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Luzern

Die Lohnschere schliesst sich etwas: So viel verdienen Frauen und Männer im Kanton Luzern

Frauen verdienen noch immer klar weniger als Männer. Wirtschaftsvertreter kritisieren die statistischen Grundlagen.

Lukas Nussbaumer

Betriebe mit mehr als 100 Angestellten müssen neu Lohngleichheitsanalysen durchführen. Das ist Teil des geänderten, gestern in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetzes. Die ersten Auswertungen müssen in einem Jahr vorliegen. Sie werden intern Aufschluss geben über allfällige Salärunterschiede zwischen Frauen und Männern – und sie werden auch zeigen, wie die am Mittwoch von Lustat Statistik Luzern veröffentlichten Zahlen einzuordnen sind.

Diese zeigen nämlich noch immer grosse Differenzen zwischen Männer- und Frauenlöhnen. Lustat stützt sich auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik, die alle zwei Jahre bei einer repräsentativen Auswahl von Unternehmen durchgeführt wird.

Tiefstlöhne im Gastgewerbe, hohe Saläre in Zürich

Ins Auge sticht vor allem der grosse Unterschied bei den Löhnen der oberen Kader, wo Frauen im Kanton Luzern 2018 noch immer rund 20 Prozent weniger verdient haben als Männer in der gleichen Position. 2008 hatte der Unterschied gar knapp 25 Prozent betragen. Ähnliche Werte weisen die Statistiker für alle Kantone zusammen aus. Augenfällig ist zudem die Entwicklung bei den Gehältern von Personen, die keine Kaderfunktion innehaben. Dort hat sich der Unterschied im Kanton Luzern beinahe und landesweit sogar mehr als halbiert (siehe Grafik).

Neben den Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern zeigen die Erhebungen auch die Entwicklungen in den Branchen auf. Die tiefsten Löhne werden nach wie vor im Gastgewerbe bezahlt. In diesem Bereich haben die Statistiker auch die geringste Lohnspanne festgestellt: Die mittleren Löhne lagen vor zwei Jahren zwischen 4000 und 5200 Franken. Die grössten Spannen gibt es im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie bei freiberuflich oder wissenschaftlich tätigen Personen.

Am meisten verdienen Arbeitnehmer im Kanton Zürich. Dann folgen Aargau, Baselland und Baselstadt. Tiefer als im Kanton Luzern sind die Löhne nur im Tessin sowie in der Ostschweiz, also in den beiden Appenzell, in Glarus, Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen und im Thurgau

Erwerbsunterbrüche sind nicht berücksichtigt

Für Adrian Derungs, Direktor der in Luzern ansässigen Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ), bildet die Statistik nicht die Realität ab.

«Erwerbsunterbrüche, Berufserfahrung und Teilzeitarbeit sind darin nicht berücksichtigt. Zentral sind die Erwerbsunterbrüche, die hauptverantwortlich sind für die Differenzen.»

Deshalb sei es problematisch, die aktuell nicht erklärbaren Lohnunterschiede pauschal als Lohndiskriminierung zu bezeichnen.

Die 1889 gegründete IHZ vertritt rund 800 Zentralschweizer Grossunternehmen. Gaudenz Zemp teilt diese Ansicht. Der Direktor des etwa 9300 Mitglieder umfassenden KMU- und Gewerbeverbands des Kantons Luzern (KGL) sagt, er stelle in den Unternehmen keine Diskriminierung fest. «Gleiche Arbeit wird mit dem gleichen Lohn abgegolten.» KGL und IHZ sind die beiden grössten Luzerner Wirtschaftsverbände und repräsentieren die Mehrheit der Arbeitgeber. Sowohl Derungs als auch Zemp betonen zudem, wie wichtig gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind. «Heute ist diese Vereinbarkeit noch nicht gegeben», sagt Derungs – und sieht den Staat in der Pflicht, Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Betreuung von Kindern zu verbessern. «Dann steigen die Chancen für Frauen, Karriere zu machen – und damit ihre Löhne», glaubt der IHZ-Direktor.

Bei Kindertagesstätten will auch Zemp den Hebel ansetzen. «In diesem Bereich müssen wir Fortschritte machen. Das ist ein gemeinsames Anliegen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, unabhängig von der Parteifarbe», so der FDP-Kantonsrat aus Kastanienbaum.

Am Anfang der Karriere sind die Unterschiede klein

Barbara Rohner, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Lustat Statistik Luzern, bestätigt die Nichtberücksichtigung der Erwerbsunterbrüche: «Dieser Aspekt wird in der Lohnstrukturerhebung nicht erfasst», so Rohner. Auszeiten im Berufsleben, aber auch Teilzeitarbeit seien denn zwei Gründe für die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Ein Indiz dafür liefert die nach Alterskategorien aufgeschlüsselte Statistik. Demnach besteht zu Beginn einer Karriere fast keine Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern. Generell gelte, dass Frauen tendenziell einen weniger hohen Bildungsabschluss hätten, seltener Kaderstellen besetzen und häufiger in Tieflohnbranchen wie dem Gastgewerbe, dem Handel oder dem Gesundheitswesen arbeiten würden, sagt Rohner.

Gewerkschafterin fordert von Firmen Transparenz

Viviane Hösli leitet die Geschäftsstelle des Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) Zentralschweiz. Sie gibt den Wirtschaftsvertretern Recht und sagt ebenfalls, Erwerbsunterbrüche seien eine Erklärung für die registrierten Lohnunterschiede – «weil viele Firmen ihr Lohnsystem auf zu 100 Prozent erwerbstätige Männer ausgerichtet haben und Kinderbetreuung noch immer als Privatsache betrachten».

Den Arbeitgebern bewusste Lohndiskriminierung vorwerfen wolle sie aber nicht, betont die Gewerkschafterin. «Das machen nur die wenigsten wirklich absichtlich, allerdings haben sie blinde Flecken.» Deshalb seien nicht nur die seit gestern vorgeschriebenen allgemeinen Lohnanalysen wichtig, sondern eine Unterteilung nach Funktionsstufen. «Da sollen Firmen Transparenz schaffen.»

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