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Obwalden

Musikalische Reise mit Dudelsackeinlage

Unter Igor Retnev wuchs die Alpnacher Musik über sich hinaus. Höhepunkt im attraktiven Programm: der Dudelsackvirtuose Thomas Heid.
Dudelsackspieler Thomas Heid bestritt Soloauftritte im Konzert der Alpnacher Musik. (Bild: Romano Cuonz (Alpnach, 21. Mai 2022))

Romano Cuonz

«Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen», schrieb Mathias Claudius im 18. Jahrhundert, und er behält mit diesem Zitat bis heute Recht. Auch die Musikgesellschaft Alpnach wählte es für ihr Jahreskonzert als Motto. Ansagerin Angela Mathis sagte gleich warum: «Da sich das Reisen in der vergangenen Zeit als schwierig gestaltete, entführen wir Sie mit unseren musikalischen Klängen in ferne Länder. Lassen Sie sich vom Fernweh treiben!» Dieser Aufforderung folgte das Publikum noch so gerne. Dies, zumal die Blasmusik, nach zweijähriger Pause, unter ihrem neuen Dirigenten Igor Retnev mit einem musikalisch anspruchsvollen «Reise»-Konzert aufwartete. Zu den fulminanten Tönen kam ein passend farbiges Dekor: mit rund um die Bühne drapierten Reisegegenständen. Und vor allem, mit ausgewählten Lichtbildern, die die Weltreise illustrierten: angefangen bei Mühlen und Tulpen bis hin zur Moulin Rouge in Paris oder einem Wiedersehen mit Pepe Lienhard.

Highland Cathedral und Dudelsacktöne

Die Reise führte vorerst nach Holland: mit dem «Concerto d’Amore» von Jacob de Haan. Ein geniales Stück, das im Barock-Stil beginnt, nach und nach in Pop-Rhythmen übergeht und im Jazz-Groove endet. Schon bei diesem Auftakt erkannte man, mit wie viel musikalischem Gespür und Gelassenheit Igor Retnev das Ensemble von einer musikalischen Welt in die andere führte. Immer wieder erklangen kurze Solis von Hörnern, Flöten oder Trompeten. In «Paris by Night» von Roman Tailor zauberte das Blasorchester Bilder vom Montmartre, der Pigalle und dem malerischen Quartier Latin in den Saal. Bei den mitreissenden «Can-Can»-Passagen war das Publikum kaum mehr zu halten.

Zum ersten Höhepunkt im Jahreskonzert kam es, als der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Dudelsackvirtuose Thomas Heid in schottischer Montur in den Saal marschierte. Bei gleich zwei Darbietungen stand er mit seinem Soloinstrument im Mittelpunkt. Zuerst in «Amazing Grace», arrangiert von John Glenesk Mortimer und dann in der geheimen schottischen Nationalhymne «Highland Cathedral». Dieses Stück ertönt Mal für Mal während der berühmten «Highland Games», einem der wichtigsten schottischen Volksfeste. Wie virtuos Heid dem Dudelsack Töne zu entlocken vermochte, war phänomenal. Eindrücklich auch sein harmonisches, präzises Zusammenspiel mit den Alpnacher Musikantinnen und Musikanten.

Bravourös gespielte «West Side Story»

Nach einem Abstecher nach Portugal mit dem rassigen Stück «O Vitinho» von Francisco Marques Neto ging’s nach Amerika. In Leonard Bernsteins unverwüstlichem Romeo-und-Julia-Drama «West Side Story» wuchs die Alpnacher Blasmusik über sich hinaus. Der Bandenkrieg, die Liebesszene von Tony und Maria, alles war wieder da, intoniert von Blech, Holz und ganz stark auch Schlagzeug und Perkussion. Immer wieder flammten Passagen von Einzelinstrumenten auf. Man spürte förmlich, wie der Funke aufs Publikum übersprang.

Nach der Pause wurden in teils sehr fordernden Kompositionen nochmals vier Reiseziele avisiert. Zuerst besuchte man den Filmhelden «Kung Fu Panda» im fernen China. Die Musik zum von Kindern über alles geliebten Film ist voller Überraschungen: Feine Perkussion, Paukenschläge, Trommelwirbel, Saxofon oder feinste Flötentöne wechseln ab.

Beim Militärmarsch «Wien bleibt Wien» von Johan Schrammel – einem wahren Juwel – intonierte das Orchester militärische Disziplin. Dennoch bleibt dieser Parademarsch beschwingt und melodiös.

Und – als ob man nicht schon genug geboten hätte – setzte man mit den beiden Schlussstücken nochmals einen Zacken drauf: Bei einem «Pepe Lienhard Medley» kam es zum «Wiederhören» von Stücken mit Potenzial zu «Ohrwürmern». Da war die berühmte «Swiss Lady». In Alpnach mimte Toni Wigger auf dem Euphonium gekonnt das Alphorn. Dazu kamen der «Piccolo Man» mit einem brillanten Piccolo-Solo und «Sheila Baby».

Schliesslich verabschiedeten sich die Alpnacher Musikerinnen und Musiker – nach ihrem wahrlich anspruchsvollen musikalischen Reiseprogramm – mit einer nochmals sehr kniffligen Version von «Around the World in 80 Days» von Otto M.Schwarz. Die vielen Hindernisse, die Jule Vernes Helden Phileas Fogg und Jean Passepartout auf ihrer Weltreise auf Zeit zu überwinden hatten, wurden von verschiedenen Instrumentengruppen und Einzelpassagen gemeistert. Das Publikum, zurück von einer Weltreise, applaudierte herzlich und lange. Die Alpnacher unter Igor Retnev hatten sich diese Anerkennung mit grossem Einsatz mehr als verdient.

Nächster Auftritt der Alpnacher Blasmusik: «Muisigwaldfäscht» am 15. und 17. Juni im Schulhauswald Alpnach

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