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Luzern

«Schnee von gestern»: Heizen vor den Beizen

Heizpilze vor Restaurants sorgten in den letzten Wochen wieder für Schlagzeilen. Das lässt auch unseren Autor nicht kalt.
Hans Graber.

Hans Graber

Da ich mich gerne in Beizen aufhalte, schaue ich der kälteren Jahreszeit mit etwas Bangen entgegen. Zwar habe ich schon vor Corona nach Möglichkeit ganzjährig den Aussenbereich aufgesucht, aber bei Gefrierfach-Temperaturen konnte das jeweils schnell etwas ungemütlich werden. Bei Bibbern wechselte ich dankbar ins geheizte Innere. Dort aber liegt nun das Virus auf der Lauer und sucht einen geeigneten Wirt, der, wie wir wissen, nicht identisch sein muss mit dem eigentlichen Beizer.

Bis jetzt war die Coronazeit von prächtigem Wetter begleitet. Richtig heiss dürfte es für viele Restaurants aber erst noch werden. Deshalb gibt es Bestrebungen, die sommerliche Wärme künstlich über den Winter zu retten, damit die Tische draussen weiterhin genutzt werden können. Ins Spiel gebracht wurde ein vorübergehendes Comeback der Heizpilze, aber der Luzerner Kantonsrat hat diesem Ansinnen unter Verwendung lustiger Wortspielchen («Knollenblätterpilz») letzte Woche entschlossen einen Riegel geschoben.

Ich bin kein Fachmann und verstehe einerseits das Argument der Energieverschleuderung, andererseits halte ich es aber – ähnlich wie die Maskenpflicht – für denkbar, dass das Heizpilzverbot auch viel symbolischen Charakter hat. Dazu passt, dass andere Kantone mit den Heizpilzen anscheinend etwas nachsichtiger sein wollen, und kaufen kann man sie sowieso überall.

Obwohl so manchem zweifelhaftem Gerätchen nicht völlig abgeneigt, werde ich mir selber aber keinen Pilz zulegen. Bleibt die Frage, wie unsereins den Beizenwinter möglichst schadlos bewältigen kann. In Deutschland, wo ähnliche Diskussionen laufen, hat ein Vertreter der Linken verlauten lassen, «heisser Glühwein statt klimaschädlicher Heizpilze muss das Motto der Saison werden». Es stimmt wohl schon, dass Glühwein dem Klima weniger schadet, gleichzeitig hat dieses Getränk das Zeug dazu, Menschen mit halbwegs intaktem Geschmacksempfinden zugrunde zu richten, und dann hätte ich auch nichts mehr vom guten Klima.

Wenig tauglich dünken mich ferner Wolldecken und Felle, die bislang zum Einsatz kamen, nun aber nach jedem Gast bis in die letzte Zottel hinein desinfiziert werden müssten. Wie früher näher zusammenrücken und einander warm geben, geht auch nicht mehr. Also muss man sich selber dick einpacken, inklusive doppellagiger Thermounterwäsche. Zudem könnte man sich eine Bettflasche umbinden, einen batteriebetriebenen Handwärmer mitführen oder ein Heizkissen. Da ich aber die Erfahrung gemacht habe, dass das Frösteln immer von den Füssen ausgeht und sich von dort unumkehrbar Millimeter für Millimeter über den ganzen Körper emporarbeitet, friert man sich den Hintern erst ab, wenn eh alles zu spät ist. Mir schweben deshalb beheizbare Socken («Fire Socks») und Schuhe («Gronell Tibet») der Firma Alpenheat vor. Mit 179 beziehungsweise 699 Franken nicht unbedingt Schnäppchen.

Ein Holzfeuer zu entfachen, wäre offenbar nicht verboten, im grösseren Stil ist das aber vor einer Beiz in der Stadt wenig praktikabel. Als Alternative bietet sich an, ein schönes Feuer auf Grossleinwand zu übertragen. Es gibt ja TV-Sendungen, die stundenlang ein Kaminfeuer zeigen, samt Knistertönen. Als ich meine Mutter in ihren letzten Monaten im Pflegeheim besuchte, sassen die Bewohner dort regelmässig andächtig um den Fernsehkasten mit dem Feuer herum. Ein mich irgendwie deprimierender, aber gleichzeitig auch tröstender Anblick.

Wärme kann man sich vermutlich auch einfach nur vorstellen. Vorstellbar ist ja heute fast alles. Nur eines nicht mehr: einigermassen Normalität.

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