auch kreative Visionen.»

Deshalb habe er sich immer auch künstlerisch betätigt und als Kulturförderer engagiert. Sein Vorbild sei dabei der bekannte Oltener Baumaschinenfabrikant, Maler und Eisenplastiker Franz Stirnimann (1915-1999) gewesen. Stirnimann und Aeschlimann verband vieles. «Bei ihm habe ich mehr gelernt als an einer Kunstakademie», bekennt Aeschlimann. Heute umfasst sein eigenes künstlerisches Oeuvre rund 700 teils haushohe Kompositionen aus Stahl, Eisen-Gussasphalt und Bitumen. Alles Materialien, die er vom Beruf her kennt und liebt.

Seine Plastiken stehen im chinesischen Skulpturenpark Wuhu, im Museum Moca in Beijing, in New York oder Chicago und in Vancouver oder Townhouse City von Orlando USA. Auch im Skulpturengarten Monte Ceneri oder im von ihm und seiner Frau aufgebauten Skulpturenpark des Klosters St. Urban begegnet man Aeschlimanns Werken. Und stets vermitteln sie geballte Kreativität. Nur: In seinem Wohnkanton Nidwalden nahm man den Künstler lange Zeit wenig wahr.

«Face to Face» und «Polarisierende Dynamik»

Auf Heinz Aeschlimann aufmerksam geworden ist man vor zwei Jahren, als in Stansstad der dritte Gebäudetrakt der Betagtensiedlung «Riedsunnä» eingeweiht wurde. An der rostroten Nordfassade des Hauses reflektiert ein riesiger Regenbogen aus Blattgold – geschaffen vom Künstlerpaar Veronika und Marco Schmid alias Queen Kong – die Umgebung und deren aktuelle Stimmung. Wie als Antwort darauf stellt Heinz Aeschlimann dem monumentalen Werk eine Eisenplastik direkt gegenüber. «Face to Face» ihr Titel. Auf den ersten Blick wirkt die Komposition schwer und massig. Schaut man länger hin, fällt einem auf, wie sie mächtige Arme ausbreitet. Harmonisch zum goldenen Regenbogen und zum Gebäudekomplex.

Seit einiger Zeit zieht auch eine luftig leichte Skulptur neben dem Kreisel Ennetmooser- und Stansstaderstrasse die Blicke auf sich. Voller Bewegung ist sie. Aeschlimann titelt sie «Polarisierende Dynamik» und philosophiert dazu: «Die losgelöste Dynamik einer Menschengruppe schafft hier Transparenz. Trotz eingeengtem Freiraum eröffnen sich Menschen die Möglichkeiten zur Expansion.» Wohl ein Bezug auf die Coronakrise.

Er will seine Erfahrungen an junge Künstler weitergeben

Sein Atelier hat Aeschlimann in einer ehemaligen Autogarage im luzernischen Roggliswil. Wer ihm dort begegnet, staunt über seine physische Energie und kreative Passion. Aeschlimann arbeitet oft pausenlos. Er komponiert, schneidet, fräst, schweisst, schleift, brennt, schrubbt, poliert und hämmert. Mit allen möglichen Techniken schafft er Werke, die verblüffen. Und immer auch zum Nachdenken anregen. Im Gespräch mit seinem Biografen Roy Oppenheim bringt er seine Leidenschaft für Kunst auf den Punkt: «Als Unternehmer und Bauingenieur stehe ich permanent in intensivem Kontakt mit meiner Umwelt sowie in ständiger Konfrontation zwischen Widerstand und Harmonie von Natur, Technik und Mensch.» Die Umsetzung dieser Eindrücke und Gefühle in gestalterische Energie bedeute für ihn ebenso Lebensquelle wie Entspannung.

Ein wichtiges Anliegen von Heinz Aeschlimann ist es, seine Erfahrungen und sein Können an junge Leute weiterzugeben. So lädt er, zusammen mit seiner Frau Gertrud, Jahr für Jahr jeweils zwei junge Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zu zweimonatigen Ausbildungen nach St. Urban ein. Dort haben Aeschlimanns in der ehemaligen Männerpsychiatrie des Klosters St. Urban eigens Wohnraum und ein Atelier für ihre Gäste aufgebaut. Wenn Aeschlimann darüber spricht, zitiert er gerne Franz Stirnimann, seinen eigenen Mentor und Förderer: «Wir dürfen nicht vergessen, zur Jugend zu schauen!»

Der Artpavillon St. Urban beim Kloster St. Urban lässt sich nach Vereinbarung besichtigen. (Tel: 079 697 79 73) Der Skulpturengarten, der von Aeschlimann und seiner Frau eingerichtet wurde, ist frei zugänglich. Mehr Infos unter www.art-st-urban.com.

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