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Nidwalden

In der neuen Mundart-Ausstellung im Nidwaldner Museum geben «Gäids» statt Guides Auskunft – so urchig scheen klingt Nidwaudner Deytsch

«Heepä», «Gigele» oder «Gäitsche», so tönt es zurzeit im Nidwaldner Museum. Deutschschweizer Mundart wird in den Brennpunkt gerückt. Auch das Fluchen darf nicht fehlen.
Museumsleiter Stefan Zollinger demonstriert, wie in der neuen Ausstellung über Mundarten jeder Besucher seinen eigenen Kopfhörer bekommt. (Bilder: Romano Cuonz (Stans, 15. Mai 2020))
(Bild: PD/Christian Hartmann)

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Wer nach Aufhebung des allgemeinen Lockdowns dem Nidwaldner Museum Salzmagazin einen Besuch abstattet, staunt schon im Eingangsbereich. Obwohl auch dort die Abstandsregel gilt und der obligate Desinfektionsspray in Reichweite ist, bleibt man nicht auf dem Trockenen sitzen. Da wird einem ein «Eröffnungsapéro to go» angeboten – mindestens in der ersten Woche. Stefan Zollinger, Leiter des Nidwaldner Museums und des Amts für Kultur, schmunzelt: «Weil wir wegen Covid-19 auf eine grosse Vernissage zur neuen Ausstellung verzichten mussten, kamen wir auf diese Idee.»

Zollinger hat das Projekt für die Ausstellung «Heepä, gigele, gäitsche» gleich selber an die Hand genommen. Und er hält noch weitere Überraschungen bereit. Neben dem Apéro-Glas wird jedem Gast ein eigener Kopfhörer in die Hand gedrückt. Macht man sich dann auf den Weg zum Ausstellungsraum, stutzt man gleich nochmals. Da begrüssen einen – lebensgross dargestellt – vier bekannte Nidwaldner Persönlichkeiten aus verschiedenen Generationen: Renate Metzger-Breitenfellner, Simon Mathis, Brigitt Flüeler und Roli Simitz. Und so tönen sie – in bestem Nidwaldner Dialekt:

Über ihren Konterfeis ist gross und deutlich zu lesen: «Isi Gäids durd Uisstellig.» Obwohl man das eher neudeutsche denn urschweizerische Wort «Gäids» in klassischen Mundartwörterbüchern vergeblich sucht, wird einem bald klar, womit die vier einen überraschen wollen: An den Audiostationen plaudern sie über ihren persönlichen Umgang mit der Mundart. Und sie greifen auf recht amüsante Weise die fünf Themenbereiche der Ausstellung auf. Allein die Überschriften dazu machen neugierig: Dazugehören. Schimpfen und Fluchen. Lesen und Schreiben. Einst, heute und morgen – Hochdeutsch.

Wir kennen mehr Dialekte als Kantone

Im Gegensatz zu Deutschland hat die Deutschschweiz die Mundart bis heute als Umgangssprache behalten. Indessen: Kein Kanton – nicht einmal das mächtige Bern mit seiner in Literatur und Chansons dominierenden Mundart – hätte in unserem föderalistischen Land den eigenen Dialekt zur Nationalsprache erklären können. Ja, in der Deutschschweiz gibt es gar weit mehr Mundarten als Kantone. Allein Nid- und Obwalden kennen mehrere lokale Idiome und eine dazugehörige Mundartliteratur.

Die aktuelle Ausstellung legt ihr Gewicht allerdings stärker auf linguistische denn auf literarische Eigenheiten der Dialekte. Hörbar und anschaulich erfährt man wie intensiv sich in der Deutschschweiz Wissenschaft, Politik, aber eben immer auch die Bevölkerung selber, um die Erhaltung der Mundarten kümmern. Mit dem Dialekt zeigt man hierzulande seit eh und je auf, wo man dazu gehört. Und die Kehrseite der Medaille: Auch jene, die als «fremdi Fetzlä» gelten, fallen sofort auf.

Die Ausstellung stellt auch kritische Fragen: Stirbt der Dialekt, wenn junge, mobile Menschen aus ihm ein regionales Mischmasch machen? Oder: Ist dieser Wandel der gesprochenen – und mittlerweile von Jungen in ihren SMS mehr und mehr auch wieder geschriebenen – Mundart gerade der Beweis dafür, dass sie weiterlebt? Und weiterleben wird?

Verortung durch ein «Chuchichäschtliorakel»

Auch grosse Schrifttafeln – etwa eine mit Julian Dilliers unvergesslichem Gedicht «Mäntschä sind mengisch wiä Gärtä» – gibt es in der Ausstellung.

Oder viele Bilder, Gegenstände, Bücher und andere Exponate aus 200 Jahren Dialektforschung. Ein lebendiges Ausstellungserlebnis aber bescheren einem die zahlreichen interaktiven Möglichkeiten. Kuratorin Jacqueline Häusler und Szenograf Markus Bucher setzen sie allenthalben ein. Via Kopfhörer oder auf Knopfdruck kann man sich an Radiosendungen oder Videos erfreuen. Man begegnet Objekten aus der Sammlung des Museums, die in der Schweiz viele Namen haben: etwa einem «Hurdeli». Auch eine Station für die Kleinen gibt es, wo sie Geschichten hören können. Sogar ein Buch, in das jede und jeder seine eigene Mundartgeschichte schreiben kann, liegt bereit. Besonders lustig ist ein «Chuchichäschtliorakel», das einen fragt, wie man diesem oder jenem sagt und einen dann am Schluss zielgenau verortet.

Was man auch erfährt – aber vielleicht im Alltag doch lieber nicht zu oft anwendet – ist, wie man deutsch und deutlich flucht. Selbst wer dem Phänomen Mundart eher wissenschaftlich auf den Grund gehen möchte, kommt immer wieder auf seine Rechnung. Und da ist noch etwas, das sogar über die Ausstellungsdauer hinaus Wirkung haben dürfte. Man schreibt ein Mundartwort auf, das man liebt. Damit wird man zum «Wortgötti» oder zur «Wortgottä» und verpflichtet sich, dieses Wort bei jeder nur möglichen Gelegenheit zu gebrauchen. Und so zu erhalten!

Ausstellung im Nidwaldner Museum Salzmagazin: «Heepä, Gigele, Gäitsche – Mundart in der Deutschschweiz». 27. Mai bis 1. November 2020. Mittwoch, 14 bis 20 Uhr. Sonntag 11 bis 17 Uhr. www.nidwaldner-museum.ch

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