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Luzern

Velobahnnetz gefordert: Das kann die Stadt Luzern von Winterthur lernen

In Winterthur wird bis 2030 ein 25 Kilometer langes Netz an Veloschnellrouten entstehen. Doch auch dort sind Kompromisse unausweichlich – vor allem in der Innenstadt.
(Visualisierung: Team Metron)

Roman Hodel

Roman Hodel

Geht es nach der Organisation Pro Velo, soll die Stadt Luzern ein mindestens 20 Kilometer langes Velobahnnetz erhalten. Und das innert zehn Jahren ab Annahme einer Volksinitiative, für die demnächst die Unterschriftensammlung beginnt (wir berichteten). Dank schneller, direkter und hindernisfreier Velorouten will man den Anteil der Velofahrer am Gesamtverkehr erhöhen. Was hier noch in weiter Ferne ist, wird im 110'000 Einwohner zählenden Winterthur bald Realität: Erst vor wenigen Tagen hat der Stadtrat Grundsätze beschlossen, mit denen die Umsetzung eines Netzes bis 2030 vorangetrieben wird – die Winterthurer sprechen von Veloschnellrouten statt Velobahnen. Schon 2021 soll die erste Route von einem Aussenquartier ins Stadtzentrum bereit sein.

Das Winterthurer Veloschnellroutennetz enthält vieles von dem, was Pro Velo in Luzern ebenfalls fordert:

Laut diesem Netzplan sind es sechs Routen (rot), die von den Aussenquartieren ins Stadtzentrum führen. In Letzterem existieren dann ein äusserer Ring (gelb) und einige miteinander verbundene Strecken, die City-Ring heissen (orange). Dabei kommt Winterthur die Topografie zugute. Der Grossteil des Stadtgebiets liegt in einem Talkessel, umgeben von Hügeln. Sprich: ideal für Velofahrer.

Konkret unterscheiden die Winterthurer gemäss Studienauftrag zu den Veloschnellrouten zwischen folgenden Routenarten:

  • 4 bis 4,8 Meter breite Zweirichtungsradwege sind «die ideale Führungsart», weil ausschliesslich für Velofahrer. Doch wegen des Platzes ist dies nur auf gut einem Fünftel des Netzes möglich.
  • Fuss-/Velowege sind wegen der Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen Fussgängern und Velofahrern zu vermeiden und sollen nur zum Einsatz kommen, wenn keine andere Lösung möglich ist.
  • Vielfach werden Veloschnellrouten über «siedlungsorientierte» Strassen führen. Dabei handelt es sich meist um Quartierstrassen mit weniger als 2000 Motorfahrzeugen pro Tag und kaum ÖV. Hier teilen sich Velos, Autos und Fussgänger den Platz. Öffentliche Parkfelder entlang der Strasse bleiben meistens erhalten.
  • Nur selten sollen Veloschnellrouten entlang von Hauptverkehrsachsen mit viel Autoverkehr führen; und wenn doch, dann mit überbreiten Radstreifen oder baulich abgetrennten Radwegen.

Am schwierigsten ist die Umsetzung des Netzes in der eng bebauten Innenstadt, wo der Veloschnellrouten-Standard aus baulichen Gründen gar nicht möglich ist. «Hier dürften betriebliche Optimierungen wie etwa eine neue Vortrittsregelung im Vordergrund stehen», sagt Christoph Oetiker, Leiter Strassenraum bei der Stadt Winterthur. Dafür sei in diesem Gebiet die Gestaltung des Aussenraums wichtiger. Als gelungenes Beispiel nennt er den Oberen Graben als Teil des künftigen Velo-City-Rings. Auf dem begrünten Platz in der Altstadt dürfen schon heute Velos fahren, trotz Fussgängerzone und Gartenbeizen. Oetiker sagt:

«Aber hier muss auch der Velofahrer Rücksicht auf sein Umfeld nehmen und darf nicht erwarten, dass er durch die Stadt rasen kann.»

Laut Oetiker existieren rund 20 des 25 Kilometer langen Netzes bereits, aber es sind da und dort Anpassungen nötig. Damit es einheitlich daherkommt, werden alle Routenbeläge ähnlich wie in den Niederlanden in Rot ausgeführt. Hier zu sehen am Beispiel des Knotens Lindstrasse:

Zudem ist ein spezielles Veloschnellrouten-Logo als Erkennungsmerkmal geplant. Gemäss Oetiker ist im Rahmen von konkreten Projekten sicherlich noch Überzeugungsarbeit erforderlich: «Dafür wird es eine Kommunikationsstrategie brauchen.»

Wobei: Grundsätzlich sind die Winterthurer velofreundlich eingestellt. In der früheren Arbeiterstadt, die heute ein wichtiger Bildungsstandort ist, spielte das Velo immer eine grosse Rolle. Deshalb erstaunt es nicht, dass Winterthur als mehrfach ausgezeichnete Velostadt nun schweizweit eine Pionierrolle einnimmt bei den Schnellrouten. Am Studienauftrag waren neben zwei Schweizer Planungsbüros auch eines aus den Niederlanden beteiligt. Oetiker sagt:

«Mit den definierten strategischen und planerischen Grundsätzen kommen wir dem Zielbild der nordischen Velo-Vorbildländer näher und werden dies auf Abschnitten auch erreichen.»

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