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Luzern

Luzerner Klima-Aktivistinnen im Interview: «Es braucht mehr als kleine Schritte»

Fordernd und frustriert – aber doch voller Hoffnung: So tickt jene Luzerner Jugend, die fürs Klima auf die Strasse gegangen ist und wieder gehen wird. Wir haben mit zwei Aktivistinnen gesprochen.
Die Klima-Aktivistinnen Jorina Rast (links) aus Rain und Lena Merz aus Hildisrieden. (Bild: Philipp Schmidli, Rain, 17. Februar 2019)

Raphael Zemp

Die Jugend protestiert wieder, schwänzt fürs Klima sogar die Schule. Was die schwedische Schülerin Greta Thunberg mit ihrer Protestaktion angestossen hat, findet auch in der Zentralschweiz Widerhall. Zweimal schon ist es in der Stadt Luzern zu Protestkundgebungen gekommen. Und wenn es nach den Organisatoren geht, dürfte noch einiges folgen.

Wer steckt hinter diesen Protesten? Wie tickt die Luzerner Klimajugend? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, haben wir uns an die Kantonsschule Beromünster aufgemacht und Lena Merz (17) aus Hildisrieden sowie Jorina Rast (17) aus Rain getroffen. In einem nüchternen Gruppenraum erklären sich die Aktivistinnen ausführlich.

Lena Merz und Jorina Rast, die Erde erwärmt sich, das Problem ist menschengemach. Seit Jahrzehnten schon ist das bekannt. Fast ebenso lange versuchen verschiedene Akteure, einen grundlegenden Kurswechsel einzuläuten – mit mässigem Erfolg. Habt ihr nicht Angst, dass eure Proteste letztlich im Nichts verpuffen? Lena: Nein. Unsere Bewegung hat schon einiges erreicht. Wir haben das Thema Klimaerwärmung wieder aufs Tapet gebracht. Leute reden wieder darüber und hinterfragen dabei auch ihre eigene Rolle kritisch. Zudem haben wir andere mit unserem Enthusiasmus angesteckt: Die Luzerner Klimajugend, die als lose Gruppierung begonnen hat, ist inzwischen zu einem stattlichen Organisationskomittee mit 26 Mitgliedern angewachsen.

Jorina: Zudem verfolgen wir klare Ziele. Die Ausrufung des Klimanotstandes ist eines davon. Bis 2030 sollen die Netto-Treibhausgasemissionen auf Null reduziert werden. Das ist unser übergeordnetes Anliegen. Aber auch auf lokaler Ebene haben wir konkrete Forderungen. Das Thema Klimaerwärmung soll etwa mehr Beachtung finden an den Schulen und in der Gesellschaft.

Vor allem aber muss die Politik erkennen, dass der Klimawandel nicht bloss ein Problem, sondern bereits eine ausgewachsene Krise ist.

Lena: Genau. Schliesslich geht es um unsere Zukunft. Wir Jungen müssen ausbaden, was jetzt versäumt wird.

Ihr sagt: die Politik muss in Sachen Klima endlich entschieden zupacken, Entscheidungsträger müssen umdenken. Ihr sagt aber auch: Jeder kann im Kleinen für einen Unterschied sorgen. Wie tut ihr das?

Lena: Ich ernähre mich seit vier Jahren vegetarisch, trage stets eine Tasche mit mir, damit ich nicht auf Plastiksäckli angewiesen bin. Ich kaufe oft Secondhand-Kleider, stöbere auf Flohmärkten und verzichte nicht selten komplett auf unnötigen Konsum.

Jorina: Bei mir sieht das ähnlich aus. Ich versuche, tierische Produkte durch pflanzliche zu ersetzen und vermeide Flüge. Den Ort, an welchem mein Bruder ein Austauschjahr macht, werden wir per Zug besuchen, trotz längerer Reisedauer und höheren Kosten. Damit solche Entscheide fallen, muss man oft viel diskutieren. Mit der eigenen Familie, mit Freunden, aber auch mit jenen, die uns für naive, gutbehütete Kantischülerinnen halten, die dann schon noch auf die Welt kommen werden.

Tatsächlich sind mit euch nicht nur zwei Frauen, sondern auch zwei Kantischülerinnen für die Kommunikation mit den Medien zuständig. Ein Zufall?

Lena: Ich bin eher zufällig reingerutscht – ins OK wie auch in meine derzeitige Funktion als Medienverantwortliche. Allerdings interessiere ich mich als engagiertes Mitglied der jungen Grünen schon lange für das Thema Klimawandel.

Jorina: Und Lena wiederum hat mich ins Boot geholt. Einer Partei gehöre ich aber nicht an. Überhaupt ist unsere Bewegung parteiunanbhängig – auch wenn gelegentlich das Gegenteil behauptet wird. Ebenso spielt es keine Rolle, wie alt man ist und welche Ausbildung und welches Geschlecht man hat. Die Klimakrise geht alle etwas an.

Lena: Dass wir ein bunter Haufen sind, hat sich auch auf der Strasse gezeigt: Schon am ersten Schülerstreik nahmen nicht nur Kantonsschüler teil, sondern auch Sek- und Berufsschüler. Noch durchmischter war der Protestaufmarsch an der zweiten Klimademo. Da waren nicht nur wir Jungen vertreten, sondern auch ältere Sympathisanten, Familien mit Kindern.

Zurück zum Thema Fliegen: Ein Veganer, der des übermässigen Konsums überdrüssig ist, will innerlich wachsen – und fliegt kurzerhand für einen einwöchigen Yoga-Kurs nach Indien. Was haltet ihr davon?

Lena: Wer sich im Alltag klimabewusst verhält, macht schon mal etwas Entscheidendes richtig. Der geschilderte Fall weckt gewisses Verständnis in mir. Und trotzdem ist es letztlich keine Entschuldigung.

Ich glaube, wir müssen uns darauf einstellen, dass in Zukunft einfach weniger in der Weltgeschichte herumgejettet werden kann.

Jorina: Das hoffe ich auch. Es wird künftig nicht mehr möglich sein, so viel zu fliegen wie es heute. Es wird aber extrem schwierig, dieses bequeme und leider viel zu preiswerte Transportmittel aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Es muss ein Umdenken stattfinden, und die Politik ist gezwungen, hier Massnahmen zu ergreifen.

Viele Transparente an «euren» Klimakundgebungen machen für die aktuellen Missstände vornehmlich den Kapitalismus verantwortlich.

Jorina: Ich sehe das Problem besonders darin, dass der ohnehin bereits übermässige Konsum durch die Werbeindustrie noch weiter angekurbelt wird. Es ist krass, wie viel Unnützes und Unnötiges produziert wird. Das muss aufhören. Auch hier muss etwas gehen. Kleine Schritte in die richtige Richtung sind schön. Es braucht aber mehr. In vielerlei Hinsicht ist es nicht nur fünf vor, sondern nach zwölf.

Ihr beide verzichtet auf vieles, der Umwelt zu liebe. Andere hingegen konsumieren, was das Zeug hält, prahlen mit ihrer Vielfliegerei. Frustriert euch das nicht?

Lena: Doch. Manchmal macht mich das wütend und traurig. In den dunkelsten Momenten denke ich sogar: Wozu mache ich das alles? So hat das doch alles keinen Sinn. Dann aber rufe ich mir in Erinnerung, dass Aufgeben keine Option ist, die Hoffnung stirbt zuletzt. Nicht wenige schimpfen uns naive Idealisten. Welches Zeichen würden wir auch ihnen gegenüber setzten, wenn wir unsere Ideale einfach kampflos aufgeben würden?

Jorina: Wir hören erst auf, wenn wir unsere Ziele erreicht haben. Hoffentlich ist dies schon bald der Fall. Wir sind aber realistisch genug, um zu wissen, dass wir nicht von heute auf morgen die Welt um 180 Grad drehen können. Es wird unser Engagement wohl noch lange brauchen.

Hinweis:
Heute Abend empfängt die Luzerner Regierung in der Person von CVP-Bildungsdirektor Reto Wyss einige Klimaaktivisten, um mit ihnen aktuelle Fragen rund um die Klimaerwärmung zu erörtern.

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