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Luzern

Luzerner wollen ihre Tiere künftig auf dem Hof schlachten

Der Bund regelt Hof- und Weidetötungen neu. Landwirtin Céline Haas aus Ohmstal will auf diese Methode setzen – und erst recht Mischa Hofer. Der künftige Vitznauer bietet ein System an, das sich in Deutschland bewährt.
Céline Haas mit ihren Jungmunis auf einer Weide in Ohmstal. Mischa Hofer bietet mit einem neuen System aus Deutschland Hofschlachtungen an. (Bild: Nadia Schärli)
Mobile Schlachtungen: Das bietet Mischa Hofer an. (Bild: PD)

Lukas Nussbaumer

Lukas Nussbaumer

Lukas Nussbaumer

Kühe, Kälber, Schweine oder Schafe, deren Fleisch später auf dem Teller landet, haben zweierlei gemeinsam: Ihre letzte Station ist der Schlachthof, und ihr Weg dorthin ist häufig ausgesprochen stressig. Die Tiere sind sich das Be- und Entladen in den Viehtransporter nicht gewohnt, ebenso wenig die Fahrt – und schon gar nicht das Warten auf die Tötung im Schlachthaus oder der Metzgerei. Eine Folge dieser letzten stressigen Stunden im Leben eines Nutztiers kann eine verminderte Fleischqualität sein, wie Studien belegen.

Null Stress, weil der Tod in der gewohnten Umgebung eintritt: Das verspricht die Hof- oder Weidetötung, die in der Schweiz künftig ermöglicht werden soll, weil der Bund die entsprechende Verordnung anpasst. Bis jetzt sind Hofschlachtungen nur für den Eigengebrauch erlaubt (siehe Kasten unten). Wer seine Tiere auf dem eigenen Betrieb töten will, braucht aber eine Bewilligung des kantonalen Veterinärdiensts. Eine Handvoll Bauern verfügt bereits heute über eine solche – als Ausnahme, so in den Kantonen Zürich, Graubünden und Solothurn. Im Kanton Zug gibt es im Gegensatz zum Kanton Luzern bis jetzt einen Landwirt, der ein Gesuch gestellt hat. Es wurde jedoch noch nicht gutgeheissen.

Landwirtin will weg vom «Zwischenideal»

Ab etwa Mitte Jahr, wenn die Bundesverordnung in Kraft tritt, wird sich diese Situation ändern. So wird Céline Haas vom «Oberhof» in Ohmstal ein Gesuch einreichen, wie sie auf Anfrage sagt. «Mir ist es wichtig, dass meine Tiere von der Geburt bis zum Tod ein gutes und artgerechtes Leben führen.» Ihre schlachtreifen Kühe liefert die Landwirtin aktuell einem Handelsunternehmen, das Fleisch wird dann unter dem Label «Natura Kühe» verkauft. Junge Tiere lässt die Halterin von Mutterkühen der Rasse Limousin vom lokalen Metzger schlachten, der Transport dauert nur zehn Minuten. Einen Teil dieses Fleisches mit dem Label «Natura Beef» vermarktet sie direkt ab Hof. Im Gegensatz zu den Kühen begleitet sie die Jungtiere bis zur Tötung beim Metzger.

Der bis jetzt praktizierte Weg der Schlachtung sei «ein Zwischenideal», zwar nicht schlecht, aber für die Tiere halt doch mit Stress verbunden. «Indem ich meine Kühe dem Händler übergebe, schaue ich ein Stück weit weg», sagt die 40-Jährige. Das will sie ändern: «Ich stehe voll und ganz hinter der Hofschlachtung und will mich vor der Tötung meiner Tiere nicht verschliessen.» Die Beziehung zu ihnen habe für sie eine sehr grosse Bedeutung. «Das Vertrauen, das ein Tier zu mir aufgebaut hat, möchte ich bei seinem letzten Gang nicht zerstören. Ich bin es dem Tier schuldig, dass es in Ruhe sterben darf.»

Den höheren Aufwand – Metzger und Tierarzt müssen bei einer Hoftötung vor Ort sein – nimmt Céline Haas «in Kauf, weil es mir das wert ist». Doch gilt das auch für ihre Kunden? Die Ohmstalerin glaubt fest daran: «Sie werden bereit sein, für dieses Fleisch etwas mehr zu bezahlen.» Ihr sei es ein Anliegen, dem bewussten Fleischkonsumenten die Geschichte hinter ihrem Produkt auf eine ehrliche und für sie stimmige Art erzählen zu können.

Neue Methode wird in Deutschland bereits eingesetzt

Konsumenten geben für Fleisch, das von Tieren stammt, die stressfrei gestorben sind, mehr Geld aus – davon ist auch Mischa Hofer überzeugt. Der Geschäftsführer der Platzhirsch Hofschlachtungen GmbH mit Sitz im emmentalischen Lützelflüh bietet künftig Hofschlachtungen an. Und zwar mit einem System, das die Schweiz noch nicht gesehen hat: einer aus Deutschland für rund 100'000 Franken importierten mobilen Schlachteinheit, die von der EU zertifiziert ist und die Grösse eines Autoanhängers aufweist.

Im Gegensatz zur Methode, die jetzt in der Schweiz angewendet wird (siehe Grafik), müssen die Tiere zum Entbluten nicht mit einem Kran oder Frontlader eines Traktors angehoben werden – die Entblutung geschieht im geschlossenen Anhänger. Damit läuft weder Blut auf den Boden aus noch hat das geschlachtete Tier Bodenkontakt. Das entspricht laut Mischa Hofer einer hygienetechnisch einwandfreien Tötung, deren Ausführung auch praxistauglich sei. Beweis dafür seien die mehr als 100 Tiere, die mit der mobilen Schlachteinheit im letzten Jahr in Baden-Württemberg getötet worden seien.

Laut dem 41-Jährigen, der ab 2021 einen Bauernhof auf Hinterbergen ob Vitznau bewirtschften wird, ist das Interesse an Hoftötungen sehr gross. «Ich habe bereits Anmeldungen für etwa 300 Tiere, viele davon aus dem Kanton Luzern, aber auch aus Bern, Solothurn oder Zug.» Der Bald-Luzerner Hofer wird auch Céline Haas aus Ohmstal zu seinen Kunden zählen.

Kantonsarzt verweist Bauern auf Bundeslösung

Zuständig für die Bewilligung von Hoftötungen wird im Kanton Luzern der Veterinärdienst sein, geleitet von Kantonstierarzt Martin Brügger. Er verweist Bauern, die sich dafür interessieren, auf die bald in Kraft tretende Bundesverordnung – und er geht davon aus, dass ab dann Gesuche gestellt werden. Weil der definitive Gesetzestext noch nicht bekannt ist, sei schwierig abzuschätzen, wie viele Gesuche eintreffen. Ebenso schwierig seien Aussagen zum Bewilligungsverfahren. «Ob für die Erteilung einer Bewilligung Besuche auf dem Hof nötig sind, ist abhängig von den Regeln des Bundes», sagt der 56-Jährige, der sein Amt im letzten Jahr übernommen hat und der früher eine eigene Praxis für Gross- und Kleintiere im Kanton Schwyz führte. Klar sei hingegen, dass für den Veterinärdienst «auf jeden Fall ein erheblicher Mehraufwand» entstehen werde. Dies auch deshalb, weil bei dieser Art der Schlachtung voraussichtlich immer ein amtlicher Tierarzt anwesend sein müsse.

Laut Astrid Lussi, die beim Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain als Tierhaltungsberaterin und -lehrerin arbeitet, werden Hoftötungen bei den hiesigen Landwirten «dann zum Thema, wenn die Bundeslösung steht». Sie glaubt, die Methode werde sich auf Betriebe beschränken, die ihr Fleisch direkt ab Hof verkaufen.

Bauernverband zeigt sich skeptisch

Davon geht Stefan Heller ebenfalls aus. Und auch auf der Geschäftsstelle des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV), die von Heller geleitet wird, waren Hoftötungen «bis jetzt nur am Rand ein Thema». Ob Landwirte für Fleisch von auf dem Hof getöteten Tieren tatsächlich mehr Geld erhalten, sei nicht einfach abzuschätzen, so Heller: «Ich bin da ein wenig skeptisch. Aber das muss nicht ich, sondern der Markt entscheiden.»

Während Verfechter von Hoftötungen argumentieren, mit stressfrei getöteten Tieren lasse sich sowohl der Fleischverzehr ankurbeln als auch der Ruf der Branche verbessern, äussert Heller Vorbehalte. Je nach Umgang mit den Tieren, den Transportwegen und der Art der Tötung seien auch Schlachtungen in einer Metzgerei mit keinem oder wenig Stress verbunden. Hoftötungen würden eine Nische in der Direktvermarktung bleiben. Und auch die Kommunikation des Mehrwerts – «Ich töte dich zwar, aber einfach zu Hause.» – dürfte laut Heller «nicht ganz einfach» sein.

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