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Hochschule Luzern

Neuer Computertomograf kann sogar Risse in Staubkörnern finden

Ein schweizweit einmaliger Computertomograf der Hochschule Luzern in Horw analysiert Objekte in einer mikroskopischen Genauigkeit, ohne dass sie zerlegt werden müssen. So können Brücken stabiler gebaut, Gebäude besser beheizt und Bandscheibenvorfälle rascher kuriert werden.
Hochschuldozent Philipp Schütz mit einer Materialprobe beim Computertomografen. (Bilder: Dominik Wunderli (Horw, 9. Juli 2020))
Dank einer Laser-Zielvorrichtung können die Objekte präzis im Gerät platziert werden. Auch gibt eine Kamera an der Unterseite des Tomografen Einblick ins Innenleben. 
Die Röntgenstrahlen treffen von links auf das sich drehende Testmaterial.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter Damian Gwerder analysiert die Bilder der Probe am Computer.

Alexander von Däniken

Ein Riss im Knochen? Ärzte können das dank eines Röntgengeräts problemlos feststellen. Wenn es ein dreidimensionales Bild braucht, etwa für einen Gehirnscan, kommt der Computertomograf (CT) zum Einsatz. Hier treffen die Röntgenstrahlen von mehreren Seiten auf den Körper oder ein Objekt. Das Departement Technik und Architektur der Hochschule Luzern (HSLU) hat sich im Herbst letzten Jahres für rund eine halbe Million Franken einen industriellen CT beschafft.

Diese Maschine ist wesentlich genauer als ihre medizinischen Geschwister. In Zahlen: Die Auflösung von Geräten in Spitälern beträgt bis zu 100 Mikrometer, jene des HSLU-Geräts bis zu einem Mikrometer. Damit könnten problemlos Risse in Staubkörnern entdeckt werden. Es geht aber – im Gegensatz zu anderen industriell genutzten Geräten – auch mit Objekten von einem halben Meter Durchmesser. Wir konnten den CT am Donnerstag vor Ort betrachten.

Physiker, Biochemiker, Materialprüfer

Philipp Schütz öffnet die Tür zum provisorischen Anbau des dritten Trakts, der extra für die Maschine gefertigt worden ist. Schütz ist Dozent am Kompetenzzentrum für Thermische Energiespeicher und Spezialist für CT. Der 42-Jährige spricht mit Begeisterung über seine Arbeit. Er hat an der ETH theoretische Physik studiert und am Biochemischen Institut der Uni Zürich über die «Entwicklung von Netzwerk-Analysewerkzeugen und deren Anwendung in der Biochemie» promoviert. Nachdem er an der eidgenössischen Materialprüfanstalt an CT tüftelte, stieg er vor rund sechs Jahren bei der HSLU als Dozent ein.

Zurück zum Gerät. Der Anbau wurde wegen des enormen Gewichts nötig: Knapp 12 Tonnen wiegt die 3,5 Meter lange, 2,5 Meter hohe und 2 Meter tiefe Maschine. Das geht nur mit verstärktem Boden. Auch der Strahlenschutz ist wichtig: «Um die Maschine herum gibt es sogar weniger Radioaktivität als in der Natur.» Im Gerät ist es konstant 20 Grad. Statt der üblichen 100 Kilo Granitplatten sind vier Tonnen verbaut. Das garantiert eine hohe Stabilität, gerade wenn die Maschine die Objekte beim Durchleuchten dreht. Schweizweit ist das Gerät einmalig, weltweit gibt es laut Aussage des deutschen Herstellers Diondo GmbH nur ein weiteres, das sich in öffentlicher Hand befindet.

Doch wozu braucht es das überhaupt? «Bei uns wird das Gerät in erster Linie für Projekte in der Energieforschung zum Zug kommen», sagt Schütz. Als Beispiel zeigt er ein Reagenzglas mit drei verschiedenen Varianten eines Materials darin. Es handelt sich um sogenanntes Phasenwechselmaterial, das zum Beispiel in Gebäuden zum Einsatz kommt, in denen tagsüber Fotovoltaikanlagen Energie liefern, die erst am Abend als Wärme benötigt wird.

Das Material nimmt die Energie auf und ändert seinen Zustand etwa von fest zu flüssig. Um die Energie freizusetzen, muss nur der Zustand wieder geändert werden. Der Röntgenblick des CT wird die Entwicklung des Materials vorantreiben. Auch Baustoffe wie Beton können untersucht werden. «Und zwar mit einer Genauigkeit eines Mikroskops, ohne aber die Probe in Scheiben schneiden zu müssen», sagt Schütz. Die Bilder zeigen, wie sich ein Baustoff unter Belastung verhält, und sorgen damit für sicherere Brücken oder Tunnels.

Bund beteiligt sich an den Kosten

Untersucht werden – um zur Medizin zurückzukehren – auch verschiedene Belastungen von Bandscheiben. Dank der Vielfalt an Projekten hat sich der Schweizerische Nationalfonds zu 50 Prozent an den Anschaffungskosten beteiligt. Die Liste weiterer Anwendungsbeispiele und Interessenten ist wohl so lang, wie die Bilder gross sind, welche die Maschine erzeugt. Zehn bis 100 Gigabyte an Festplattenspeicher beansprucht eine einzige Messung, in der höchsten Auflösung sogar 500 Gigabyte. Zum Vergleich: Ein mit dem Handy aufgenommenes Bild ist rund 100'000-mal kleiner.

Bei diesen riesigen Datenmengen braucht es entsprechende Ausrüstung. Neben dem CT steht ein 400 Kilo schwerer Serverkasten mit drei Computern und 400 Terabyte Speicherplatz. Der Kasten ist mit drei Arbeitsplätzen verbunden: Zwei dienen der Auswertung der riesigen Bilder, der dritte ist für die Steuerung des CT. Das übernehmen häufig Damian Gwerder und Jorge Martinez, wissenschaftliche Mitarbeiter des Kompetenzzentrums für Thermische Energiespeicher.

Der CT steht zwar seit Ende letzten Jahres in Horw, aber erst seit dem 30. Juni im eigenen Raum. Zwischenzeitlich war er in einem anderen Gebäude im Einsatz. «So wuchtig wie die Maschine aussieht, so empfindlich ist sie auch.» Den Umzug hat die Maschine jedenfalls gut überstanden.

Und einsatzbereit ist sie auch. Sogar nachts: Wie bei einem CD-Wechsler können die Proben auf sechs Scheiben gelegt werden, die der CT nach und nach selbstständig abarbeitet. So haben die Forscher am nächsten Morgen genügend Daten über Aufbau, Risse und Strukturen.

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