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Luzern

Luzerner Eltern kämpfen für Sohn mit Trisomie 21 – blitzen vor Gericht aber ab

Für einen 11-Jährigen mit Trisomie 21 erhalten Eltern keine Entschädigung für die heilpädagogische Förderung. Für den Knaben bedeutet das nun einen Schulwechsel.
Die betroffene Mutter und der 11-jähriger Sohn beim Malen in ihrem Zuhause in einer Luzerner Landgemeinde. (Bild: Pius Amrein (16. Juni 2020))

Ernesto Piazza

Wenn Eltern aus Rücksicht auf die Bedürfnisse eines Kindes dieses nicht in der öffentlichen Schule unterrichten lassen, werden die Kosten in der Regel von Gemeinde und Kanton nicht übernommen. So hat das Kantonsgericht kürzlich in einem Fall entschieden, indem es eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde abwies. Es geht um Entschädigungen für Leistungen für die heilpädagogische Förderung eines Jungen, der mit Trisomie 21 geboren wurde. Der Fall ist komplex und hat den Eltern in einer Luzerner Landgemeinde in den letzten fünf Jahren viel Schreibkorrespondenz, Abklärungen und auch schlaflose Nächte beschert.

Begonnen hatte alles damit, als es um die Einschulung des mittlerweile 11-Jährigen ging. Die Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern (DVS) verfügte für ihn «ausnahmsweise», wie es im Gerichtsurteil heisst, für die Schuljahre 2014/15 und 2015/16 in der privaten Regelschule Chinderhus Wanja in Ebikon zwei Kindergartenjahre. Damit habe man ihm die Option Integration vor Separation offenhalten wollen. Danach – und im Bestreben, dem Jungen eine möglichst optimale Anschlusslösung zu ermöglichen – begann für die Eltern aber eine Odyssee.

Eltern zahlen bereits Grossteil des Schulgeldes

Weil eine integrative Schulung aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht möglich war, liessen die Eltern ihren Jungen an der Rudolf Steiner Schule in Ebikon einschulen. Dies geschah auf Empfehlung der Sozialpädagogin und Co-Leiterin des Chinderhus Wanja. Dieselbe Einschätzung resultierte aus dem Bericht der Therapeutin für Sprachgestaltung. Sie hatte den Jungen mehrere Jahre lang begleitet.

Bis heute besucht dieser die besagte Privatschule. Das Schulgeld berappen die Eltern selber. Einziger Streitpunkt: die heilpädagogische Unterstützung. Es geht um die von den Eltern bisher ebenfalls bezahlten sechs Zusatzlektionen pro Woche durch die Heilpädagogin.

Mit Rudolf Steiner Schule hat der Kanton keine Vereinbarung

Das Kantonsgericht hat jetzt bestätigt, dass die DVS diese Kosten nicht übernehmen muss. Denn die Eltern hätten mit der Anmeldung für die Rudolf Steiner Schule auf die kantonalen Sonderschulangebote verzichtet und gleichzeitig das Sonderschulverfahren abgebrochen. Bei der Institution handle es sich zwar «unbestrittenermassen» um eine private Regelschule, die als Privatschule anerkannt sei. Mit ihr bestehe aber keine Leistungsvereinbarung.

Mittlerweile habe der Junge aber inmitten des jetzigen schulischen Umfeldes mit gesunden Kindern enorme Fortschritte gemacht und werde vollauf akzeptiert, erzählen die Eltern. «Dabei hatte die Schulpsychologin uns als einzige Möglichkeit, die bezahlt worden wäre, die Sonderschule HPZ Hohenrain als Anschlusslösung empfohlen.» Auch weitere Anläufe der Eltern betreffend einer Kostenübernahme blieben erfolglos. Die Fortschritte ihres Kindes bestärken sie jedoch in ihrem gefällten Entscheid. Umso mehr, da alle involvierten Fachpersonen der Ansicht seien, dass ihr Sohn mit dem Konzept der Rudolf Steiner Schule und der heilpädagogischen Förderung die für ihn angemessene Schulung erhalte.

Eltern kritisieren: Wohl des Kindes sei zweitrangig

Diese Fortschritte stellt das Kantonsgericht zwar nicht in Abrede. Es wirft den Eltern aber eine «eigenmächtige Anmeldung» vor. Und weiter: Die Ausbildung müsse für den Einzelnen angemessen und geeignet sein und genügen, um die Schüler auf ein selbstverantwortliches Leben im Alltag vorzubereiten. Der verfassungsrechtliche Anspruch umfasse nur ein angemessenes, erfahrungsgemäss ausreichendes Bildungsangebot an öffentlichen Schulen. Dieser Anspruch auf unentgeltlichen Grundschulunterricht sei somit nicht gleichbedeutend auf die optimale beziehungsweise «geeignetsten Schulung» eines behinderten Kindes, hält das Gericht fest.

Dass ihrem Kind die geeignetste Ausbildung verwehrt wird, schockiert die Eltern. Sie weisen auf die spezielle Situation hin:

«Wir möchten unserem Sohn mit seiner geistigen Behinderung die Chance bieten, sich auf das Erwachsenendasein möglichst gut vorbereiten zu können, vor allem im Hinblick auf die soziale Integration in unserer Gesellschaft.»

Mit solchen Entscheiden von öffentlicher Seite werde dem Kindeswohl nicht gebührend Rechnung getragen. Und sie stellen auch die Frage in den Raum, ob man sich vielleicht nicht getraut habe, hier einen Präjudizfall zu schaffen. Am Entscheid vermochte auch das Argument nichts zu ändern, dass die Kosten für eine heilpädagogische Förderung an der Rudolf Steiner Schule tiefer sind als jene für seine Beschulung im HPZ Hohenrain, die dem Staat anfallen und sich auf ungefähr 100'000 Franken pro Jahr belaufen würden.

Die Leistungen der öffentlichen Schule seien als Ganzes unentgeltlich, argumentiert das Gericht. Es könnten nicht einzelne Leistungen abgespalten und die Kosten dafür eingefordert werden. Was die Eltern des Jungen dazu verleitet, zu vermuten:

«Offenbar wird das Einhalten von vorgegebenen Strukturen höher gewichtet als die Kostenfolge.»

Von der Möglichkeit, das Urteil an das Bundesgericht weiterzuziehen, sehen sie jedoch ab. Aus Kostengründen sind die Eltern gezwungen, ihren Sohn aus seinem gewohnten Schulumfeld herauszunehmen. So wird der Junge im nächsten Jahr dann an der HPZ Hohenrain unterrichtet.

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