notifications
Kanton Luzern

«Man schiebt sie ab» – Plädoyer für eine bessere Wohnraumplanung

Zwei Luzerner fordern, dass die verschiedenen Behörden bei der Schaffung von Alterswohnungen besser zusammenarbeiten – und dabei auch die Seniorinnen, Senioren und übrige Bevölkerung stärker miteinbeziehen. 
Über hindernisfreie Wohnungen freuen sich nicht nur Seniorinnen und Senioren.
Bild: Symbolbild: Christian Beutler/Keystone

85'000 Menschen über 65 Jahre leben im Kanton Luzern. Schon in 25 Jahren werden es gemäss Bevölkerungsszenario 130'000 sein. Wo und wie werden sie wohnen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Urs Strähl und Alex Willener. Strähl ist Grafiker und Designer, ehemaliger Leiter und Dozent für visuelle Kommunikation and der Hochschule Luzern Design und Kunst, Prorektor der dortigen Fachklasse Grafik und hatte weitere Lehraufträge in Basel, Bern, Biel sowie an verschiedenen Universitäten in den USA. Willener ist Sozialwissenschaftler, war bis 2022 Dozent und Forscher an der Hochschule Luzern – soziale Arbeit – hat Städte- und Gemeindeentwicklungsprojekte vorangetrieben und ist Co-Präsident der Wohnbaugenossenschaft Wogeno Luzern.

Sie wollen eine öffentliche Diskussion lancieren. Eine Diskussion, die immer mehr Menschen betrifft – direkt und indirekt. Urs Strähl startet mit einem Beispiel aus seiner Nachbarschaft. In Neuenkirch entstand in den letzten zehn Jahren die Überbauung Lippenrütipark: drei Mehrfamilienhäuser mit 55 Wohnungen für Mieterinnen und Mieter ab 60. Nicht im Dorf und nicht am Bahnhof, sondern – je nach Perspektive – dazwischen oder am Rand.

Letzter Bus um 19.30 Uhr

Die Wohnungen sind begehrt und dürften auch den Geschmack einiger Mietender treffen, sagt Strähl. Um dann anzufügen, dass die Überbauung auch Ausdruck dessen ist, wie unsere Gesellschaft noch immer mit älteren Menschen umgehe: «Man schiebt sie ab.» Wer im Lippenrütipark wohne, nicht mehr sehr mobil und ohne Auto sei, aber am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wolle, sei auf fremde Hilfe angewiesen. «Ein abendlicher Besuch im KKL ist zum Beispiel nicht möglich.» Um 19.30 Uhr fährt in Luzern der letzte Bus ab und der Bahnhof Sempach-Neuenkirch ist einen Kilometer Fussmarsch von der Überbauung entfernt.

Lagen an der Peripherie erschweren laut Alex Willener auch die Durchmischung verschiedener Altersgruppen, was die Lebensqualität aller Involvierten steigern würde: «Stellen Sie sich vor, wie jüngere Nachbarinnen den älteren mit Einkäufen helfen, während die Älteren dafür die Kinder junger Familien hüten.» Dafür brauche es nebst einer zentralen Lage auch Gebäude, die auf Bewohnende verschiedenen Alters zugeschnitten sind. Das sei in der Praxis gar nicht so schwer. Von barrierefreien Gebäuden profitieren schliesslich auch Eltern mit Kinderwagen.

Haus passt sich seinen Bewohnern an

Auch das Problem, dass viele ältere Menschen mangels kleinerer, günstigerer Alternativen in grossen Wohnungen leben, lasse sich am ehesten baulich lösen. Mit modularen Häusern, in denen mit verhältnismässig kleinen Eingriffen aus einer grossen Wohnung zwei gemacht werden können – oder aus zwei kleinen eine grosse. Denn die verschiedenen Liegenschaftsbesitzer dazu zu bringen, Wohnungstausche anzubieten, sei höchstens bei Genossenschaften möglich.

Neue Ansätze brauche es auch bei der Planung von Alterswohnungen. «Das geschieht nämlich noch oft sehr sektoriell, was nicht ohne Widersprüche ist», spricht Willener aus eigener Erfahrung. In Hasliberg hat er ein an zentraler Lage geplantes, breit abgestütztes und verankertes Mehrgenerationenhaus-Projekt begleitet, das vom Kanton Bern gleichermassen gefördert und blockiert wird: «Das Projekt stützt sich auf das kantonale Altersleitbild ab, der Bau verzögert sich aber wegen raumplanerischer Hindernisse desselben Kantons.»

Willener und Strähl plädieren für eine gemeinsame Wohnraumplanung durch erfahrene, zukunftsorientierte Experten und Planer, für anmutende innovative Architektur und Gestaltung mit geeigneten Innen- und Aussenräumen mit Parkanlagen, sowie flexiblere Mobilität, soziale Integration – alles soll eine symbiotische und attraktive Einheit bilden. Ziel müsse sein, einen lebendigen und dynamischen Ort zu schaffen, der für die Bewohner und die Nachbarschaft gleichermassen attraktiv sei und zu einem neuen sinnbringenden, erlebnisreichen Lebensraum werde.

Kommentare (0)