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Luzern

Naturwissenschaftliche Lehrbücher im Kanton Luzern sollen weibliche Seite zeigen

Werden Frauen in einem naturwissenschaftlichen Lehrmittel genannt, spielen sie dabei oft eine Nebenrolle. Um mehr Frauen für die Naturwissenschaften zu begeistern, brauchte es «gendergerechte» Unterrichtsmaterialien, sagen Experten.
Frauen sollen weniger in einem klischeebehafteten und mehr in einem modernen Rollenbild gezeigt werden. 

Martina Odermatt

Wenn es um bekannte Wissenschaftlerinnen geht, dürfte einigen gleich Marie Curie in den Sinn kommen. Die Physikerin und Chemikerin beobachtete Strahlungen von Uran-Verbindungen und benannte diese als radioaktiv. Für ihre Arbeit erhielt sie zwei Mal den Nobelpreis. Nach Marie Curie dürften jedoch viele Leute lange überlegen, um weitere Wissenschaftlerinnen aufzählen zu können. Aber da wäre etwa Rosalind Franklin, die wesentlich zur Aufklärung der Doppelhelixstruktur der DNA beitrug, oder Lise Meitner, die mit ihrem Neffen die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung veröffentlichte.

Ob Curie, Franklin oder Meitner, eines verdeutlichen diese Beispiele unmissverständlich: In der Forschung gibt es wenige bekannte Frauen. Der Kanton Luzern versucht bereits, dem entgegenzuwirken. Etwa mit der Stärkung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) am Untergymnasium, auch werden die naturwissenschaftlichen Fächer in der Primarstufe gefördert, zum Beispiel mit einem MINT-Zelt, worin die Schülerinnen Experimente durchführen können.

Mathematik und Physik werden wenig gewählt

Nun geht der Kanton noch einen Schritt weiter: Die Lehrmittel sollen «gendergerecht» werden. «Beim gendergerechten Unterricht geht es nicht darum, Schüler zu vernachlässigen und Mädchen zu etwas zu zwingen», sagte Aldo Magno, Leiter Gymnasialbildung, gestern anlässlich einer Informationsveranstaltung für Gymnasiallehrer. «Es geht vielmehr darum, das Interesse für die Wissenschaft bei beiden Geschlechtern zu wecken und niemanden zu vernachlässigen.»

Denn: Im Vergleich zu anderen Ländern entscheiden sich in der Schweiz nur wenige Frauen für ein Studium in Naturwissenschaften. Doch das Problem beginnt schon früher. «Wenn es um die Schwerpunktfachwahl im Gymnasium geht, wählen praktisch keine Frauen Mathematik oder Physik. Besser sieht es bei der Biologie aus. Dort halten sich Mädchen und Buben die Waage», sagte Elena Marakova in ihrem Referat. Die Professorin der Universität Basel ging diesbezüglich etwa auf die Rolle des Unterrichtsmaterials ein. Marakova untersuchte ein Physikbuch auf die «Gendergerechtigkeit». Dabei ging es etwa um die Frage, wie oft und in welchem Kontext Frauen in Bildern vorkommen. Das Fazit: ernüchternd. Von insgesamt zehn Bildern im Lehrmittel waren Frauen auf deren drei; zweimal in Form von Mädchen in ihrer Freizeit und einmal als Sportlerin. Die Männer wurden in einem wissenschaftlichen Kontext abgebildet. Auch wimmele es im Buch von «Radfahrern, Beobachtern, Forschern, Sängern». Weibliche Formulierungen gebe es praktisch keine. «Wir werden das Lehrmittel nun mit den bisherigen Autoren überarbeiten», sagte Makarova.

«Ganz einfache Methoden»

Auch Peter Labudde, emeritierter Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz ist ein Verfechter der Gleichstellung. Er zeigte auf, welche Möglichkeiten die Lehrpersonen im Unterricht haben, um mehr auf die Mädchen einzugehen. «Dabei gibt es ganz simple Methoden, die Sie bereits morgen anwenden können», appellierte er an die Lehrpersonen. «Es geht in erster Linie darum, das Selbstvertrauen der jungen Frauen zu stärken.» Da nütze es bereits, wenn ewa schlechte Noten mit mangelnder Vorbereitung erklärt würden, und nicht mit mangelndem Talent. Oder wenn Benotungen nicht nur auf schriftliche Prüfungen erfolgten, sondern auch auf Experimente oder Projektarbeiten. «Bei diesen schwingen die Mädchen obenauf, was schliesslich wieder in einem erstarkten Selbstvertrauen mündet», sagt Labudde. Tauchen veraltete Rollenbilder in einem Lehrmittel auf, soll dies zudem im Unterricht angesprochen werden. «Die Zeiten, in denen Frauen nur in der Küche standen, sind vorbei.»

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