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Luzern

Vor 850 Jahren erhielt Luzern ein Fragment des «Wahren Kreuzes Christi»

Anno 1171 stiftete Ulrich von Eschenbach dem Benediktinerkloster im Hof einen Kreuzpartikel. Das prächtige Prozessionskreuz, das ihn birgt, rückt anlässlich des 850. Stiftungsjahres in den Fokus bei den Führungen.
«Schatzhüter» Urs-Beat Frei hält das spätgotische Eschenbach-Kreuz vorsichtig in den Händen. Im roten Behältnis am Kreuzende ist die kostbare Reliquie erkennbar. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern 8. Juni 2021))
Im Glasbehältnis am Kreuzende wird die Kreuzreliquie aufbewahrt. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern 8. Juni 2021))

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Der Überlieferung zufolge hat Kaiserin Helena, Mutter Konstantins des Grossen, im Jahre 320 in Jerusalem das Kreuz Christi gesucht und aufgefunden. Von dessen Holz wurden bald grössere und kleinere Partikel an Kirchen und Privatpersonen verteilt. Solche Reliquien des «Wahren Kreuzes Christi» fanden im Laufe der folgenden Jahrhunderte abertausendfach Absatz, zuweilen selbst in Form von lediglich einer Holzfaser.

Im Luzerner Stiftsschatz von St.Leodegar im Hof wird seit 850 Jahren ein solcher Kreuzpartikel aufbewahrt. Anno 1171 ist dieser knapp einen Zentimeter grosse Holzsplitter vom späteren Propst Ulrich von Eschenbach gestiftet worden. Das in seiner heutigen Form 62 mal 52 Zentimeter grosse Kreuz, welches die kostbare Reliquie im glasüberfangenen Behältnis am Kreuzende birgt, stammt von 1482 und ersetzte das vermutlich einfacher gehaltene Vorgängerkreuz.

Wohl in Basel für Luzern gefertigt

Auf dem zentralen Feld hinter dem Haupt Jesu sind die beiden Patrone der Hofkirche, Leodegar und Mauritius, eingraviert. «Das bezeugt, dass dieses Kreuz eigens für den Luzerner Stiftsschatz angefertigt worden ist», sagt Urs-Beat Frei, Experte für Sakralkunst und «Schatzhüter». Behutsam hebt er das spätgotische Prunkstück aus seiner Halterung und dreht es um. In das vorne vergoldete, mit 386 handgeschmiedeten Silbernägeln montierte Silberblech sind rückseitig die vier Evangelistensymbole getrieben, und Inschriften geben Aufschluss über das Entstehungsjahr, die ursprüngliche Reliquienstiftung wie auch über die weiteren enthaltenen Reliquien. Das Vortragekreuz konnte in der Liturgie unterschiedlich verwendet werden, etwa als Altar- wie auch Prozessionskreuz. Dank einer Aufhängevorrichtung mit Ketten liess es sich besser in den Händen halten. Jahrhundertealte Notizen bezeugen, dass das Kreuz – vor allem wegen seiner vielverehrten Kreuzreliquie – oft zu Kranken und Sterbenden getragen wurde. Unsachgemässe Handhabung und unzureichende Reparaturen haben dem kostbaren Exponat im Verlaufe der Zeit zugesetzt. 1978 wurde das Eschenbach-Kreuz anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums der Stadt Luzern einer umfassenden Restauration unterzogen.

Dabei fand man einen Zettel mit einer aufschlussreichen Notiz: Sie nennt die beiden Auftraggeber für die Erneuerung, respektive Anfertigung des Kreuzes von 1482. Demnach waren dies Propst Peter Brunnenstein, um 1470 Rektor der Universität Basel, und Johannes Buchholtzer, Almosener von St.Leodegar im Hof. Es ist davon auszugehen, dass das Kreuz in Basel entstanden ist, zumal für jene Zeit in Luzern kaum Goldschmiede bezeugt sind, welche solche Arbeiten hätten ausführen können.

Mehr Aufmerksamkeit für den kostbaren Schatz

Für Urs-Beat Frei wäre es aus heutiger Sicht wünschenswert, dass bei der Restauration von 1978 ausführlichere Untersuchungen des Reliquienkreuzes gemacht worden wären. «Man hat es beispielsweise unterlassen, dendrochronologische Untersuchungen des Holzkerns vorzunehmen. Das hätte weiteren Aufschluss über das wirkliche Alter des Kreuzes geben können.» Ganz allgemein seien auch die Restaurationsschritte verhältnismässig dürftig dokumentiert.

«Es wäre durchaus lohnenswert, das Kreuz wie auch andere Exponate des Luzerner Stiftsschatzes mit den aktuellsten Methoden zu untersuchen
und zu dokumentieren.»

Der Kunsthistoriker wünscht sich auch, dass der enorme kulturgeschichtliche Wert des Stiftsschatzes stärker wahrgenommen würde. «Er ist zweifelsohne einer der ältesten und bedeutendsten der Schweiz», betont Frei. Seit drei Jahren bietet er regelmässig öffentliche Führungen durch die Schatzkammer der Hofkirche an. Weit über 2000 Interessierten hat er seither die sakralen Kostbarkeiten gezeigt und erklärt. «Die Menschen sind sichtlich ergriffen und begeistert, wenn sie die Exponate zum ersten Mal zu Gesicht bekommen und ihre Hintergründe erfahren», sagt Urs-Beat Frei.

Im laufenden Jahr hat denn auch das Eschenbach-Kreuz mit dem «Geburtstagskind» - die vor genau 850 Jahren gestifteten Kreuzreliquie - einen besonderen Platz im Rahmen dieser Führungen.

Weitere Informationen zum Luzerner Stiftsschatz und zu den Führungen unter www.luzern-kirchenschatz.org. Nächste öffentliche Führungen: Samstag, 12. Juni, 10 Uhr, und Dienstag, 6. Juli, 19.15 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos (Kollekte).

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