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BUCHTIPP

«Mein Herz ist eine Krähe» von Lina Norquist

Eine Familiengeschichte aus dem hohen Norden.

Der Roman ist auf zwei Zeitebenen aufgebaut. Die erste Ebene spielt Anfang 1900. Die Protagonistin Unni ist eine junge Frau, welche aus Norwegen fliehen muss, weil sie der Unzucht und des Mordes angeklagt wird.

Nicole Röllin von der Bibliothek Menzingen.
Bild: Bild: zvg

Zusammen mit Armond, ihrer grossen Liebe, und ihrem Sohn Roar flieht sie nach Schweden, wo sie niemand kennt und sie zusammen ein neues Leben aufbauen können. Sie schlagen sich durch bis nach Hälsingland; dem Tod nahe und voller Verzweiflung.

Bald finden die drei eine einsame Kate an einem Waldrand und können diese vom Nachbarbauern pachten. Doch zu welchem Preis? «Frieden» heisst ihr neues Zuhause. Der Start in ihr neues Leben ist beschwerlich und die ersten Winter überleben sie nur knapp. Der Hunger und die Not sind übermächtig.

Bald darauf kommt die erste gemeinsame Tochter zur Welt. Die vier leben ein einfaches, arbeitsreiches Leben im Einklang mit der nordischen Natur und den Jahreszeiten.

Armond verdient den grossen Teil des Familieneinkommens als Waldarbeiter. Er überlebt zwar einen schweren Bärenangriff, stirbt dann aber später bei einem Forstunfall und das, gerade als Unni merkt, dass sie zum dritten Mal schwanger ist.

Es folgen schwierige Jahre für Unni. Sie ist gezwungen, ein Versprechen an Armond zu brechen. Dazu muss sie schier Unerträgliches aushalten, um ihr und das Leben ihres Rudels, wie sie es nennt, zu sichern.

Die zweite Zeitebene spielt in den 1970er-Jahren in der gleichen Kate am Waldrand. Geblieben ist nur Roar, der Sohn von Unni. Er lebt zusammen mit seiner Frau Bricken, dem gemeinsamen Sohn Dag und dessen Frau Kara in seinem Elternhaus. Auf der zweiten Ebene erzählt uns Kara ihren Weg, wie sie die Hoffnung auf dem Hof «Frieden» sucht. Was sie findet, ist Trostlosigkeit, aber auch tiefe Liebe an unerwarteter Stelle. Beim Lesen erhält man immer mehr Einblick in die familiären Strukturen. Manches scheint einem etwas verstörend und befremdlich. Die Zusammenhänge werden beim Lesen dann aber schnell klar.

Bild: Bild: zvg

Die Geschichte von Unni und Kara ist sprachgewaltig geschrieben und hat mich total in den Bann gezogen.

Es ist ein Roman, der feinfühlig und raffiniert gestrickt ist. Besonders spannend ist, dass Gegenstände aus der ersten Ebene wie Zeitanker in der Zweiten wieder auftauchen. Sprachlich hat mich dieser Roman total überzeugt, ebenso die Geschichte, auch wenn es keine leichte Kost ist.

Die Autorin Lina Norquist ist nicht nur eine grossartige Geschichtenerzählerin, sie ist auch Mitglied im schwedischen Parlament, Professorin für Physiologie und Diabetesforscherin. Ihr Debütroman «Mein Herz ist eine Krähe» wurde in Schweden als Buch des Jahres 2022 ausgezeichnet.

Lina Norquist: «Mein Herz ist eine Krähe»; erschienen im Diogenes Verlag, 464 Seiten; ISBN 978-3-257-07261-7

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